Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kolobri.

            »Mein Nam' ist Kolibri, Mann von Hofe,
An Liebreiz ein klein Ungeheuer,
Der Königin Rose und ihrer Zofe,
Dem schönen Heideröslein, gleich teuer.

Ich summe Sonette zu ihrem Preise,
Umschwebe sie artig und dienstbeflissen;
Wer sich bewegt in so seinem Kreise,
Darf Anstand und sein Gewand nicht missen.

Ich trag' ein Barett demantenflimmernd,
Staatsweste, Höslein goldbrokaten,
Den Frack von grüner Seide schimmernd
Und ausgenäht mit bunten Nahten.

Mein Schnäblein ist mein Galadegen,
Mein Zünglein beweglich ist die Klinge;
Was ich mit jenem nicht darf erlegen,
Mit dieser ich's sicherlich bezwinge.

Man sagt, ich sei treulos und flüchtig
Und meine Huldigung wetterwendig;
Untreu der einzlen Blume, die nichtig,
Bin treu ich der Lenzmacht, die beständig!

Ob sich die Meuter auch all' verschworen,
Den milden Zepter der Rose werden,
Ich weiß es, nimmer zerbrechen die Toren,
Das Reich des Lenzes nimmer gefährden.

Da schießt der Hagel mit silbernen Pfeilen,
Da stürmt mit kristallnen Lanzen der Regen,
Da seht ihr den grimmen Winter eilen,
Des Reiches Farben hinwegzufegen.

Da reißt der Sturm, ein gemeiner Scherge,
Der Rose den Purpurmantel vom Leibe;
Sie weiß, daß, ob sie im Tod sich berge,
Ihr Stamm doch frischere Sprossen treibe.

Besudelt mir nicht des Hofkleids Stoffe
Im Trümmerfall, im Kampfgetose!
Der Ausgang aber wird gut, ich hoffe,
Die Rose ist tot, es lebe die Rose!«


 << zurück weiter >>