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Unsere Schlachtlinie auf dem Plateau von Lantenay am Saume des Wäldchens war dem Feinde fast gänzlich verborgen, der nur die Franktireurs von Lhost auf unserer äußersten Rechten wahrnehmen konnte. Das war vielleicht der Grund, daß er 1 Bataillon aussandte, um das Dorf Pâques Nördlich von Lantenay, halbwegs nach Prenois. zu besetzen, das in geringem Abstand zu unserer Linken lag, während das Gros seines Heeres Prenois besetzte und auf den Hügeln über diesem Dorfe in Schlachtordnung sichtbar ward. Das nach Pâques gesandte Bataillon wäre gefangen genommen worden, wenn wir nur 100 Mann Kavallerie gehabt hätten. Nachdem Pâques vom Feinde besetzt worden war, ließ ich 2 Geschütze unserer Artillerie, gedeckt durch einige Schützenlinien, vorgehen, die mit wenigen Schüssen den Feind aus dem Dorfe vertrieben. Während sich dies ereignete, hatten die Preußen ihre Macht entfaltet, indem sie sie in prächtiger Linie auf den beherrschenden Höhen von Prenois aufstellten. Ihr Bataillon zog sich eilends zurück und sie kamen ihm kaum mit einigen Geschützen zu Hilfe, ohne daß die stolze Linie, die in Reserve stand, vorrückte.
»Also fühlen sie sich nicht sehr stark« – das war die Überlegung, die ich sogleich bei mir anstellte. »Kommen sie nicht?« sagte ich mir wiederum: »nun wohl, dann werden wir gehen und sie suchen!« Ich entschloß mich also zum Angriff, und wir marschierten beherzt gegen den Feind in der nämlichen Schlachtordnung, in der wir ihn in unsren Stellungen erwartet hatten. Unsre Franktireurs auf dem rechten Flügel griffen den feindlichen linken Flügel nachdrücklich an und drohten ihn aufzurollen. Die 3. Brigade ging in bester Ordnung vor mit ihren Schützenlinien vor der Front, denen die Bataillonskolonnen so fest geschlossen folgten, daß altgewohnte Krieger sie hätten darum beneiden können. Ich zog einher, stolz, solche Mannschaft zu befehligen, und meine Brust hob sich beim Anblick einer so prächtigen Ordnung auf einem Schlachtfelde, das keine Deckung bot, und einer solchen Unerschrockenheit meiner jugendlichen Waffenbrüder.
Die feindliche Artillerie, die auf den Höhen über Prenois stand, beschoß unsere Linien bei ihrem Vorrücken, und beschoß sie, so wie es die preußischen Geschütze verstehen. Trotzdem nahm man bei den Unsrigen nicht die leiseste Stockung wahr: keine wellenförmige Linie, geradezu bewunderungswürdig war das Verhalten unserer Soldaten. Die Nachhaltigkeit, Festigkeit und kaltblütige Tapferkeit der Republikaner erschütterte die regungslose Unerschrockenheit der stolzen Sieger von Sedan, und als sie wahrnahmen, daß wir ihre Granaten nicht fürchteten, sondern mutig und schnell zum Angriff vorrückten, begannen sie den Rückzug auf Dijon. Die Straße, die das vor unserer Front belegene und von uns angegriffene Dorf durchzieht, macht beim Eintritt in letzteres eine Biegung nach links, da das Dorf auf einem Hügel liegt, zu dem die Straße dann im Zickzack emporsteigt. Die Unsrigen, die das Dorf, in dem sich noch ein feindliches Bataillon befand, angriffen, nahmen diese Krümmung der Straße nicht wahr oder wollten ihr keine Beachtung schenken und marschierten geradenwegs und im Eilschritt auf die Häuser zu, trafen aber auf die sehr hohe Mauer eines neben dem Dorfe gelegenen Gartens, deren Überwindung ihnen große Schwierigkeit und beträchtlichen Zeitverlust verursachte. Nur eine unserer Kompagnien, die unserer armseligen Reiterei als Deckung diente, umging das Dorf auf der rechten Seite und griff dann zusammen mit den Reitern ein preußisches Reservebataillon an, das mit 2 Kanonen zurückgeblieben war, um den Rückzug der Ihrigen zu decken. Bei diesem Angriff zeichneten sich Oberst Canzio und Kommandeur Bondet aus, denen beiden das Pferd unter dem Leibe erschossen wurde, während sie selbst Verwundungen erlitten. Zu meinem Leidwesen erinnere ich mich des Namens des Hauptmanns der Kompagnie Infanterie, die bei diesem Angriff ebenfalls sich vortrefflich benahm, nicht mehr. – Die hohe Mauer, die sich unserem Frontangriff entgegenstellte und uns einen so großen Zeitverlust verursachte, sowie eine zweite nicht minder hohe, die unserem Flankenangriff von rechts her sich entgegenstellte, waren die Rettung für den Feind; ohne sie wären ein preußisches Bataillon und die beiden Geschütze unzweifelhaft in unsre Hände gefallen.
Das Treffen vom 26. November auf dem Plateau von Lantenay war, was die Ergebnisse angeht, nicht eben von großer Bedeutung, aber es war prächtig in Anbetracht des Verhaltens unserer Truppen angesichts der kriegsgewohnten Soldaten Preußens. – Nach dem Zusammenstoß auf dem Plateau stellte der Feind jeden Widerstand ein und setzte seinen Rückzug nach Dijon fort, während wir ihn bis nach Dijon hin verfolgten.
Mit etwa 5000 Mann und sehr wenig Artillerie das Korps Werder's hinter den Wällen der burgundischen Hauptstadt anzugreifen, war, ich gebe es zu, Tollkühnheit, und ich würde mich sicherlich bei Tage nicht an eine so erschreckende Unternehmung herangewagt haben. Aber mein Plan war: ein Handstreich! Und waren wir nicht in dem Treffen so außerordentlich vom Glücke begünstigt worden? Auf der anderen Seite konnte nur ein wohl geglückter, verzweifelter Handstreich das Los der unglücklichen Republik in jenem Teile Frankreichs verbessern und möglicherweise den Feind zwingen, die Belagerung von Paris aufzugeben, wenn er seine wichtigste Verbindungslinie bedroht sah. Aber welche Mittel hatte die Regierung der nationalen Verteidigung in meine Hände gelegt? Die Erbitterung regt sich aufs neue in mir, wenn ich daran denke.
Die Stimmung meiner armen Soldaten war bewunderungswürdig, und alle marschierten mit heller Begeisterung zum Handstreich auf die Stadt zu. Es war Vermessenheit, auf einen Sieg zu hoffen. Allein in einer regnerischen Novembernacht war Zeit genug, sich zurückzuziehen, wenn die Sache fehlschlug. Ich habe schon erlebt, daß zahlreiche und kriegsgewohnte Truppen von jähem Schrecken ergriffen wurden und, wie ich hernach von den Einwohnern von Dijon selbst erfuhr, herrschte in jener Nacht große Verwirrung unter den Besiegern des Bonaparte. Ihre zahlreiche Artillerie galoppierte auf und ab durch die Straßen, ohne zu wissen wohin, und fand schließlich nirgends Aufstellung. Auch der Train des Heeres Werder's ermangelte, obwohl er weit besser diszipliniert war als der französische, nicht, sich auf die Rückzugslinien zu werfen, die einen unter dem Vorwand, die Kasse in Sicherheit zu bringen, die anderen, um Munitionen zu retten und so fort: Tatsache ist, daß große Verwirrung herrschte. Wie dem aber sei, zu Ehren Deutschlands muß ich zugeben, daß die zahlreichen Infanterieabteilungen, die in Dijon lagen und über die starken Stellungen von Talant, Fontaine, Hauteville, Daix usw. verteilt waren, uns mit einer derartigen Salve von Flintenschüssen empfingen, wie ich in meinem Leben nichts ähnliches gesehen habe, so daß noch etwas mehr als Unerschrockenheit erforderlich war, um diesem Sturme die Stirn zu bieten.
Meine jungen Soldaten leisteten, was sich unter derartigen Umständen erwarten ließ. Die äußeren Posten der Preußen wurden einer nach dem anderen angegriffen und trotz zäher Verteidigung erstürmt. Am Morgen erblickte man die Leichen der Unsrigen auf denen der Feinde liegen, und die letzteren größtenteils vom Bajonett durchbohrt, da wir den Befehl erlassen hatten, nicht zu feuern. Als wir aber in das Gelände unterhalb Talant gelangt waren, erwies sich das feindliche Feuer als so heftig, daß wir nicht dagegen aufkommen konnten. So begannen wir rechts und links von der Straße nach rückwärts auszuweichen, um den Schüssen von vorneher, die die Straße schrecklich aufwühlten, zu entgehen.
Unser Angriff auf die Stellungen von Dijon begann gegen 7 Uhr abends; es war sehr neblig und regnete, ein Umstand, der für Unternehmungen dieser Art sehr vorteilhaft zu sein pflegt. Bis 10 Uhr war ich voll Zuversicht, die Sache werde gelingen; unsere Abteilungen gingen munter und geschlossen, soweit sie vermochten, eine nach der anderen vor – eine Anordnung, die ich für nächtliche Angriffe stets für die zweckmäßigste erachte, falls es nicht möglich ist, Demonstrationen gegen andere Punkte des Angriffsobjektes vorzunehmen, um die Aufmerksamkeit des Feindes dorthin zu lenken; aber das war damals in Anbetracht der geringen Zahl unserer Streitkräfte und der Natur des Bodens unmöglich.
Gegen 10 Uhr ließen die Befehlshaber der Vorhut mich wissen, daß die Fortführung des Angriffs keinen Zweck mehr habe, da der Feind den erbittertsten Widerstand leiste, und es für unsere Leute, die seitwärts von der Straße vorrückten, nicht möglich sei, weiter zu gelangen. Widerstrebend fügte ich mich der Ansicht meiner Getreuen, dachte aber sogleich daran, wie schwierig und unvorteilhaft ein Rückzug sein werde. Glücklicherweise war es Nacht und November. Der Feind rührte sich nicht aus seinen Stellungen, und so konnten wir den Rückzug ohne Belästigung bewerkstelligen.
Ein Rückzug nach einem siegreichen Kampfe und einem fehlgeschlagenen Angriff, das will sagen, nachdem sie vom frühen Morgen bis 10 Uhr abends auf den Beinen gewesen waren, konnte bei jungen Truppen wie den von mir befehligten nicht in bester Ordnung vor sich gehen, zumal da die Leute hungrig und müde waren. So wurde der Befehl, auf Lantenay zurückzugehen, mangelhaft ausgeführt. Einige schlugen die Straße über Soubernon, Arnay-le-Duc ein und machten erst in Autun Halt; der größte Teil blieb jedoch in Lantenay, und da dort bereits ein Regiment Mobilgarden unter Oberst Ranelli und der größte Teil der 2. Brigade angelangt war, so befanden wir uns doch in einer Stärke, die gestattete, etwas zu unternehmen.
Am 27. November erreichten die Preußen nachmittags die Höhen von Lantenay in noch stärkerer Anzahl als am Tage zuvor, woraus hervorgeht, daß sie in Dijon sehr zahlreich waren und daß Werder, nachdem er uns von der Hauptstadt zurückgeworfen hatte, seinen Vorteil natürlicherweise verfolgen wollte. Wer den ersten Anprall des Feindes aushalten mußte, waren die neuen Abteilungen, da diejenigen, die den ganzen vorigen Tag über gekämpft hatten, noch zerstreut waren. Da die preußischen Streitkräfte aber uns durchaus überlegen waren und ein Rückzug durch die Wälder keine Schwierigkeit bot, so ließ ich es nicht zu einem regelrechten Kampf kommen, sondern setzte den Rückzug nach Autun fort, wo ich hoffte, die Leute wieder heranziehen zu können, die auf verschiedenen Wegen zurückgegangen waren. – Unter unseren Verlusten vom 27. war ein sehr empfindlicher, nämlich der des Obersten Chapeau aus Marseille, eines vortrefflichen, hochgemuten Offiziers.
In gewissen Fällen muß man mit dem Tiere Mensch ebenso verfahren wie mit dem Tiere Ochse. Er bricht aus? laßt ihn ausbrechen und seines Weges ziehen. Wehe Euch, wenn Ihr die Unklugheit begeht, seinen Weg zu kreuzen, er würde euch umstürzen – Roß und Reiter, wie mir 1849 in Velletri begegnete, wo ich nur wie durch ein Wunder meine schwarzgequetschte Haut rettete. Er bricht aus? laßt ihn ausbrechen, fliehen, enteilen: mischt Euch nicht ein, sondern begnügt Euch, Euch seitwärts oder hinten zu halten; er wird schließlich ein Hindernis finden, ein Fluß wird ihn aufhalten, ein Berg, oder der Hunger, der Durst oder ein neuer Schrecken, näher und größer als derjenige, der ihn fliehen ließ. Dann ist es Zeit: jetzt bringe, so gut du kannst, die Tiere Menschen wieder in Ordnung, bemühe dich, für sie Speise und Trank zu finden und einen Ort der Ruhe, und wenn sie dann satt und ausgeruht sind und von ihrem Schrecken sich erholt haben, dann wird ihnen ihre schimpfliche Flucht und die Hintansetzung ihrer Pflicht und des Ruhmes zum Bewußtsein kommen.
Das gleiche geschieht bei den Ochsen, nur daß diese Tiere glücklicherweise nicht an den Ruhm denken. Zum Beispiel: Von mehreren Berittenen geführt erschrecken die Ochsen aus irgendeinem Grunde: ein Donner, ein Blitz, ein Sturmwind oder anderes schreckt sie, und sie beginnen, mit der Schnelligkeit, deren nur ungezähmte Tiere fähig sind, davonzurennen. Der verständige Führer ist nicht so töricht, seinen Leuten zu befehlen, die Herde aufzuhalten, indem sie ihr in den Weg treten, denn das wäre ihr sicherer Tod. Sondern er folgt den Tieren, nimmt seitwärts oder hinter ihnen Stellung, ohne sie aus dem Gesicht zu verlieren, bis irgendwelches Hemmnis den Dahineilenden entgegentritt – ein Fluß, ein Wald, ein Berg; jetzt macht die Spitze der Kolonne Halt, wendet wieder um, und sogleich wendet die ganze Herde und macht Halt. In diesem Augenblick befiehlt der erfahrene Führer seinen Berittenen, die Herde der Ochsen, die jetzt wieder gelehrig wie Lämmer geworden sind, rings zu umgeben, und so kehren die Tiere unter die Herrschaft ihres Tyrannen, des Menschen, zurück, damit er fernerhin sich ihrer bediene. –
In Autun konzentrierten sich fast alle auf dem Rückzüge befindlichen Abteilungen der sogenannten Vogesenarmee, mit Ausnahme weniger, die aus verschiedenen Gründen weitergeeilt waren. Es waren teils geschlossene Abteilungen, teils einzelne Leute, die ihre Reihen verlassen hatten, ohne Zweifel, um nicht kämpfen zu müssen. Unter den letzteren befand sich ein Oberst Chenet, Kommandeur der jungen Mannschaft des Ostens, den die Priester unter die heiligen Märtyrer versetzten, wie den heiligen Dominikaner Arbues und ähnliche Nichtswürdige! Ich aber hätte ihn vollends zum Märtyrer gemacht, wenn ich das Todesurteil hätte ausführen lassen, das der Kriegsgerichtshof in Autun über ihn verhängte; und Chenet hatte ein so großes militärisches Vergehen, nämlich Feigheit, sich zuschulden kommen lassen, daß er hundertmal den Tod verdiente. Chenet sollte am Mittag erschossen werden, ich begnadigte ihn aber um 11 Uhr vormittags auf die Verwendung einiger Offiziere hin – doch unter der Bedingung, daß er öffentlich degradiert werde, was mir freilich weit schimpflicher erscheint als der Tod.
In meinem Hauptquartier zu Autun, wo der Präfekt Marais uns zuvorkommend aufgenommen hatte und bei unserer Reorganisation uns behilflich gewesen war, brachte ich das Vogesenheer wieder in Stand und vermehrte auch die Artillerie, an der wir bis dahin so großen Mangel hatten. – Der Feind jedoch, den unser Rückzug kühn gemacht hatte, suchte uns in unserer Stellung in Autun auf und erschien dort unerwartet am 1. Dezember. Ich sage: unerwartet, ich kann aber auch ohne Übertreibung sagen: er überraschte uns vollständig! Es war um die Mitte des Tages, und ich fuhr wie gewöhnlich im Wagen aus, um eine Spazierfahrt zu unternehmen. Jeden Morgen wurden Kundschafter nach allen Richtungen hin ausgesandt, und alle unsere Stellungen gegen den Feind hin waren von starken Abteilungen besetzt. Ich hatte des Morgens zu guter Stunde bei meiner ersten Ausfahrt jene Vorposten besichtigt, mich davon überzeugt, daß sie vorhanden waren, und die dort stehenden Offiziere gemahnt, gute Ausschau zu halten. Die erwähnten Vorposten bestanden aus der Truppe der jungen Mannschaft des Ostens unter Chenet, aus der jungen Mannschaft von Marseille, die nach dem Tode Chapeau's ein wackerer Offizier, dessen Name mir entfallen ist, befehligte – diese Abteilung traf gerade, als ich wieder abfuhr, bei dem Kloster Saint-Martin, dem Mittelpunkte unserer Vorpostenstellung ein – und endlich aus dem Bataillon Unter-Pyrenäen links vom Kloster Saint-Jean. Die Vorposten rechts standen bei einem anderen Kloster Saint-Pierre (por la gracia de Dios!). Bei meiner Fahrt am Mittage sodann verfehlte ich, obschon ich mich in dem Glauben befand, unsere Vorposten gut überwacht zu haben, dennoch nicht, mein Glas von den Ruinen eines römischen Tempels aus, der Autun überragt und zu dem ich emporgestiegen war, über die umliegende Ebene schweifen zu lassen. Aber es scheint, ich beobachtete nur die Ferne, jedenfalls nahm ich nichts wahr. So kehrte ich also, da ich von dem Punkte aus, wo ich ausgestiegen war, um zu beobachten, nichts entdeckte, zu meinem Wagen zurück, und meine Adjutanten stützten mich wie gewöhnlich, um mir in den Wagen zu helfen. Ich hatte einen Fuß auf dem Trittbrett und wollte mich eben auf den Sitz niederfallen lassen, als ich, nach Autun blickend, in der Unterstadt oder Vorstadt Sant-Martin die Spitze einer feindlichen Kolonne wahrnahm, die langsam vorging. Hätte man sie weiter vorgehen lassen, so wäre die Stadt Autun sicherlich auf die leichteste Art eine Beute der Preußen geworden, und die Vogesenarmee (ich erröte, indem ich daran zurückdenke) würde eine entsetzliche Niederlage erlitten haben!
»Schnell,« rief ich meinen berittenen Adjutanten zu, »eilt, zu Bordone, zu Menotti, zu allen, daß sie die Waffen ergreifen und kämpfen!« Ich stand mehr unter dem Eindruck der Scham und des Ärgers als der Furcht. Nachdem ich die Befehle erteilt, fuhr mein Wagen schnell nach Autun hinab, durchkreuzte die Stadt und wandte sich so schnell wie möglich nach dem kleinen Seminar, wo auf der Plattform dieses klerikalen Instituts, glücklicherweise in einer Stellung, von der aus die feindliche Kolonne bestrichen werden konnte, unsere Artillerie aufgestellt war.
Unsere Artillerie bestand damals aus 2 Batterien zu je 4 gezogenen Feldgeschützen und 1 Gebirgsbatterie, im ganzen 18 Geschützen; aber die Artilleristen waren abwesend. Canzio und Basso brachten das 1. Geschütz in die Batterie; diese meine hochgemuten Freunde hatten, indem jeder ein Rad des Geschützes schob, es bald in die richtige Stellung gebracht. Schnell sprangen ihnen nun auch meine übrigen Adjutanten bei, die nach und nach ankamen, und endlich erschienen auch die zugehörigen Artilleristen, die aus ihren Quartieren spornstreichs herbeieilten und sich sehr wacker benahmen. Unser Glück war, daß der Feind nicht ahnte, in welchem Grade er uns überrascht hatte; wahrscheinlich vermutete er bei der Stille und der Verlassenheit, der er überall begegnete, daß wir ihm irgendeinen Hinterhalt bereitet hätten. Denn wenn er, statt daß die Spitze seiner Kolonne bei Saint-Martin Halt machte, unverzüglich in Autun eingedrungen wäre, so hätte er keinen Widerstand getroffen und unsere Leute noch in ihren Quartieren überrascht. Statt dessen stellten die Preußen ihre Artillerie auf den Höhen von Saint-Martin auf und begannen unsere Stellungen zu beschießen. Dieses Verhalten des Feindes rettete uns. Unsere Geschütze, die nun in einer den Feind überragenden Stellung zusammengezogen waren und von unseren jungen Artilleristen, die sich schämten, dergestalt überrascht worden zu sein, mit hingehendem Eifer bedient wurden, überschütteten den Feind mit ihren Geschossen und zwangen ihn nach mehrstündigem Feuergefecht, seine Geschütze zurückzunehmen. Einige Kompagnien Franktireurs und einige Bataillone Mobilgarden, die ich auf die linke Flanke der Preußen warf, vervollständigten den Erfolg des Tages, und der Feind wurde genötigt, abzuziehen. – Die empfindlichsten Verluste auf unserer Seite hatte die Artillerie aufzuweisen, an Offizieren wie an Gemeinen; darunter war, soviel ich mich erinnere, auch ein Major Guido Vizzardo, der am Oberschenkel verwundet wurde, so daß ihm das Bein abgenommen werden mußte. Die Franktireurs zeigten sich tapfer wie immer. Die beiden italienischen Regimenter behielt ich in der Stadt als Reserve zurück; wenige davon nahmen am Kampfe teil, abgesehen von den genuesischen Carabinieri, die nach dem Zentrum marschierten und zum Rückzug des Feindes wacker beitrugen.
Die drei Vorpostenstellungen, die unser kleines Heer hätten decken sollen, es aber in Autun nicht deckten, waren: Saint-Martin im Zentrum, Saint-Jean zur Linken, Saint-Pierre zur Rechten (auch die Franzosen haben sich über Mangel an Heiligen, die aber so wenig wie bei uns die Fähigkeit zu haben scheinen, sie zu schützen, nicht zu beklagen). Saint-Jean war von einem Bataillon Mobilgarden Unter-Pyrenäen der 3. Brigade besetzt, die bei Menotti und mir in hoher Gunst stand und dies auch verdiente, besonders aber unter den damaligen Umständen, wo sie sich sehr tapfer zeigte und dem Feinde Respekt einflößte. – Einige Detachements Mobilgarden hielten sich ferner bei Saint-Pierre. Im Zentrum jedoch wurde die starke Position von Saint-Martin von den jungen Mannschaften des Ostens und von Marseille, die etwa 700 Mann zählten, auf Befehl des feigen Obersten Chenet im Stich gelassen, und zwar scheint diese Preisgabe stattgefunden zu haben, noch ehe der Feind ankam, so daß dieser in aller Bequemlichkeit die richtige Stellung besetzen konnte. Wenn das nicht von Seiten des genannten Obersten Verräterei ist, so wäre ich in Verlegenheit, dafür eine andere Bezeichnung zu wählen. Wie dem aber sei und auf welche Weise Chenet, von den französischen Klerikalen unterstützt, sich mag rechtfertigen wollen, das Verhalten dieses Offiziers, der ohne Befehl die wichtigste aller unserer Stellungen preisgab und auf diese Weise das Heer der Gefahr aussetzte, vernichtet, und die Stadt, geplündert zu werden, und der auf seiner Flucht die Abteilung, die er kommandierte, sowie eine andere, die infolge der Unerfahrenheit ihrer Offiziere seinen Weisungen folgte, mit sich zog und 40–50 Kilometer weit zurückging – sein Verhalten, sage ich, läßt sich kaum scharf genug brandmarken. Es war das ein Vorfall, wie er mir in meinem ganzen militärischen Leben nicht wieder vorgekommen ist, und ein Verhalten, für das es eine genügende Strafe überhaupt nicht gibt. Und doch: dieser Oberst Chenet, den ich die Gutmütigkeit hatte dem Tode zu entreißen, zu dem ihn das Kriegsgericht verurteilt hatte, dieser Feigling wurde der gepriesene Held der Priester und der Chauvinisten, und es fehlte nicht viel, so wäre er von ihnen selig gesprochen worden, während die reaktionären Zeitungen ihm ausführliche Lebensbeschreibungen und Ruhmeserhebungen über die verbrecherischste Tat der Welt widmeten. So ist dieses hochgebildete Jahrhundert beschaffen, bei dem Korruption und Lüge die Grundlage der Bildung ausmachen.
Ich will das Kapitel nicht beendigen, ohne des sympathischen und mutigen Kriegskorrespondenten der Daily News, des jungen Zicchitelli, zu gedenken. Er kämpfte nicht gegen die Preußen, das war nicht sein Beruf; aber er leistete mir als Adjutant, in der Zeit, wo ich das Glück hatte, ihn um mich zu sehen, unschätzbare Dienste. – Bei dem Gefecht von Lantenay verbrachte ich mehrere Stunden im Sattel, und da ich eigene Pferde nicht besaß, so war mir ein beliebiges Pferd dargeboten worden. Dieses arme Tier kam zu Beginn der Schlacht, ich weiß nicht durch welche Veranlassung, auf seinen 4 Füßen zu Fall und stürzte, wobei mein rechtes Bein darunter zu liegen kam und arg gedrückt wurde. Durch meine Freunde, die mich umgaben, wurde ich sofort aus dieser unangenehmen Lage befreit, und Zicchitelli, der sich an meiner Seite befand, bot mir freundlich einen prächtigen Schimmel an, der ihm gehörte und den ich annahm und den Rest des Tages ritt.
Marais, der Unterpräfekt von Autun, ist ebenfalls ein Name, den die Italiener der Vogesenarmee mit Liebe und Dankbarkeit in der Erinnerung behalten werden. Dieser ehrenwerte Republikaner nahm uns gütig und gern bei unserer Ankunft in Autun auf und ließ, solange wir dort verweilten, nicht nach, uns behilflich zu sein. Am 1. Dezember, als wir von den Preußen angegriffen wurden, verließ der Unterpräfekt Marais die Präfektur und trat, mit einer Flinte bewaffnet, tapfer in die erste Reihe der Kämpfenden, indem er seine Waffe wie ein gemeiner Soldat handhabte.