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7. Kapitel.
Verkündigung der Republik und Marsch nach Rom

Bis gegen Ende Januar 1849 verweilten wir in Macerata, dann marschierten wir nach Rieti mit dem Befehl, diese Stadt zu besetzen. Die Legion nahm ihren Weg dorthin über den Colfiorito und ich mit 3 Gefährten reiste über Ascoli und das Tal des Tronto, um die neapolitanische Grenze zu beobachten. Wir überschritten den Apennin auf den jäh abstürzenden Höhen der Sibilla unter dichtem Schneegestöber. Mich befielen wieder meine rheumatischen Schmerzen, was mir den Genuß des Malerischen unseres Weges beeinträchtigte. Ich sah die kräftigen Bergbewohner, und wir wurden überall jubelnd aufgenommen, festlich bewirtet und mit Begeisterung geleitet: jene Abhänge hallten wider von den Hochrufen auf die Freiheit Italiens – und doch sollte wenige Tage später jene kraftvolle und energische Bevölkerung, von den Priestern verdorben und betrogen, sich gegen die römische Republik erheben und sich, um diese zu bekämpfen, mit den Waffen wappnen, die die schwarzen Verräter beschafft hatten.

Ich kam nach Rieti, wo die Bekleidung der Legion zu Ende geführt wurde; doch gelang es mir nicht, die zur Vervollständigung ihrer Ausrüstung nötigen Gewehre geliefert zu erhalten, so daß ich, da alle Vorstellungen sich vergeblich erwiesen, mich entschloß, Lanzen anfertigen zu lassen, um die Waffenlosen damit zu versehen. In Rieti stießen zu uns Daverio, Ugo Bassi und einige treffliche Krieger, darunter das Brüderpaar Molina und Ruggiero, die sich hernach in den verschiedenen Gefechten, die die Legion zu bestehen hatte, als Offiziere glänzend bewährten.

So vermehrte sich das Korps, während ich es so gut wie möglich organisierte; doch das römische Ministerium wollte keine Streiter, und wie es früher die Zahl der Legionäre auf 500 beschränkt hatte, so befahl es mir jetzt, nicht über 1000 hinauszugehen, so daß ich, da ich bereits eine etwas größere Zahl beisammen hatte, genötigt war, den ohnehin dürftigen Sold – selbst den Offizieren – noch zu beschneiden, um alle behalten zu können. Doch kam kein einziger Laut der Klage hierüber aus den Reihen meiner hochgemuten Waffenbrüder.

Den Aufenthalt in Rieti benutzte ich ferner zur Instruierung der Legionäre, und außerdem wurden einige Verteidigungsmaßregeln an der Grenze getroffen, um diese gegen Versuche des Bourbon König Ferdinand II. von Neapel und Sizilien, aus dem Hause Bourbon. zu schützen, der sich bereits die Maske vom Gesicht nahm und sich als unverhüllten Feind der Freiheit Italiens zeigte.

Von Macerata zum Abgeordneten erwählt, wurde ich nach Rom berufen, um an der konstituierenden Versammlung teilzunehmen, und am 8. Februar 1849 hatte ich das Glück, abends 11 Uhr als einer der ersten meine Stimme für die fast einmütig erfolgende Erklärung der Republik abzugeben, jener Republik glorreichen Andenkens, die aber so schnell von dem wie stets mit der europäischen Autokratie verbündeten Jesuitismus zu Boden geworfen werden sollte.

Es war der 8. Februar 1849 und ich war, mit heftigen rheumatischen Schmerzen behaftet, auf der Schulter meines Adjutanten Bueno in den Versammlungssaal getragen worden. Am 8. Februar 1846, fast zu der nämlichen Stunde, trug ich auf meinen Schultern nicht wenige Verwundete aus der Zahl meiner hochgemuten Legionäre, auf dem ruhmvollen Schlachtfelde von Sant' Antonio, und hob sie auf die Pferde, um den schwierigen, aber schönen Rückzug gegen Salto anzutreten. Garibaldi schildert diese Episode in den südamerikanischen Freiheitskämpfen im 1. Buche seiner Memoiren, die hier nicht mit abgedruckt sind. Jetzt aber wohnte ich der Wiedererstehung der größten aller Republiken, der römischen, bei auf dem Schauplatz der großartigsten Taten, die die Welt gesehen, in der ewigen Stadt! Welche Aussichten, welche Zukunft! So waren jene Vorstellungen, jene Prophezeiungen, die ich von Kindheit an in meinem Geiste gehegt und die sich in meiner 18jährigen Einbildungskraft verdichteten, als ich unter den Ruinen der stolzen Monumente der ewigen Stadt zum ersten Male umhergewandert, kein leerer Wahn gewesen; kein Traum waren jene Hoffnungen auf die Wiedererhebung des Vaterlandes gewesen, die im Dickicht der amerikanischen Urwälder und in den Stürmen des Ozeans mein Herz höher hatten schlagen machen und die mich nun zur Erfüllung meiner Pflichten gegen das unterdrückte, leidende Volk leiteten.

Dort nun, in dem nämlichen Saale, wo sich die alten Tribunen des Roms der Großen zu versammeln pflegten, Nämlich auf dem Kapitol. waren wir in voller Freiheit versammelt, und wir waren unserer alten Vorfahren vielleicht nicht unwürdig, auch wir geleitet von dem Genius, den schon jene erkannten und als den »höchsten« anriefen. Und der schicksalskündende Name »Republik« erscholl wieder in dem geweihten Raume, wie an jenem Tage, als die Könige für alle Zeit aus ihm vertrieben wurden. Morgen wird auf dem Forum vom Kapitol herunter die Republik verkündet werden von dem Volke, das in so vielen Jahrhunderten des Leidens nicht vergaß, daß es der Abkömmling des größten Volkes der Erde ist.

Mittlerweile aber hatten die prahlerischen Chauvins jenseit der Alpen D. i. die Franzosen. Louis Napoleon, als Präsident der französischen Republik, entsandte ein Truppenkorps unter General Oudinot gegen Rom zur Herstellung der Macht des Papstes. sich dafür verbürgt, daß die Italiener sich nicht schlagen dürften und nicht verdienten, frei zu sein, und unter priesterlicher Führung zogen sie heran, um die römische Republik zu hintergehen und zu vernichten. Die Einigung Italiens erschreckte das autokratische und jesuitische Europa, hauptsächlich aber unsere westlichen Nachbarn, deren Doktrinäre erklärten, daß die Herrschaft über das Mittelmeer unbestreitbar und rechtmäßigerweise ihnen zukomme, ohne die zahlreichen dort anwohnenden Nationen in Rechnung zu ziehen, die mehr Recht darauf haben als sie. – Wegen unserer unseligen Zwietracht im Inneren vermögen jene uns aus der Mitte unserer Familie zu reißen und mit den heuchlerischen Jesuiten, denen sie sich verbunden haben, unser Hab und Gut zu vergeuden; aber sie werden uns nicht das Recht nehmen, ihnen ihr hinterlistiges Verfahren ins Gesicht vorzuhalten und ihnen wenigstens das Geständnis zu entreißen, daß sie Furcht davor haben, uns das alte, drohende Rutenbündel wiederum schwingen zu sehen. Gegenwärtig sind sie, wie auch wir, Vasallen jenes Zerrbildes von Kaiser, der sie regiert und der alle unsere großen Herren in Respekt hält, dessen verbrecherische Herrschaft aber schließlich durch das Schwert der ewigen Gerechtigkeit in den Staub gestreckt werden wird. –

Von Rom kehrte ich nach der Proklamierung der römischen Republik nach Rieti zurück und erhielt dort gegen Ende März den Befehl, mit der Legion nach Anagni zu marschieren. Im April erfuhr man dann, daß die Franzosen in Civitavecchia wären und, nachdem sie jene Seestadt, die hätte verteidigt werden können, wäre man nicht teils in Täuschung befangen, teils töricht gewesen, eingenommen hatten, sah man ein, daß ihre Absicht sei, gegen Rom zu ziehen.

Um jene Zeit war in der Hauptstadt General Avezzana eingetroffen und hatte das Kriegsministerium übernommen. Ich kannte Avezzana nicht persönlich, allein die mir zugegangenen Mitteilungen über seinen Charakter und seine kriegerischen Taten in Spanien und Amerika hatten mir die größte Achtung vor ihm beigebracht, so daß sein Erscheinen an der Spitze jenes Ministeriums mich mit den größten Erwartungen erfüllte. Und diese trogen nicht. Das erste, was er tat, war die Sendung von 50 neuen Gewehren an mich, nachdem ich bis dahin ungeachtet meiner wiederholten Vorstellungen nicht ein einziges erhalten hatte. Dann dauerte es auch nicht lange, so erschien der Befehl, nach dem von den Söldnern Bonaparte's bedrohten Rom zu ziehen. Ich brauche nicht zu sagen, wie bereitwillig wir zur Verteidigung der Stadt der großen Erinnerungen herbeieilten. Die Legion zählte jetzt etwa 1200 Mann, nachdem ich mit 60 aus Genua aufgebrochen war. Wohl hatten wir ein beträchtliches Stück von Italien durchzogen. Aber wenn wir berücksichtigten, daß wir überall von den Regierenden weggewiesen, von den Priestern aber verleumdet worden waren, wie eben nur Priester verleumden können, daß wir dem größten Elend ausgesetzt und die längste Zeit hindurch ohne Waffen gewesen waren, – Dinge, die sicherlich den Freiwilligen die Lust benehmen mußten und unsere Organisation verzögerten – konnte ich mit der Stärke, die die Legion erreicht hatte, wohl zufrieden sein. Wir gelangten also nach Rom und erhielten in dem von den Nonnen verlassenen Kloster von San Silvestro Quartier.


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