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6. Kapitel.
Auf Sardinien. Überfahrt. Das Festland

Im Hause der Frau Collins, wo mir die liebenswürdigste Gastfreundschaft zuteil wurde, blieb ich bis 7 Uhr abends am 15. Oktober 1867. Zu dieser Stunde stellte sich dort mein Freund Pietro Suzini mit einem Pferde ein. Ich bestieg dieses, kreuzte unter seiner kundigen Führung die Insel Maddalena und kam nach Calla Francese im Westen, wo mich Basso und Kapitän Cuneo mit einem Boot und einem Matrosen erwarteten.

Ich bestieg das Boot, und wir durchfuhren zu 6 den Meeresarm, der Maddalena von Sardinien trennt. Nachdem wir dann die Boote nach Maddalena zurückgesandt hatten, verbrachten wir den Rest der Nacht in einer Grotte nahe der Farm des Domenico N. Gegen 6 Uhr nachmittags am 16. machten wir uns, nachdem wir 3 Pferde beschafft hatten, wieder auf, anfangs zur Hälfte zu Fuß, dann alle beritten, passierten die Berge von Gallura, den Golf und Ort Terranova und befanden uns am 17. bei Tagesanbruch auf den Höhen oberhalb des Hafenortes San Paolo. – Da wir im Hafen das Schiff, das Canzio und Vigiani uns dort bereitstellen sollten, nicht vorfanden, so verbrachten wir den Morgen in der Farm eines gewissen Nicola, und Kapitän Cuneo machte sich, ungeachtet der Müdigkeit von einem 15stündigen Ritt, gegen Süden nach Porto Prandinga Porto di Brandinchi am nördlichen Teil der Ostküste, südlich vom Golf von Terranova. auf, wo uns unsere Freunde erwarteten, die nach vielerlei Weitläufigkeiten auf der Barke »San Francesco« dorthin gelangt waren.

Ehe ich Sardinien verlasse, schulde ich ein Wort des Lobes und des Dankes den guten Freunden, die mir meine Befreiung ermöglichten. Die Kapitäne Giuseppe Cuneo und Pietro Suzini bemühten sich in einer wahrhaft rühmenswerten Weise für mich. Wacker, mutvoll und sehr erfahren, dienten sie uns als Führer sowie mit ihrem Rat, teilten mit uns die Entbehrungen, Mühen und Gefahren und verließen uns nicht eher, als bis sie uns auf die »San Francesco« begleitet hatten. Domenico N., der Besitzer jener ersten Farm, nahm von dem Bett, auf dem seine kranke Frau lag, die einzige Matratze und brachte sie in die Grotte, um mir aus ihr und einigen Kissen ein Lager zu bereiten; so groß ist die sardinische Gastfreundschaft. Er war ferner äußerst tätig, um uns die nötigen Pferde zu verschaffen, ohne die unser Marsch durch die Berge von Gallura so gut wie unmöglich gewesen wäre. Nicola von der Farm von Porto San Paolo nahm, sobald er mich trotz meiner Verkleidung und meines gefärbten Haares und Bartes erkannt hatte, mich mit jenem Freimut und Wohlwollen auf, der den ungebildeten, aber hochherzigen und stolzen sardischen Hirten auszeichnet. Ich liebe das sardische Volk trotz der Fehler, die man ihm nachsagt, und bin überzeugt, daß eine gute Regierung, die sich mit der Wohlfahrt und dem Gedeihen dieser braven, wenngleich sehr armen Bevölkerung ernstlich befassen wollte, aus ihr, die intelligent und mutig ist, eine der besten machen könnte.

Ausgedehnt und überaus fruchtbar, wie das Land ist, könnte Sardinien ein wahres Paradies werden, während es heute eine Wüste ist, wo das Elend, der Schmutz, das Fieber sich auf den ausdrucksvollen Zügen der Bewohner abzeichnen. Die Regierung, die zum Unglück Aller die Halbinsel lenkt, weiß kaum, daß ein Sardinien existiert, beflissen wie sie ist, eine schimpfliche Reaktion vorzubereiten und die Schätze Italiens dazu zu verwenden, um Spione, Polizisten, Priester und ähnliche Niederträchtige zu kaufen, während sie das Heer demoralisiert und zugrunde richtet, um den selbstherrlichen Willen des Bonaparte zu vollstrecken, von dessen Herrschaftsgebiet Italien nur eine elende Provinz ist.

Am 17. Oktober 1867 etwa um 2 Uhr nachmittags konnte ich an Bord der Barke »San Francesco« Canzio und Vigiani freudig in die Arme schließen. Sie hatten eine sehr schwierige Aufgabe erfüllt und Entbehrungen und Gefahren nicht geachtet, um mich zu befreien. Um 3 Uhr nachmittags lichteten wir die Anker bei mäßig starkem Südwest. Am 18. gegen Mittag kamen wir in Sicht von Monte Cristo und fuhren in der folgenden Nacht in den Kanal von Piombino Zwischen Elba und dem Festlande. ein. Der 19. brach stürmisch an mit starkem Südwestwind und Regen. Dies begünstigte aber unsere Landung in Vada, zwischen dem Kanal von Piombino und Livorno. Den Rest des 19. verbrachten wir in Vada und erwarteten die Nacht, um das Land zu betreten. Gegen 7 Uhr abends gingen wir auf der sumpfigen Küste südlich von Vada zu fünfen ans Land: Canzio, Vigiani, Basso, Maurizio und ich.

Wir irrten eine Weile umher, um die Hauptstraße zu finden, da dieser Küstenstrich sehr sumpfig ist; aber, bei den schwierigsten Übergängen von meinen Kameraden unterstützt, erreichte ich mit ihnen das Dorf Vada, wo Canzio und Vigiani glücklicherweise sofort 2 Wägelchen fanden – und fort ging es nach Livorno. Dort suchten wir das Haus Sgarallino auf, in dem wir nur die Damen fanden, die uns mit großer Liebenswürdigkeit aufnahmen. Dort erschien dann Lemmi, der uns schon seit einigen Tagen erwartete, mit einem Wagen, um uns nach Florenz zu bringen. Wir stiegen ein und erreichten die Hauptstadt gegen Morgen, wo wir bei der Familie Lemmi die beste Gastfreundschaft fanden. – In Florenz wurde ich am 20. von den Freunden wie auch von der Bevölkerung, der man meine Ankunft nicht hatte verbergen können, mit Freudenbezeigungen aufgenommen. Obwohl es sich darum handelte, Rom als Hauptstadt für Italien zu gewinnen und die erste Stelle dem lieblichen Florenz zu nehmen, so jubelte die hochherzige Bevölkerung von Florenz mir dennoch zu: eine großartige und wahrhafte Kundgebung von Vaterlandsliebe, die Italien dieser Stadt, wie auch Turin unter gleichen Umständen, in Rechnung stellen sollte!

Da ich mich sehnte, zu meinen Waffenbrüdern und meinen Söhnen, die sich im Lager vor dem Feinde befanden, zu stoßen, so war mein Aufenthalt in der Hauptstadt nur kurz. Ich brachte dort den Rest des 20. und den ganzen 21. Oktober zu. Am 22. reiste ich in einem Extrazuge nach der Grenze des Kirchenstaats ab bis Terni und von dort im Wagen nach dem Lager Menotti's, das ich am 22. bei dem Paß von Corese Corese am linken Ufer, an der Stelle, wo die von Terni nach Rom führende Landstraße an den Fluß herantritt. erreichte. Da die Lage von Corese zur Verteidigung durch eine Truppe, die sich im übelsten Zustand befand, wie unsere armen Freiwilligen, wenig geeignet war, so marschierten wir nach Monte Maggiore und wandten uns von hier aus in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober, in verschiedene Kolonnen geteilt, gegen Monterotondo Zwischen Corese und Rom, etwas östlich von der Landstraße im Gebirge., wo sich, wie wir wußten, etwa 400 Feinde mit 2 Geschützen befanden. Die Kolonne, die die Majore Caldesi und Valsania befehligten, sollte sich um 8 Uhr abends in Bewegung setzen, gegen Mitternacht vor Monterotondo ankommen und sich anschicken, durch einen Angriff von Westen her, wo wir mit Recht die schwächste Stelle vermuteten, in die Stadt einzudringen; dort nämlich war die Umfassungsmauer zerstört und an ihrer Stelle standen Häuser, die Ausgänge nach draußen hin hatten, so daß man von dort leicht hineingelangen konnte. Allein diese, unsere rechte Kolonne, die größtenteils aus mutigen Romagnolen bestand, kam infolge der Mißstände, die einer nicht organisierten, an allem Mangel leidenden Truppe stets anhaften, ermattet und ohne ortskundige Führer erst nach Tagesanbruch unter den Mauern von Monterotondo an, so daß aus dem nächtlichen Angriff nichts wurde.

Man kann sich den Grad von Verdummung und Ängstlichkeit, bis zu dem der Priester diese Nachkommen der alten Legionäre des Marius und Scipio gebracht hat, kaum vorstellen. Ich hatte das freilich schon bei meinem Rückzug aus Rom im Jahre 1849 erprobt, wo ich gegen Hände voll Geld keinen Führer finden konnte: und noch 1867 ereignete sich das gleiche. Wenn man denkt, daß es in einer italienischen Stadt wie Monterotondo mit Haustüren, die aus der westlichen Umfassungsmauer herausführten, nicht möglich war, auch nur einen einzigen Menschen zu finden, der uns über die Dinge im Innern der Stadt Auskunft gegeben hätte, während wir doch – bei Gott! – Italiener waren, die für die Befreiung des Vaterlandes kämpften, während drinnen der niedrigste Abschaum fremder Söldner war, die im Dienste des Betrugs standen! »Freie Kirche im freien Staat« hat ein großer Staatsmann (aber zugleich ein großer Fuchs!) gesagt. Nämlich Cavour. Ja, schön, laßt nur diese schwarze Bande frei, und ihr werdet die Ergebnisse bekommen, die Frankreich und Spanien sahen, die heute mittels der Priesterherrschaft auf die unterste Stufe unter den Nationen gesunken sind.

Die linke Kolonne, die Frigezy befehligte, kam von Osten her vor Monterotondo an, besetzte gegen 10 Uhr vormittags das Kapuzinerkloster und dessen Umgebungen und sandte nach links einige Kompagnien aus, um den Abteilungen rechts die Hand zu reichen, was jedoch während des ganzen Tages sich als unmöglich erwies, da dort das Feuer des Feindes fürchterlich war. Die Abteilung der Mitte unter Menotti, bei der ich mich befand, war von Monte Maggiore aus geradenwegs auf unser Ziel losgerückt, aber auf der Route von Moletta durch schwierige Pässe aufgehalten worden; nichtsdestoweniger kam sie bei Tagesanbruch als erste unterhalb der Stellungen an, die Monterotondo nordwärts umgeben. Ich befahl dieser Kolonne, die, wie gesagt, von Menotti befehligt wurde und größtenteils aus den hochgemuten genuesischen Schützen von Mosto und Burlando bestand, die schon erwähnten starken Positionen im Norden einzunehmen, aber die Stadt nicht anzugreifen, da ich hoffte, den Angriff gleichzeitig mit den übrigen Kolonnen, die in kurzem Zeitabstand ankommen sollten, ins Werk setzen zu können. Allein die Begeisterung der Freiwilligen ließ sich nicht dämpfen, und statt sich darauf zu beschränken, die erwähnten Stellungen einzunehmen, stürzten sie sich zum Angriff gegen das Tor von San Rocco vor und trotzten dem wütendsten Feuer, das aus allen Fenstern jenes Teils des Ortes auf sie eröffnet wurde. – Ich hatte mich von der mittleren Kolonne etwas nach links hin entfernt, um die Abteilung Frigezy zu entdecken, die von dieser Seite her kommen sollte, und nahm nun mit peinlicher Überraschung wahr, daß die genuesischen Schützen im Übermaß ihres Mutes sich in den Kampf eingelassen hatten. Dieser vorzeitige Angriff kostete uns eine Anzahl Toter und Verwundeter; doch brachte er uns auf der anderen Seite den Erfolg, daß sich ein paar Hundert Freiwillige in den Häusern neben dem Tore von San Rocco festsetzten, die hernach, von frischen Kompagnien anderer Abteilungen gehalten und unterstützt, das erwähnte Tor in Brand zu stecken vermochten, was uns später ermöglichte, die Stadt zu betreten und einzunehmen. Der ganze 24. Oktober wurde also damit zugebracht, mit unserer Streitmacht die Stadt Monterotondo zu umzingeln, während die aus päpstlichen Zuaven bestehende Besatzung, die größtenteils mit vortrefflichen Karabinern versehen war, uns aus diesen sowie aus 2 Kanonen beschoß, ohne daß wir das Feuer gebührend erwidern konnten, da wir wie gewöhnlich nur Kettenschloßgewehre besaßen und der Feind derartig gedeckt war, daß wir keines einzigen Mannes ansichtig wurden.

Monterotondo wird von dem Palast der Fürsten von Piombino überragt, und ein Jüngling aus dieser Familie diente in unseren Reihen. Der Palast (oder besser gesagt das Kastell) ist sehr geräumig und sehr fest. Der Feind hatte eine Festung daraus gemacht mit Schießscharten ringsum und einer Brustwehr auf der östlichen Plattform, wo er seine beiden Kanonen, eine zwölf- und eine neunpfündige, aufgestellt hatte. Unter den Gefallenen bei dem Tore von San Rocco zählten wir den hochgemuten Major Mosto, der schwer, und den Hauptmann Uziel, der tödlich verwundet war. Mein teurer, braver Vigiani aber, der so viel zu meinem Entkommen aus Caprera beigetragen hatte und dem ich so viele Freundlichkeiten verdankte, war tot und mit ihm viele Tapfere. Es folgt ein Namensverzeichnis der Toten und Verwundeten.


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