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4. Kapitel.
Wieder in der Lombardei

Ich erließ sofort die Erklärung, daß ich die Annahme des nichtswürdigen Vertrags verweigere, und hatte keinen anderen Gedanken, als den lombardischen Boden wieder aufzusuchen, um dessen Unterdrücker mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Von Lugano kam, auf die Nachricht von dem Waffenstillstande, als Bote Mazzini's Daverio zu uns mit dem Versprechen, uns mit Mannschaft und Kriegsbedarf zu unterstützen, um den Kampf wieder aufnehmen zu können – und das war Käse auf Makkaroni!

Auf dem Lago Maggiore befanden sich 2 Dampfschiffe, die dem Güter- und Personenverkehr zwischen Italien und der Schweiz dienten, und unser erster Gedanke war natürlich, uns zur Erleichterung des Übergangs in ihren Besitz zu setzen. Sie legten in bestimmten Zeitabständen in Arona Am westlichen Ufer, nahe dem Südende des Sees., dem uns zunächstgelegenen Punkte an. Mittels eines einzigen nächtlichen Marsches erreichten wir Arona und legten sogleich die Hand auf eins der Dampfschiffe; das andere kam im Laufe des Tages an und erfuhr das gleiche Schicksal. Eine Anzahl Barken nahm unsere Pferde, den Kriegsbedarf und einen Teil der Infanterie auf, während die beiden Kanonen und der Rest der Mannschaft auf den beiden Dampfern eingeschifft wurden. Lebensmittel und Geld gab auf Erfordern der Magistrat von Arona. So nahmen wir die Richtung auf Luino, indem die Dampfer die beladenen Barken sämtlich schleppten.

Ein herzbewegendes Schauspiel bot unsere Fahrt an der Westküste des herrlichen Sees entlang. An jenem malerischen Seeufer, einer der schönsten Küsten der Welt, hatte eine große Anzahl lombardischer Familien, die aus der Heimat vertrieben worden waren, sich niedergelassen. Von unserem Vorhaben benachrichtigt, grüßten sie uns allerorten mit brausendem Jubel, mit Fahnen- und Tücherschwenken. Und von den Balkonen der Häuser neigten sich unsere schönen Landsmänninnen mit strahlenden Augen uns zu, voll Begeisterung, als wollten sie den Helden entgegenfliegen, die die Hoffnung nicht fahren ließen, ihren heimischen Herd von den Bedrängern zu befreien. Wir erwiderten die Lebehochs unserer begeisterten Landsleute, stolz auf ihren Beifall und unseren Entschluß.

Wir kreuzten den See und erreichten Luino, Am östlichen Ufer, etwa in der Mitte der Längsausdehnung des Sees. wo wir in der Stärke von etwa 800 Mann und einer kleinen Anzahl Reiter landeten. An Bord der Dampfer, die dem Oberbefehl von Tommaso Risso unterstellt wurden, blieben die beiden Kanonen zurück. Als wir nun am folgenden Tage aus der »Beccaccia", unserer Herberge in Luino, aufbrechen wollten, um in die Landschaft von Varese Südöstlich von Luino, wenig westlich von Como. einzudringen, kam die Nachricht, daß auf der Hauptstraße von Süden her eine österreichische Heeresabteilung gegen uns heranrücke. Schon hatte unsere Kolonne einen die Hauptstraße abkürzenden Bergpfad nach Varese eingeschlagen. Ich ließ die letzten sofort umkehren und befahl einer Kompagnie der Nachhut, die Position der Beccaccia und das umliegende Terrain sofort wieder zu besetzen, um den Feind zu hindern, sich ihrer zu bemächtigen. Doch war es zu spät, die Österreicher hatten bereits in ansehnlicher Stärke jenen Punkt erreicht, besetzten ihn und wiesen die Unsrigen ohne Schwierigkeit zurück. Unsere kleine Heeresmacht war in 3 Teile geteilt und in einen Engpaß zwischen hohen Felsen eingekeilt, wo sie sich nicht entfalten konnte; wenn sie aber nach der Beccaccia umkehrte, wo das Terrain sich erweiterte, so konnte das zweite und dritte Treffen sich zur Kolonne formieren. Mir schien jene Herberge der Schlüssel der ganzen Stellung und darum der ausschlaggebende Punkt des Schlachtfeldes, und es galt darum sich ihrer zu bemächtigen, wenn man nicht, wie nach einer Niederlage, das Feld räumen wollte.

Die Beccaccia war ein festes Gebäude; sie bestand aus mehreren Häusern und war von einer Anzahl Hecken und hölzernen Zäunen umgeben: alles aber befand sich in der Gewalt des Feindes und mußte von uns genommen werden. Man mußte es daher auf das nachdrücklichste angreifen. Aber als nun das dritte Treffen in Staffeln angriff, wurde es trotz aller Anstrengungen des Majors Marrocchetti, der das Treffen befehligte, und seiner Offiziere zurückgeschlagen. Jetzt erhielt das zweite Treffen, Bersaglieri Die Bersaglieri (Schützen) bilden noch heute eine Sondertruppe in der Infanterie der italienischen Armee. von Pavia, die Major Angelo Pegurini befehligte, Befehl vorzugehen. Gleichzeitig aber erkletterte Kapitän Coccelli mit seiner Kompagnie eine Mauer zu unserer Linken und erschien in der rechten Flanke des Feindes. Die Paveser gingen mit der Unerschrockenheit von Veteranen vor, während es doch die erste Aktion war, die sie mitmachten, und griffen, obschon mehrere von ihnen fielen, die Österreicher mit dem Bajonett an, die, durch solche hartnäckige Tapferkeit erschreckt und von Coccelli in der Flanke bedroht, in eiliger Flucht auseinanderstoben. Hätte ich nun 50 Reiter gehabt, um ihnen nachzusetzen, so wären nur wenige, vielleicht kein einziger dieser Feinde Italiens entkommen. Allein die wenigen Reiter, über die ich verfügte, unter Bueno und Giacomo Minuto, Offizieren von großer Tapferkeit, dienten als Kundschafter oder Vorposten. Mehrere Österreicher fielen in dem Treffen und 37 nebst einem Arzte wurden zu Gefangenen gemacht. Hier bemerkt Garibaldi: Ich schulde hier ein Wort des Lobes der trefflichen Frau Laura Mantegazza. Noch war das Schießen nicht zu Ende, als die hochherzige Frau in einem Boot über den See herangefahren kam und unterschiedslos alle Verwundeten aufheben ließ, um sie zur Pflege in ihr Haus zu schaffen. Sie sei dafür von allen gepriesen!

Dieser Erfolg machte uns zu Herren der Landschaft von Varese, die wir nun ohne jedes Hemmnis durchstreifen konnten. Die Bevölkerung erholte sich von ihrer Niedergeschlagenheit, und wir zogen unter den begeisterten Zurufen jener wackeren Leute in Varese ein.

Unter diesen Eindrücken belebte sich in mir die Hoffnung wieder, die ich lange Jahre gehegt, nämlich unsere Mitbürger zu jenem Kleinkrieg zu bringen, der da, wo es an organisierten Heeresmassen fehlte, den ersten Anstoß zur Befreiung des Vaterlandes geben möchte, indem er zu allgemeiner Bewaffnung der Nation führe, wofern nämlich letztere wirklich fest und unabwendbar zum Befreiungskampf entschlossen war. So detachierte ich die aus erlesener junger Mannschaft gebildete Kompagnie des Hauptmanns Medici und mehrere andere mit dem Auftrag, in dem angegebenen Sinne selbständig zu operieren. – Aber in Luino sollten unsere Erfolge für diesen Feldzug zum Stillstand kommen. Die Kapitulation von Mailand, der Rückzug des piemontesischen Heeres und die Räumung des Gebiets der Lombardei seitens der verschiedenen Freiwilligenkorps Durando's, Griffini's und der übrigen hatten die Bevölkerung entmutigt. Gleichwohl war bei unserem Erscheinen und nach dem siegreichen Treffen von Luino die Begeisterung nochmals aufgeflackert; allein da man sah, wie klein unsere Schar war, nahm die Entmutigung wieder überhand, namentlich auch infolge der Desertionen bei den Unseren, die doch unter dem Einfluß derer erfolgten, die von Lugano aus uns Hilfe und Mannschaft versprochen hatten. Nämlich Mazzini und die Seinigen.

Nachdem daher Medici sein mögliches getan und sich gegen einen überlegenen Feind wacker geschlagen hatte, war er genötigt worden, in die Schweiz überzutreten. Von den übrigen detachierten Kompagnien lohnt es nicht zu reden. Mittlerweile zeigten sich auf allen Seiten immer stärkere Abteilungen der Österreicher, die sich nicht schämten, gegen die Handvoll unserer italienischen Freiwilligen imposante Heeresmassen ins Feld zu stellen. So verweilten wir denn eine kurze Zeit in Varese und sodann mehrere Tage dort in der Nähe, ohne etwas ausrichten zu können, da wir den Feinden, die uns allerorten überlegen waren und sich immer noch verstärkten, entgegenzutreten nicht wagen durften.

Unweit Sesto Galende Am Südende des Lago Maggiore. stieß ein neapolitanischer Hauptmann von dem Korps Durando's mit einigen Leuten und 2 Geschützen großen Kalibers zu uns. Unter anderen Umständen würden insbesondere die letzteren uns hochwillkommen gewesen sein, aber so waren sie uns nur lästig, da wir uns mit derartig überlegenen Feinden doch nicht in offener Schlacht messen konnten. Ich ließ also den Kapitän samt den Geschützen wieder nach dem Ticino zurückkehren, behielt jedoch seine Soldaten, wenige, aber brave Leute, bei mir. Fast jede Nacht waren wir gezwungen, unsere Stellung zu verändern, um die Feinde zu täuschen, die, zum Unglück Italiens, stets, besonders aber damals, eine große Menge von Verrätern fanden, um ihnen als Spione zu dienen, während wir auch gegen Hände voll Geld nur selten genaue Auskünfte über den Feind erhielten. Damals sammelte ich meine ersten Erfahrungen über die geringe Anhänglichkeit der Landbevölkerung an die nationale Sache, was vielleicht Folge des beherrschenden Einflusses der Priester war oder seine Ursache darin hatte, daß die Interessen der Bauern insgemein denen ihrer Herren entgegengesetzt waren; so hatten letztere infolge der feindlichen Invasion größtenteils die Heimat aufgeben müssen, wo dann die zurückgebliebenen Bauern sich auf ihre Kosten bereicherten. Wir machten daher nur dann Aufenthalte, wenn die Leute sich ausruhen oder Lebensmittel einnehmen mußten. Damit brachten wir einige Zeit hin, indem wir täglich in fester Stellung den Feind erwarteten, ihn selbst jedoch nicht anzugreifen wagten. Wenn er dann aber uns durch seine Übermacht zu umzingeln versuchte, so marschierten wir nächtlicherweile bis zu einer anderen festen Stellung, wo dann gemeinhin die Dinge ebenso verliefen.

Auf diesen Zügen, die eine nicht geringe Kenntnis des Landes voraussetzten, war mir unser Daverio, wie ein zweiter Anzani, von unschätzbarem Nutzen. Er war nämlich in jenen Gegenden zu Hause, erfreute sich dort der Liebe und Verehrung aller Schichten und verstand es, unerschütterlich und unverzagt, jede noch so schwierige Sache uns zu erleichtern. Auch physisch glich er meinem unvergeßlichen Waffengefährten von Montevideo, erfreute sich aber – im Unterschiede von diesem – einer eisernen Gesundheit.

Die große Truppenentfaltung der Österreicher erschreckte die Bevölkerung. Kein einziger Bewohner jener Orte, weder reich noch arm, hoch noch niedrig, schloß sich uns an, und nur schwer fanden wir Führer. Ich hoffte dann noch auf die Schweiz, daß uns von dort her junge Leute aus den dorthin ausgewanderten italienischen Familien zuströmen und in unsere Reihen treten, auch daß diejenigen, die dazu imstande waren, uns Lebensmittel zuführen würden; allein nicht nur setzte sich von dorther niemand in Bewegung, um unsere kleine Schar zu vergrößern, sondern es drangen zu uns Gerüchte von weitaussehenden, in Mazzini's Hauptquartier vorbereiteten Unternehmungen; diese Gerüchte führten zu Desertionen bei den Unseren und entmutigten infolgedessen auch die wenigen, die noch ausharrten.

Bei Ternate Östlich vom südlichen Teile des Sees am kleinen See von Comabbio. wurden wir einst derart von den feindlichen Abteilungen umgeben und in die Mitte genommen, daß es uns nur mit genauer Mühe gelang, ihnen zu entgehen. Auf ebenem Terrain wäre das Entkommen ganz unmöglich gewesen, aber die gebirgige Beschaffenheit des Geländes erwies sich uns günstig und errettete uns vor sicherem Untergang. Hier bewährte sich wiederum Daverio samt einigen Führern, die er aufgetrieben hatte. Wir wandten uns nämlich, und zwar mit großem Nachdruck, gegen diejenige feindliche Abteilung, die uns am nächsten zu sein schien. Nur ein tiefes Tal trennte uns noch vom Feind: als unsere Vorhut im Grunde angekommen war und der Feind erwartete, angegriffen zu werden, schwenkten wir links ab und – ich muß es zugeben – marschierten in fluchtähnlicher Hast gegen Morazzone, während der Feind nur wenige Miglien hinter uns war. Unterwegs wurde, ohne den Marsch zu unterbrechen, alles Brot requiriert, was in den benachbarten Dörfern zu finden war, und in Tragkörben auf dem Rücken von Trägern den Mannschaften nachgeführt. Um 5 Uhr nachmittags erreichten wir Morazzone; hier wurden die Leute in der Hauptstraße aufgestellt, und zwar wegen deren Enge längs den Häusern, und hier wurden die Lebensmittel und der fällige Sold ausgeteilt, wobei niemand aus der Reihe treten, noch sein Gewehr wegsetzen durfte. Die Verteilung war beendet und die Marschdisposition gegeben. Ich hatte auf der Bank, wo die Verteilung stattgefunden, ein Stück Brot und einen Becher Wein zu mir genommen, als einige meiner Offiziere, die sich ein wenig Bouillon bereitet hatten, zu mir kamen und mich baten, ihr Mahl zu teilen. So trat ich mit ihnen in das Erdgeschoß eines Hauses nahe dem Vareser Tor, als plötzlich von außen, und zwar von der Richtung des Tores her, sich lautes Rufen vernehmen ließ. Es waren die Österreicher, die in den Ort eindrangen, untermischt mit unserer Torwache, die, sei es aus Hunger, sei es aus Müdigkeit, sich hatte überraschen lassen. Ich weiß noch heute nicht, wer uns verraten oder sonst diesen Überfall verschuldet hat; war aber kein Verrat im Spiel, so waren die schuld, die uns hätten bewachen sollen. Wie es sich aber damit auch verhalten haben mag, die Feinde waren in der Stadt und keine 50 Schritt mehr von dem Hause entfernt, in dem ich mich mit jenen wenigen Offizieren befand, die mich eingeladen hatten. Dabei brach die Dunkelheit herein, und ich überlasse es einem jeden, sich auszumalen, wie groß die Verwirrung bei den Unsrigen war – junger Mannschaft, die erst wenige Tage unter den Fahnen stand und deren kriegerischer Geist noch wenig geweckt war. Für mich selbst freilich war es das Werk eines Augenblicks, den Säbel zu ziehen, und – ohne weitere Überlegung – mich, begleitet von jenen wenigen, aber unerschrockenen Offizieren, den Feinden entgegenzuwerfen, um sie zurückzutreiben. Unter jenen befanden sich Daverio, Fabrizi, Bueno, Cogliolo, endlich mein Adjutant, Giusti, ein junger Mailänder, der in diesem Treffen die Todeswunde empfing und starb, ein Jüngling von unvergleichlicher Tapferkeit, dessen Andenken ich meinen Landsleuten empfehle.

Beim Klange unserer Stimmen machten die Fliehenden Halt und wandten sich gegen ihre Verfolger, und es entspann sich ein Ringen, Leib an Leib. Eine Zeitlang wogte das Treffen hin und her, endlich aber gewann die italienische Mannhaftigkeit die Oberhand und der Feind wurde aus Morazzone hinausgeworfen, das wir dann verteidigungsfähig zu machen bemüht waren, indem wir die Eingänge zum Dorf unwegsam machten und uns in den Besitz einiger Häuser am Saume desselben setzten, von denen aus der andrängende Feind beschossen werden konnte. Ich muß hier noch eines polnischen Hauptmanns gedenken, der sich mit einigen seiner Landsleute bei uns befand und an jenem Tage mit ihnen Wunder der Tapferkeit vollführte. Leider erinnere ich mich der Namen jener braven Streiter nicht, die den alten kriegerischen Ruf ihrer Nation so glänzend bewährten.

Inzwischen befolgten die aus Morazzone hinausgewiesenen Feinde die schändliche Taktik, die sie in solchen Fällen anzuwenden pflegten, besonders in Italien, dem Lande der Leiden und der Märtyrer. Sie setzten nämlich ohne Schonung alle um das Dorf belegenen Gebäude in Brand und beschossen dieses selbst mit Kanonen. Das Feuer aber verbreitete sich dann mit entsetzlichem Krachen von einem Hause zum andern und griff weiter um sich, während das Schießen von beiden Seiten den Lärm noch vermehrte. – Nachdem aber die Österreicher einmal zurückgeschlagen worden waren, erneuerten sie ihren Angriff nicht. Andererseits konnten auch wir nicht daran denken, sie in ihren Stellungen anzugreifen, vielmehr blieb uns nichts anderes übrig, als, es koste was es wolle, noch in der Nacht zurückzugehen, da wir sicher waren, am nächsten Morgen von überlegenen feindlichen Streitkräften umstellt zu werden. Ohnehin uns überlegen, zog der Feind bereits weitere Verstärkungen an sich, so daß unser kleines, in seiner Haltung erschüttertes und von dem überhandnehmenden Brande im Innern des Dorfes mit dem äußersten Verderben bedrohtes Häuflein die Rettung nur im Rückzug erblickte, den wir dann auch gegen 11 Uhr abends antraten.

Nachdem die Leute in Reihe und Glied gestellt, die Verwundeten so gut wie es uns möglich war versorgt, einige von ihnen auf Pferde gesetzt worden waren, brachen wir auf und schlugen in kleinen Abteilungen einen Seitenweg ein, auf den der Feind keine Acht hatte und der vorher von uns verbarrikadiert worden war. Führer vermochten wir nicht aufzutreiben und waren gezwungen, uns eines Geistlichen als solchen zu bedienen, der mit dem größten Widerwillen uns begleitete: sehr natürlich, denn diese Art Blutsauger pflegte in Italien den Mittelsmann für die Fremden zu machen. Übrigens nutzte uns dieser Priester, den zwei von den Unsrigen zwischen sich genommen hatten, wenig, und nach einiger Zeit vermochte er trotz aller Wachsamkeit doch zu entwischen. – Die Nacht war dunkel, nur das brennende Dorf leuchtete uns. Anfangs vollzog sich der Marsch in guter Ordnung; wiederholt ging die Frage die Kolonne entlang, ob die letzten auch nachkämen, und es kam auch mehrere Male Antwort von ihnen. Endlich aber wurde einmal zurückgerufen: »Sie kommen nicht nach!« und obschon wir nunmehr einen langen Halt machten und ich alle Adjutanten, die ich bei mir hatte, unter ihnen Aroldi und Cogliolo, aussandte und endlich selbst bis in die Nähe von Morazzone zurückging, so war es doch nicht mehr möglich, die Mannschaft wieder vollzählig zusammen zu bekommen. Etwa 70 Leute waren zurückgeblieben. Das bereitete mir ein rechtes Herzeleid, um so mehr, als bei den Vermißten sich auch unsere armen Verwundeten befanden, wie z. B. Coccelli, ein wackerer Pole, Demaestri, dem später der Arm abgenommen werden mußte, und andere, deren Namen mir nicht mehr gegenwärtig sind. Die eben erwähnte Verstümmelung hielt übrigens den wackeren Demaestri keineswegs ab, auch später noch bei der Verteidigung von Rom, bei Palestrina, bei Velletri auf das tapferste zu streiten; als einer der letzten gab er den Kampf für die heilige Sache Italiens auf, in San Marino, Die hier erwähnten Begebenheiten werden unten in den Kapiteln 8 und 9 dieses 2. Teils erzählt. wo er, von mir entlassen, in die Gewalt der Österreicher fiel, die ihn mit Schlägen schändlich mißhandelten. Ich bitte mir zu sagen, ob wir je einem der in unsere Gewalt geratenen Österreicher eine ähnliche Behandlung haben zuteil werden lassen! Italien aber möge nicht vergessen, welchen Schaden und welche Schande ihm das Unheil jener Fremdherrschaft gebracht, die so lange Zeit hindurch unsere schöne Halbinsel belastete und noch jetzt an ihren Grenzen lauert.

Nachdem wir einige Zeit durch den Aufenthalt verloren, mußten wir unseren Marsch wieder aufnehmen, um uns noch während der Nacht von der Hauptabteilung der Feinde möglichst weit zu entfernen. Bei diesem mühevollen nächtlichen Marsche aber, der über kaum passierbare Pfade führte, zerstreute sich etwa noch die Hälfte unserer Mannschaft, so daß wir endlich, am anderen Abend, die Schweiz nur noch in der Stärke von etwa 30 erreichten. Doch gelangten hernach auch alle übrigen, in kleine Gruppen zersplittert, dorthin.


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