Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Zwei Hähne.

        Im Turnierplatz einer Tenne,
Auf dem Thron von Schobern, Scheitern,
Sitzt in Anmut Jungfrau Henne,
Richtend zwischen zweien Streitern.

Ach, es hat ihr sittsam Gackern,
Ihr jungfräulich sittsam Schreiten
Liebentflammt die beiden Wackern,
Die um ihren Preis nun streiten.

Welcher ist's, den sie erkoren,
Dem sie weiht die gleiche Flamme?
Goldhahn mit den schmucken Sporen?
Schwarzhahn mit dem schönen Kamme?

Goldhahn ist ein stolzer Ritter,
Trägt ein Wams orangenfarben,
Goldnen Panzer, bunte Flitter,
Grüner Federn volle Garben!

Siegbewußt im Selbstgefallen
Steht der Stutzer ganz verloren,
Doch der Maid zumeist vor allem
Traun, behagen seine Sporen.

Schwarzhahn prunkt nicht also eitel!
Melancholikus von Hause,
Einfach schwarz vom Fuß zum Scheitel
Trägt er Mantel, Rüstung, Krause.

Seufzend mit gesenkten Blicken
Birgt er in sich seine Flamme,
Doch die Dame fand Entzücken
An dem schönen, roten Kamme.

Horch, Trompetenstöße krähen!
Auf zum Kampf, ihr tapfern Ritter!
Stäubend in den Lüften wehen
Federn statt der Lanzensplitter.

Wie sie aneinander springen,
Grimmig mit den Flügeln schlagen,
Und mit Blick und Kralle ringen,
Degengleich die Schnäbel tragen!

Weh', ein Kleinod hat verloren
Jeder in des Kampfes Flamme,
Goldhahn seine schönen Sporen,
Schwarzhahn ein gut Stück vom Kamme!

Und die Dame steht unschlüssig,
Wer zum Siegespreis zu wählen?
Schwarzhahn, der des Kammes müßig?
Goldhahn, dem die Sporen fehlen?


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