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10. Kapitel.
Die Schlacht von Milazzo

Nur Böswilligkeit und Mangel an Wahrheitsliebe hat die Erfolge von 1860, die die freien Italiener über die bourbonischen Truppen davontrugen, als leichte Siege bezeichnen können. Ich habe eine große Zahl von Kämpfen in meinem Leben gesehen und ich muß gestehen, daß die Schlachten von Calatafimi, Palermo, Milazzo und am Volturno den Offizieren und Soldaten, die daran teilnahmen, Ehre gemacht haben. Wenn von 5–6000 der Unsrigen, die bei Milazzo ins Feuer kamen, etwa 1000 kampfunfähig gemacht wurden, so zeugt das davon, daß der Sieg nicht allzu leicht war!

General Medici war, wie wir schon erwähnten, mit seiner Division an der Nordküste der Insel in der Richtung auf die Meerenge von Messina marschiert, und der bourbonische General Bosco schnitt uns mit einem erlesenen Korps aus allen 3 Waffengattungen, das an Zahl unserer Mannschaft überlegen war, die nach Messina führende Hauptstraße ab, wobei er sich auf Festung und Stadt Milazzo stützte. Es ist zu beachten, daß das Gebirge fast bis an die Nordküste herantritt, die daher leicht verteidigt werden kann. Schon hatten einige kleine Scharmützel zwischen den beiden Korps stattgefunden, und die Unsrigen hatten dabei ihre gewohnte Tapferkeit bewährt, obschon sie es mit den Jägern Bosco's zu tun gehabt, einer schönen, mit vortrefflichen Flinten ausgerüsteten Truppe. Als dann aber die 2000 Mann Corte's eingetroffen waren und die Ankunft des Korps Cosenz in nächster Zeit zu erwarten war, wurde beschlossen, den Feind anzugreifen.

Der frühe Morgen des 20. Juli fand die Söhne der Freiheit Italiens mit den Bourbonischen südlich von Milazzo im Kampfe, in dem die Söldner wegen ihrer starken Stellung alle Vorteile auf ihrer Seite hatten. Des Terrains genau kundig, hatten die Feinde mit großer Klugheit jegliches natürliche oder künstliche Hindernis, das die Gegend darbot, zu benutzen verstanden. Ihr rechter Flügel war in kleine Abteilungen aufgelöst vor der Festung Milazzo aufgestellt und durch deren schwere Artillerie geschützt; die Front aber war durch Anpflanzungen des Kaktusfeigenbaums und durch gut angelegte Laufgräben gedeckt, hinter denen die Jäger Bosco's mit ihren vorzüglichen Flinten unsere schlecht bewaffneten Leute aufs Korn nehmen konnten. – Das Mitteltreffen mit seinen Reserven stand auf der Straße, die an der Küste nach Milazzo führt, und war in der Front durch eine starke Umfassungsmauer gedeckt, in der sie eine große Zahl von Schießscharten angebracht hatten. Auch war die Mauer von dichtem Röhricht bedeckt, das den Angriff von vorne unmöglich machte. So vermochte der wohlgedeckte, vorzüglich bewaffnete Feind unsere armen Soldaten, denen das erwähnte Röhricht nur einen trügerischen Schutz gewährte, aufs beste zu beobachten und zu beschießen. Die Linke des Feindes hatte eine Häuserreihe, die sich östlich im rechten Winkel an Milazzo anschließt, besetzt und konnte daher diejenigen, die das Zentrum angriffen, in der Flanke bestreichen. – Unsere Unkenntnis des Terrains, auf dem gekämpft ward, war für die Unsrigen die Hauptursache bedeutender Verluste, und viele Schüsse, die wir gegen das feindliche Mitteltreffen richteten, hätten wir sparen können.

Mein erster Schlachtplan war gewesen, den Feind noch vor Tage anzugreifen, das Mitteltreffen mit einer starken dichtgedrängten Kolonne zu durchbrechen und zu teilen, den linken Flügel abzuschneiden und, wenn möglich, gefangen zu nehmen, und so seine Überlegenheit an Artillerie und Kavallerie nicht zur Geltung kommen zu lassen. Allein die Ausführung dieses Planes wurde dadurch vereitelt, daß es sich als unmöglich erwies, unsere nach verschiedenen Richtungen hin zerstreuten Abteilungen zeitig genug zusammenzuziehen. So war bereits der Tag angebrochen, als der Kampf sich allerorten entzündete. Da mein Hauptaugenmerk jetzt darauf gerichtet war, das Mitteltreffen und den rechten Flügel des Feindes in Milazzo einzuschließen, wo so viele Menschen nebst der Garnison des Platzes sich nicht lange hätten halten können, so dirigierte ich den größten Teil unserer Streitkräfte auf das Mitteltreffen und den linken Flügel des Feindes, wo wir nachdrücklich angriffen. Da das Schlachtfeld vollkommen eben war, mit Bäumen, Weinpflanzungen und Röhricht bestanden, so konnten wir die Stellungen des Feindes nicht übersehen. Vergebens war ich auf ein Hausdach gestiegen, um irgend etwas entdecken zu können, vergebens auch hatte ich zu dem nämlichen Zweck die Hauptstraße angreifen lassen. Viele Tote und viele Verwundete bildeten das Ergebnis unseres Mitteltreffens, und unsere arme junge Mannschaft wurde zurückgewiesen, ohne nur des Feindes ansichtig zu werden, der sie hinter seiner schrecklichen Schutzwehr aus den Schießlöchern beschoß. Dergestalt dauerte der ungleiche Kampf erbittert bis über die Mittagsstunde hin. Um diese Zeit hatte unsere Linke sich um einige Miglien zurückgezogen, und wir blieben auf dieser Seite ohne Deckung. Unser rechter Flügel und das Mitteltreffen, die sich in der gemeinsamen Gefahr vereinigt hatten, hielten sich noch, aber mit großer Anstrengung und unter ansehnlichen Verlusten.

Allein wir mußten siegen, und diese Überzeugung war der ausschlaggebende Antrieb bei diesem staunenswerten Feldzug, wo in den heißesten Kämpfen, wie bei Milazzo und am Volturno, wir länger als die Hälfte des Tages im Verlieren waren, endlich aber, mittels unserer Standhaftigkeit, die keinen Augenblick am Erfolge zweifelte, es durchsetzten, einen in jeder Beziehung überlegenen Feind aufs Haupt zu schlagen. Diese »leichten Siege« mögen sich unsere Söhne, denen nach uns die Aufgabe zufallen wird, die Ehre Italiens auf den Schlachtfeldern zu wahren, zu Vorbildern nehmen. – Wir mußten siegen! Unsere Verluste waren größer, als in allen anderen Schlachten im südlichen Italien; die Mannschaft war ermattet, der Feind hatte im Vergleich mit uns wenig oder nichts verloren. Seine Soldaten waren frisch und unberührt, seine Stellungen furchterregend. Und dennoch mußten wir siegen. Und die Italiener müssen siegen, solange auch noch der kleinste Teil des Bodens, der die Bronzetti (in Trient) und die Monti (in Rom) hervorgebracht, den Fußtritt des Fremden spürt.

Wie ich schon sagte, war der Stand der Schlacht bis gegen Nachmittag in jeder Beziehung für den Feind günstig, und unsere hochgemuten Streiter hatten nicht nur keinen Fußbreit gewonnen, sondern, besonders auf der Linken, Boden verloren. »Sieh zu, dich zu halten, wie du kannst,« sagte ich dem General Medici, der im Mitteltreffen kommandierte; »ich sammle einige Abteilungen der Unsrigen und werde den Versuch machen, mit ihnen mich auf die linke Flanke des Feindes zu werfen.«

Dieser Entschluß entschied den Tag. Der Feind, der hinter seinen Wällen in der Flanke angegriffen wurde, begann zu weichen; wir beschossen ihn ungehemmt und nahmen ihm eine Kanone fort, die uns sehr belästigt hatte, da sie mit ihren Kugeln die Straße allseitig bestrich. Doch führte dann die Kavallerie, die dem eroberten Geschütz zur Deckung gedient hatte, einen prächtigen Angriff aus und warf die Unsrigen ein Stück zurück, so daß ich selbst von den angreifenden Reitern überholt und gezwungen wurde, mich in einen Graben an der Seite der Straße zu werfen, wo ich mich mit dem Säbel in der Hand verteidigte. – Dieser Gegenstoß aber war nicht von langer Dauer. Oberst Missori erschien mit seiner gewohnten Tapferkeit an der Spitze verschiedener Detachements der Unsrigen, die vorher die Kanone erobert hatten, und befreite mich mit dem Revolver von meinem Gegner, einem feindlichen Kavalleristen. Die erwähnten Detachements waren die Kompagnie Bronzetti und die neu formierten Sizilianer, die der hochgemute Oberst Dume befehligte. Der übrigen erinnere ich mich nicht mehr. Der von diesen Tapferen angegriffene Feind wich endlich und zog sich eilends auf Milazzo zurück, von unserer ganzen nachrückenden Linie gedrängt. – Der Sieg war vollständig. Vergebens schützte die starke Artillerie des Platzes den Rückzug der Bourbonischen; unsere Tapferen kümmerten sich nicht um das Feuern der Kanonen und Flinten, sondern griffen Milazzo an und waren noch vor Einbruch der Nacht Herren der Stadt. Das Fort aber hatten sie bereits von allen Seiten umklammert und in den Straßen, die der Beschießung durch die Zitadelle ausgesetzt waren, Barrikaden errichtet.

Der Triumph von Milazzo wurde um sehr teuren Preis erkauft, da die Zahl derer, die auf unserer Seite getötet oder verwundet worden waren, der Verlustzahl der Feinde unendlich überlegen war. Und hier muß ich abermals der schlechten Waffen Erwähnung tun, mit denen unsere armen Freiwilligen stets haben kämpfen müssen. Zu denen aber, die in dieser ruhmvollen Schlacht fielen, gehört Poggi, Offizier bei den genuesischen Carabinieri, einer der Tausend, der sich bei Calatafimi besonders ausgezeichnet hatte, und Migliavacca vom Korps Medici, ebenfalls einer der Tapfersten. Cosenz und Corte wurden verwundet. – Jener Kampf war, wenn nicht einer der glänzendsten, sicherlich einer der blutigsten. Die Bourbonischen schlugen sich vortrefflich und behaupteten ihre Stellungen mehrere Stunden hindurch auf das tapferste.

Das Geschick des Bourbon war besiegelt. Die Folgen unseres Sieges waren geradezu wunderbar. Der in Milazzo eingeschlossene Feind sah sich bald gezwungen, sich in die Zitadelle zurückzuziehen, wo er, durch die von uns selbst errichteten Barrikaden eingeengt, sich aus Mangel an Raum genötigt sah, schon am 23. Juli zu kapitulieren, die Zitadelle mit Artillerie, Schießbedarf und einer Anzahl Maultiere, die zum Ziehen der Kanonen dienten, zu übergeben.

Herren Milazzos und der ganzen Insel, mit Ausnahme der Festungen von Messina, Augusta Augusta zwischen Catania und Syrakus an der Ostküste der Insel. und Syrakus, führten wir unsere Streitkräfte schnell gegen die Meerenge. General Medici besetzte Messina ohne Widerstand und begann die Landspitze von Faro Der nordöstlichste Punkt der Insel, Scilla in Calabrien gegenüber. zu befestigen; und unsere Dampfer konnten von Palermo aus mit den Orten der von uns besetzten Küste ungehindert verkehren. Seit der Einnahme von Palermo hatten wir andere Dampfer der Handelsflotte in unsere Gewalt gebracht und mit der Erwerbung der »Veloce«, die uns dann glückte, eines Dampfers der bourbonischen Kriegsflotte – dem wir den Namen »Tükery« gaben, nach dem tapferen Führer unserer Vorhut beim Eindringen in Palermo, wo er den Heldentod starb, und den der brave Kommandant Anguissola führte – fanden wir uns im Besitz einer kleinen Flotte, die uns bei allen unseren ferneren Unternehmungen vortreffliche Dienste leistete.

Wir hielten also die Meerenge von Faro bis Messina besetzt. Von Girgenti und Caltanissetta Inmitten der Insel. aus erreichten uns jetzt die Kolonnen Bixio und Eber (dem General Türr, da er aus Gesundheitsrücksichten nach dem Festland gegangen war, das Kommando übertragen hatte), und es wurde eine vierte Brigade Cosenz gebildet, so daß wir, die wir gewohnt waren sehr geringe Streitkräfte um uns zu sehen, nunmehr über eine sehr ansehnliche Streitmacht verfügten.


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