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3. Kapitel.
Der 21., 22. und 23. Januar 1871

Der Sieg von Autun hob das etwas erschütterte Selbstgefühl unserer jungen Krieger wieder: die nämlichen Preußen, die uns in Dijon zurückgeschlagen hatten, waren jetzt ihrerseits von uns zurückgewiesen worden und hatten in Unordnung zurückgehen müssen. – Ein frisches, wenn auch nicht starkes Korps würde ausgereicht haben, den Rückzug des Feindes in aufgelöste Flucht zu verwandeln und ihn zu zwingen, uns mindestens seine Geschütze und eine gute Zahl Gefangener zu überlassen. Ich versuchte vergebens, ihn zu verfolgen; aber was wir nicht ausführen konnten, wurde von General Cremer bewirkt, der sich mit einigen Tausenden guter Truppen in der Nähe von Beaune Beaune nordöstlich von Autun an der Straße nach Dijon; Bligny-sur-Ouche westlich von Beaune. befand: er eilte von Beaune über die Berge nach Bligny, griff den Feind von der Flanke aus bei Vendenesse an und brachte ihm eine entschiedene Niederlage bei.

Der größte Teil des Dezember wurde in Autun damit zugebracht, neue Korps mit etwas Artillerie, und einige Schwadronen Kavallerie zu bilden, wobei wir beständig auf Mäntel warteten, die in Anbetracht der Rauhheit der Jahreszeit unentbehrlich waren, sowie auf andere Bekleidungsstücke und nicht minder auf Gewehre, um unsere bisherige Bewaffnung mit altem und sehr schlechtem Material zu verbessern. – Die Waffentat von Autun hatte das Ansehen unseres kleinen Korps gehoben, und die Bevölkerung, die durch unseren Sieg gerettet worden war, segnete uns; von allen Seiten her sandte man uns wetteifernd wollene Unterkleider für die Soldaten und bares Geld für unsere Verwundeten.

In Autun dienten mir 2 Flankenbewegungen als Maske und Schutz, die von Chagny Südlich von Beaune, an der Straße nach Châlons-sur-Saône. bis Orleans durch den General Crousat und von der großen Loire-Armee unter General Bourbaky nach Osten hin unternommen wurden. Da das ganze Land mit Schnee und Eis bedeckt war, so waren diese Bewegungen sehr erschwert und für Menschen und Pferde verderblich. Infolge des Anrückens des Generals Bourbaky räumten die Preußen Dijon; wir besetzten die Stadt mit einigen Kompagnien Franktireurs und hätten sie sogleich mit allen unseren Truppen besetzt, wenn nicht die Eisenbahn für den Dienst des genannten Generals in Anspruch genommen worden wäre.

Gegen Ende Dezember und zu Anfang Januar war es sehr kalt, der Schnee hatte sich in Eis verwandelt und die Fortbewegung war, besonders für Artillerie und Kavallerie, äußerst schwierig geworden. Die Feinde mit ihren kriegsgewohnten Truppen, die in jeder Beziehung für die Kälte ausgerüstet waren, denen der Ruf ihrer Siege zur Seite stand und die den Hochmut des siegreichen Kriegers in Feindesland besaßen, der sich, wie es bei ihnen der Fall war, daran gewöhnt hat, für erlaubt zu halten, nicht nur die armen Einwohner jeglicher Lebensmittel und Gerätschaften zu berauben, sondern sie sogar aus ihren Betten zu verjagen, um sich selbst hineinzulegen: die Feinde also hatten viele und große Vorteile gegenüber den unerfahrenen, neuformierten, an den nötigsten Dingen Mangel leidenden französischen Soldaten. – Die Unternehmung des Generals Bourbaky war zwar trefflich entworfen, aber aus den angeführten und vielen anderen Gründen schwer durchführbar, insbesondere auch weil der Intendanturdienst außerordentlich schlecht funktionierte. Ein Kavalleriegeneral vom Heere Bourbaky's, der mit seiner Division Autun passierte und mir einen Besuch machte, versicherte mich, jene Armee befinde sich in einem kläglichen Zustand. Er sagte mir: »Ich kann zwar mit meinen Pferden einen Marsch von einigen Kilometern ausführen, aber sie sind zweifellos nicht imstande, eine Schlacht zu bestehen, und werden noch jeden Tag untauglicher.« So erging es auch den Pferden der Artillerie und des Train, und nicht anders stand es bei allen Waffengattungen, so daß man schon damals jenem Heere nur Unheil prophezeien konnte. Und doch hätte jenes zahlreiche und jugendliche Heer bei 14 Tagen Organisierung und Ruhe, nach Ablauf der schrecklichen Eisperiode des Januar, die Hoffnung des erschöpften und zu Boden geworfenen Landes wieder beleben können! Statt dessen wurde es in der entsetzlichsten Weise vergeudet und aufgerieben.

Die Parallelbewegung Manteuffel's zu der Bourbaky's, um die Streitkräfte Werder's und der Belagerer von Belfort zu verstärken, war mir bekannt und ich hätte, den Wünschen der Regierung entsprechend, sicherlich mein mögliches getan, um ihn in seinem Anmarsch von der Flanke her zu stören. Gott weiß wie weh es mir tat, diese Operation, die der Ostarmee in so hohem Grade zustatten gekommen wäre, nicht unternehmen zu können. Einmal machte ich den Versuch dazu und war mit dem Hauptteil meiner Streitkräfte aus Dijon ausmarschiert, um den Feind bei Is-sur-Till Nördlich von Dijon. anzugreifen, indem ich das Kommando in der Stadt sowie über etwa 15 000 Neuausgehobene dem General Pellissier hinterließ; aber die Stärke der feindlichen Kolonnen, die mir gegenüberstanden, zwang mich, in die früheren Stellungen zurückzugehen. Gleichwohl operierten 2 meiner 4 Brigaden, die 2. und die 4., verstärkt durch die sämtlichen Kompagnien meiner Franktireurs, auf den Verbindungslinien des Feindes. Entschlossen, Dijon zu verteidigen, ließ ich es meine erste Sorge sein, die Befestigungsarbeiten fortzusetzen, die schon von den Preußen begonnen und von General Pellissier weitergeführt waren.

Die Stellungen von Talant und Fontaine, die die Hauptstraße, die nach Paris führt, beherrschen und gleichzeitig die höchstgelegenen und wichtigsten sind, waren die ersten, die mit einigen fliegenden Werken gekrönt wurden; nach Talant brachte man 2 Feldbatterien vom Kaliber 12 und 2 vom Kaliber 4, und nach Fontaine eine gezogene Feldbatterie vom Kaliber 4 und eine Bergbatterie von gleichem Kaliber. Einige Batterien zu 12, die die Regierung nach und nach dem General Pellissier gesandt hatte, wurden in andere Werke geschafft, die in Montmuzard, Montchappé, Bellair und auf den übrigen geeigneten Plätzen des Umfassungsgürtels von Dijon aufgeworfen worden waren, um das feindliche Feuer im Falle eines Angriffs, dem man täglich entgegensehen mußte, von der Stadt abzuhalten.

Im Kriege herrscht Frau Fortuna und wir wurden wahrhaftig von ihr begünstigt, indem uns der Feind am 21. Januar von Westen her angriff, so daß man wohl sagen kann, er habe den Stier bei den Hörnern gepackt. Da wir das Terrain auf dieser Seite genau geprüft hatten und dort starke Stellungen besaßen, die von Mauern und Zäunen gedeckt waren, auch zur Rechten und zur Linken der Chaussee Schützenlinien aufgestellt und auf den furchterregenden Punkten von Talant und Fontaine, die das Ganze beherrschen, 36 Geschütze zur Verfügung hatten, so gelang unsere Verteidigung prächtig. Und man wußte wohl, gegen wen man sich zu verteidigen hatte; denn die furchtbare Angriffskolonne, die aus der Richtung von Paris her gegen uns anmarschierte, konnte wohl eine Kolonne von Eisen genannt werden. Nur eben reichten unsere 36 Geschütze, die die Straße bestrichen, und mehrere Tausende unserer besten Leute, die wir hinter Schutzwehren zerstreut aufgestellt hatten, aus, jene zum Stillstand zu bringen. Nachdem wir uns aber überzeugt hatten, daß der Angriff von dieser Seite erfolgte, konzentrierten wir dort den Hauptteil unserer Truppen, da es nicht mehr nötig war, den nördlichen und östlichen Teil des Verteidigungsgürtels besetzt zu halten, von wo ich immer angenommen hatte, daß der Hauptangriff erfolgen werde, während ich von Westen her höchstens einen Scheinangriff erwartet hatte. Jetzt aber trat das Gegenteil ein: der Angriff erfolgte zu unserem Glück von Westen und zwar nur von dort, allerdings unter gleichzeitigen Angriffen seitlicher Abteilungen gegen Hauteville und Daix links vom Feinde, und zu seiner Rechten gegen Plombières im Tal der Ouche. Der Angriff war furchtbar: ich sah an diesem Tage feindliche Soldaten – wie ich in meinem ganzen Leben bessere nicht gesehen habe. Die Kolonne, die gegen unsere Stellungen im Zentrum anrückte, war bewunderungswürdig an Tapferkeit und Kaltblütigkeit. Sie kam gegen uns heran wie der Sturmwind, nicht im Eilschritt, aber mit einer Gleichmäßigkeit, einer Ordnung und einer Ruhe, die wahrhaft Furcht einflößten. Diese Kolonne, die nun von unserer ganzen Artillerie in der Front und von allen unseren Infanteriereihen von Talant und Fontaine seitwärts von der Straße beschossen wurde, verließ ein leichenbedecktes Schlachtfeld, ordnete sich aber in den Senkungen des Terrains verschiedene Male aufs neue und nahm dann ihren Vormarsch in der nämlichen Haltung, in gleicher Ordnung und Ruhe, wieder auf. Jene Soldaten waren großartig! – Aber auch unsere Soldaten bewährten an diesem Tage große Tapferkeit und zeigten sich der Feinde würdig, die uns angriffen. Einen einzigen Augenblick lang wurden sie durch einen entsetzlichen Flankenangriff rechts von der Seite von Daix her ins Wanken gebracht, der uns viele Hochgemute kostete. Als dann aber die Feinde in einen Dorfkirchhof zurückgeworfen waren, sah man die Unsrigen die Mauern erklettern und sich auf die preußischen Bajonette stürzen, um diese an sich zu reißen. – Auf unserer Linken dagegen war der Feind von unseren starken Schützenlinien aufs Korn genommen worden und in Gefahr gekommen, daß sein rechter Flügel in Plombières abgeschnitten würde. Dieser feindliche rechte Flügel wurde ebenfalls von den Truppen des Obersten Pelletier und von den Franktireurs Brauns beschossen, die von Bellain aus in das Ouchetal hinabgestiegen waren und ihn zu eiligem Rückzug nötigten.

So dauerte die Schlacht vom Morgen bis zum Sonnenuntergang mit der größten Erbitterung von beiden Seiten und ohne daß der eine oder der andere Teil einen entscheidenden Vorteil erlangte. Bei Sonnenuntergang waren wir Herren der Stellungen, die wir am Tage innegehabt hatten, und der Feind hielt die von ihm eingenommenen.

Aber hier ereignete sich nun das, was ich auch sonst unter ähnlichen Umständen bei neu ausgehobenen Truppen einerseits und bei kriegsgewohnten Soldaten andererseits sich habe ereignen sehen: letztere gehorchen den Befehlen, die ihnen erteilt worden sind, erstere aber verlassen unter dem Vorwand, Munition zu beschaffen, oder indem sie Hunger, Durst und dergleichen vorschützen, ihre Posten, um sich zu erholen oder auch um über die ruhmreichen Taten des Tages zu plaudern. Und das pflegt besonders dann der Fall zu sein, wenn eine Stadt in der Nähe liegt. Ich will darum nicht unterlassen, meinen jungen Mitbürgern im Kampfe größere Standhaftigkeit und Ausdauer zu empfehlen. Garibaldi erzählt hier in einer Anmerkung: In Amerika hatten einst zwei feindliche Heere am Tage wacker gegeneinander gestritten. Als aber die Nacht hereinbrach, verließen sie beide das Schlachtfeld. Einer der beiden Heerführer erfuhr dies, kehrte auf das Schlachtfeld zurück und erklärte sich zum Sieger. – Bei Anbruch der Nacht also zogen sich unsere Soldaten, die sehr gut die Stellungen, die sie während des Tages so mutig verteidigt hatten, hätten behaupten können, unter dem einen oder anderen Vorwand in der Richtung der Stadt zurück und sammelten sich unterhalb Talant auf der Landstraße in so großer Zahl an, daß dort Verwirrung entstand und es nicht mehr möglich war, sich zu verständigen noch Befehle zu geben oder zu empfangen. Ich selbst, der ich während der ganzen Dauer der Schlacht in Talant verweilt hatte, fand mich, als ich hinunterkam, von einer dichtgedrängten Menge umgeben, so daß ich mein Pferd nicht mehr lenken konnte; ich wurde so heftig gedrängt, daß ich beinahe samt dem Pferde umgeworfen worden wäre.

Der Feind dagegen, der klüger und kriegserfahrener war, ging, nachdem er unsere vorgeschobenen Positionen ausgekundschaftet und leer gefunden hatte, vor und sandte uns eine fürchterliche Salve, während die geschilderte Verwirrung bei uns eingetreten war. Glücklicherweise befanden wir uns an einer tiefen Stelle, und zwischen uns und dem Feinde stieg der Boden zu einer ansehnlichen Erhöhung empor, so daß die Kugeln fast alle über unsere Köpfe flogen.

Die Aufgabe unserer vorgeschobenen Stellungen und das Vorgehen des Feindes hatten zur Folge, daß ich eine sehr böse Nacht verbrachte, die sich durch folgenden Umstand noch schlimmer anließ. Es war 11 Uhr abends. Ich hatte mich sehr ermüdet auf mein ärmliches Lager in der Präfektur von Dijon ausgestreckt, als eine Deputation, die aus General Pellissier, dem Maire der Stadt und einem Teile des Stadtrates bestand, sich bei mir einstellte, um mir die Mitteilung zu machen, daß der Feind innerhalb unserer Linien in Besitz von Talant und vielleicht auch von Fontaine sei und daß ein feindlicher Oberst im Auftrage des die preußischen Truppen kommandierenden Generals einem der dort anwesenden Mitglieder des Magistrats gemeldet hätte, daß Dijon beschossen werden würde, wenn es sich bei Anbruch des Tages nicht ergäbe. – Mit 64 Jahren, wenn man einiges von der Welt gesehen hat, wird man nicht so leicht hinters Licht geführt, und ich war mir sogleich darüber klar, daß das eine Spiegelfechterei des feindlichen Heerführers sei, der infolge der vielgepriesenen Siege der preußischen Heere der Prahlerei verfallen war. Gleichwohl war jene, von angesehenen Personen mir mitgeteilte Nachricht nicht zu verachten, insofern als jenes Magistratsmitglied, das sie überbrachte, am Abend auf das Schlachtfeld hinausgegangen war, um seinen Sohn zu suchen, der, wie er besorgte, verwundet war, und dort dem erwähnten preußischen Obersten begegnet war. – Mit meiner Nachtruhe war es deshalb zu Ende, und ich gab Befehl, sofort meinen Wagen anzuschirren, und traf alle Anordnungen, die sich treffen ließen, für Aussendung von Kundschaftern, um festzustellen, was an der Sache Wahres sei.

Die Wege waren gefroren und es schneite; für einen Invaliden wie mich war es ein schweres Stück Arbeit, die Vorpostenlinie zu besichtigen. Aber da war kein anderer Ausweg. Wie hätte man bei einer solchen Nachricht mit erschöpften Leuten und einem so unternehmenden und tapferen Feinde gegenüber ruhig zu Hause bleiben mögen? – Nachdem ich einen Kern der besten Truppen zu bilden befohlen hatte, wozu mehrere Stunden benötigt wurden, und Order gegeben hatte, alle sollten sich vor Tagesanbruch kampffertig einstellen, setzte ich mich in den ersten Stunden nach Mitternacht gegen Montchappé in Bewegung, der ersten unserer Stellungen gegen den Feind hin, wo 2 Zwölfpfünder unter dem Schutz eines Bataillons Mobilgarden standen. Ich fand an jenem Orte nichts Neues, alles war vielmehr in bester Ordnung. Sogleich eilte ich nach Fontaine weiter und endlich nach Talant, fand aber nirgends eine Spur vom Feinde. Die Drohung mit der Beschießung war also eine leere Prahlerei der Preußen gewesen: jedenfalls ist soviel wahr, daß wir nicht nur am 22. von ihnen nicht beschossen wurden, sondern am Abend noch das Glück hatten, nach einem zweiten Schlachttage sie aus den abends zuvor eingenommenen Stellungen zu vertreiben und in die Flucht zu schlagen.

Standhaftigkeit und Ausdauer im Kampfe, das ist einer der Schlüssel zum Siege. Aber die Leute sind müde und rufen: »Wir sind müde und hungrig!« Gut, so geht und sucht Euch Nahrung und ruht Euch aus: der Feind wird vorrücken, wird die gesammelten Vorräte verzehren und Eure Ruhe wird er Euch mit Kolbenstößen vertreiben. Hartnäckigkeit, Standhaftigkeit und vor allem Wachsamkeit, darin kann man nie zuviel tun. Wie viele Generale gibt es unter den gegenwärtigen, die, weil sie Generale, Generalissimi oder etwas noch Höheres sind, glauben, es nicht mehr nötig zu haben, den Schlachten aus der Nähe beizuwohnen, und sich damit begnügen, von weither die Informationen sich kommen zu lassen, um daraufhin den ihnen unterstehenden Führern ihre Befehle zu erteilen. Durchaus falsch! Der Höchstkommandierende muß, allerdings ohne sich unnützerweise zu exponieren, doch so nahe wie nur immer möglich bei dem Mittelpunkt und Schlüssel des Schlachtfeldes sich aufhalten: möglichst auf einem hochgelegenen Punkte, um ein weites Terrain zu überblicken, und, was von höchstem Werte ist, schnell Befehle erteilen und schnell sich Informationen beschaffen zu können. Der Überblick des Leiters aber ist mehr wert als alle Meldungen.

Der 22. Januar 1871 zeigte, daß, wenn wir von der Schlacht vom 21. ermattet waren, die Preußen noch müder und noch mehr erschüttert waren als wir; hatten sie sich am ersten Tage tapfer und unerschrocken gezeigt, so waren sie dies auch am zweiten, aber sie zeigten sich weniger ausdauernd, und das ließ mich hoffen, daß wir am 23. Zeit haben würden, uns von den Anstrengungen der beiden voraufgehenden Tage zu erholen. – Am 22. verloren wir unter anderen einen Offizier von großem Verdienst, den Kommandeur Lhost von den vereinigten Franktireurs, einer Abteilung von mehr als 800 Mann, der viel dazu beitrug, den Feind zurückzuwerfen, indem er ihn am 21. in der rechten Flanke nachdrücklich angriff, und der dann auch an dem Siege vom 22. einen wesentlichen Anteil hatte. Er wurde im Kommando des wackeren Korps durch den Oberstleutnant Baghino ersetzt, einen Offizier, der zu den besten Hoffnungen berechtigte.

Die Phalanx der Preußen – um mich eines Ausdrucks eines meiner trefflichsten Offiziere zu bedienen – war so stark, daß wir auch am 23. in Gefahr kamen, von ihr begraben zu werden. Sie demonstrierten etwa um die Mitte des Tages gegen Fontaine und sandten mehrere Bataillone zu einem Scheinangriff dorthin: aber gleich darauf zeigten sie sich im Norden auf der Landstraße von Langres in dichten Kolonnen, und andere Kolonnen erschienen seitwärts, nämlich ostwärts in der Richtung auf Montmuzard bei Saint-Apollinaire. – Der Angriff von der Straße von Langres her war furchtbar und des schrecklichen Heeres würdig, das uns gegenüberstand; fast alle unsere Abteilungen kamen ins Wanken, ausgenommen die 4. Brigade, die sich links von der Straße in einer gewissen Fabrik hielt; letztere hatte glücklicherweise eine geschlossene Halle, in der Schießscharten angebracht wurden. Auch ein paar hundert Leute von der 3. Brigade, die in der Schlacht am 21. starke Verluste erlitten hatte und in der Neubildung begriffen war, hielten dem Anprall im benachbarten, etwas weiter zurückgelegenen Fabrikgebäude Stand und vereinigten sich hernach mit der 4. Brigade. Doch wurden diese Abteilungen infolge des Rückzugs des rechten Flügels eine Zeitlang vom Feinde in der Flanke bedroht; da der Feind seine Artillerie auf dem vordersten Hügel aufgestellt hatte, der Pouilly und Dijon nordwärts überragt, und mit der Meisterschaft schoß, die wir bei den Preußen schon gewohnt waren, so machte er binnen kurzem unsere sämtlichen Geschütze im Zentrum, die auf der Landstraße und seitwärts davon aufgestellt waren, kampfunfähig, doch erwiderten auf unserer Seite das Feuer noch mit einigen Schüssen die beiden Kanonen von Montmuzard, 2 von Montchappé und 2 andere, die wir rechts auf einer Querstraße der Chaussee auffahren ließen, als wir die Unmöglichkeit erkannten, sie in der vorderen, dem vernichtenden Feuer der feindlichen Artillerie ausgesetzten Stellung zu halten.

Gegen Sonnenuntergang war unsere Lage kritisch, und die Preußen, die sich als Herren des Schlachtfeldes betrachten durften, drohten die Stadt anzugreifen. Ich ließ mir angelegen sein, unseren zurückgegangenen Abteilungen weiter hinten beim Umfassungsgürtel, wo gute Kasematten, zum Teil mit Schießscharten vorhanden waren, neue Stellungen anzuweisen. Einige Feiglinge, die ihren Posten verlassen hatten oder die Geld besaßen, das sie in Sicherheit zu bringen trachteten, hatten bereits die Aufregung in die Stadt getragen und überall Schrecken erregt, indem sie am Bahnhof eiligst Züge verlangten, um in Sicherheit gebracht zu werden. – Unser äußerster linker Flügel, der größtenteils aus der 3. Brigade bestand und bei Talant und Fontaine aufgestellt war, hatte beim Anblick des Rückzuges des Zentrums seine Franktireurs in die rechte Flanke des Feindes geworfen und ging entschlossen vor, um sie zu unterstützen. Beim Anbruch der Dunkelheit nahmen ferner einige Abteilungen Mobilgarden auf unserer Rechten, indem sie nachhaltig gegen Pouilly, den Schlüssel des Schlachtfeldes, vordrangen, dem Feinde das gewonnene Terrain wieder ab und nötigten ihn, bis jenseit des Schlosses Pouilly, das, einen Kanonenschuß von Dijon entfernt, zu Beginn der Schlacht von den Unsrigen aufgegeben worden war, zurückzugehen. Auf diese Weise wurde die 4. Brigade, der die Ehre der Schlacht in erster Linie gebührt, des feindlichen Feuers entledigt, das sie eine Zeitlang arg mitgenommen hatte: ja, indem sie die immer erneuten Angriffe des 61. preußischen Regiments zurückwies und Brust an Brust kämpfte, gelang es ihr, dessen Fahne zu erbeuten, die sich unter einem Leichenhaufen vorfand. Bekanntlich die einzige deutsche Regimentsfahne, die während des ganzen Feldzugs den Feinden in die Hände fiel. Ich habe verschiedene recht mörderische Schlachten mitgemacht, aber sicherlich nur selten so viele Leichen auf kleinem Raum aufgeschichtet gesehen wie damals in jener Stellung nördlich von der erwähnten Fabrik, wo die 4. Brigade mit einem Teil der 5. Stellung genommen hatte.

Indem ich aber von der 4. und 5. Brigade erzähle, die gegen ein preußisches Regiment stritten, möge niemand glauben, es habe sich um vollständige Brigaden gehandelt; vielmehr war es nur der Kern von in der Bildung begriffenen Brigaden, indem die 4. etwa 1000 Mann und die 5. weniger als 3000 zählte. – In den ersten Stunden der Nacht war der Feind in vollständigem Rückzug begriffen und ließ uns nunmehr verschiedene Tage hindurch in Dijon in Ruhe, indem er auch die umliegenden Dörfer räumte, die dann von uns besetzt wurden. – Der größte Teil unserer Franktireurs, die an den 3 Schlachttagen ehrenvollen Anteil genommen hatten, wurde abermals nach allen Richtungen auf die Verbindungslinien des Feindes geworfen, von Soubernon bis Dôle usw. Und die 2. Brigade, die sich vor mehreren Tagen vom Hauptheere getrennt hatte, kämpfte erfolgreich im Norden, in der Umgegend von Langres.

Ich kann aber die Erzählung von der glorreichen Schlacht von Dijon nicht schließen, ohne meines lieben Freundes und heldenmütigen Waffenbruders, des Generals Bossack zu gedenken. Dieser polnische Held teilte mir am Morgen des 21. Januar mit, daß, da das Gerücht von der Annäherung der Preußen von der Seite des Suzontales ging, er selbst die Absicht habe, sie dort aufzusuchen. An der Spitze einiger weniger Leute machte er sich in der Richtung auf den Feind auf, um zu rekognoszieren und seine Stärke festzustellen. Aber von seinem unbezähmbaren Mute hingerissen, ließ er sich kaltblütig mit der feindlichen Vorhut in ein Gefecht ein, und da er durchaus selbst feststellen wollte, wen er vor sich hätte, um dann einen zuverlässigen Bericht darüber erstatten zu können, so kam er dergestalt ins Gedränge, daß er, die Flucht verschmähend, seiner Unerschrockenheit als Opfer fiel. Ich blieb längere Tage ohne jede Nachricht von ihm und besorgte, er möchte verwundet in irgendeinem Bauernhause liegen; mein Generalstab freilich war in Kenntnis dieses unersetzlichen Verlustes, verschwieg ihn mir aber aus zarter Rücksichtnahme. Ich hoffe, ja ich weiß sicher, daß, wenn Frankreich einst eine bessere Regierung haben wird, es die Waisen des hochgemuten Bossack, der für dieses Land gestorben ist, an Kindesstatt annehmen wird.


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