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2. Kapitel.
In Mailand

Unser Vorsatz bei der Abreise aus Amerika war gewesen, Italien zu dienen und seine Feinde zu bekämpfen, unbekümmert um die Farben des Banners, das uns im Streite vorangetragen würde. Und da nun Carl Albert der Führer war, so wandte ich mich nach Roverbella, seinem damaligen Hauptquartier, Roverbella, 12 km nördlich von Mantua. Carl Albert (1798 bis 1849), seit 1831 König von Sardinien. um meinen Arm und den meiner Genossen ohne Rückhalt dem anzubieten, der mich 1834 zum Tode verurteilte. Ich trat vor Carl Albert, sah ihn unschlüssig, wie er mich aufnehmen solle, und beklagte in meinem Innern das Geschick unseres armen Vaterlandes, das zu seinem Unheil dem Zauderer anvertraut war. Ich würde unter den Befehlen jenes Königs mit nicht geringerer Hingebung, als wenn die Nation republikanisch regiert worden wäre, gedient haben und ich hätte auch die Jugend, die mir ihr Vertrauen schenkte, auf den gleichen Pfad der Selbstverleugnung geführt. Italien zu einen und von der Pest der Fremdherrschaft zu befreien war mein Ziel und, wie ich nicht zweifle, das der großen Mehrheit zu jener Zeit. Und Italien würde dem, der es befreite, nicht mit Undank gelohnt haben. Nun bin ich aber weit entfernt, den ersten Stein gegen den verstorbenen Fürsten aufzuheben, ich überlasse der Geschichte das Urteil über ihn – nur das will ich sagen, daß er, der durch seine Stellung, durch die allgemeine Lage und durch den allgemeinen Wunsch Italiens zum Führer im Befreiungskampfe berufen war, dem ihm entgegengebrachten Vertrauen nicht entsprach und es nicht nur nicht verstand, die unermeßlichen Aussichten, die sich ihm darboten, auszunutzen, sondern selbst die Hauptursache des Mißlingens wurde.

Infolge der allgemein vorwaltenden, unheilvollen Ansicht, daß Freischaren unbrauchbar wären und ihre Verwendung nur verderblich wirken könnte, begaben sich meine Genossen von Genua nach Mailand, während ich von jener Stadt nach Roverbella, von Roverbella nach Turin und von dort nach Mailand eilte, ohne daß ich es erreichte, unter irgendwelchem Titel meinem Lande dienen zu können. Einzig Casati, eins der Mitglieder der provisorischen Regierung der Lombardei, Mailand hatte in den heroischen Kämpfen der sogenannten »5 Tage« (18.–22. März 1848) die Österreicher aus der Stadt herausgeschlagen und eine provisorische Regierung gebildet. glaubte meine Hilfe brauchen zu können und gliederte uns dem lombardischen Heere an, sodaß mit dem Kommen nach Mailand mein unstetes Herumschweifen ein Ende nahm. Hier beauftragte mich dann die provisorische Regierung mit der Organisierung verschiedener Bruchstücke von Heeresteilen, wozu auch meine wenigen Genossen von Amerika geschlagen wurden, und die Sachen würden nicht übel abgelaufen sein, wenn nicht der königliche Gesandte Sobrero sich in unheilvoller Weise eingemischt und durch seine Drohungen und Ränke meine Dispositionen gestört hätte. Die Mitglieder der provisorischen Regierung, die unter dem Druck der Zeitlage in diese Stellung gekommen, waren, glaube ich, trotz politischer Ansichten, die den meinigen entgegenliefen, treffliche Männer, aber es fehlte ihnen an Erfahrung und sie waren jener aufgeregten Zeit nicht gewachsen. Sobrero aber benutzte ihre Schwäche, um sie ganz unter seinen Einfluß zu bringen, und so gingen jene Biederleute, von ihm geleitet und ohne eigene Erfahrung, dem Abgrund entgegen, ohne dessen gewahr zu werden.

Das Fieber, das ich mir auf der Reise nach Roverbella zugezogen hatte, und die Konferenzen mit Sobrero, der unter anderm auch eine Antipathie gegen das rote Hemd an den Tag legte, indem er sagte, es sei zu leuchtend und ziehe dadurch die feindlichen Schützen an, machten mir den Aufenthalt in der schönen, patriotischen Stadt der 5 Tage unerträglich und ich begrüßte jubelnd den Tag, da ich die Hauptstadt der Lombardei verlassen durfte, um mit einer Handvoll dürftig bekleideter und schlecht bewaffneter Kämpfer nach Bergamo zu marschieren, wo ich wiederum als Organisator tätig sein sollte, ein Geschäft, das meinen natürlichen Anlagen ebensowenig entsprach, wie meinen mangelhaften theoretischen Kenntnissen vom Kriegswesen. Dabei vergegenwärtige man sich noch, daß meine Truppe, die sich zum größten Teil aus dem zurückgebliebenen Ausschuß der in Tirol kämpfenden Freiwilligenkorps zusammensetzte, durch den langen Aufenthalt in der Hauptstadt der Zucht entwöhnt war.

Unser Aufenthalt in Bergamo war sehr kurz. Ich hatte dort kaum einige Verteidigungsmaßnahmen getroffen, bemühte mich noch auf jede mögliche Weise, die braven Bewohner jener Gegenden zu den Waffen zu rufen, sandte auch Agenten in die Täler und über die Berge, um die kräftigen Gebirgsbewohner zusammenzuziehen (hauptsächlich mit Hilfe meiner unvergleichlichen Gefährten David und Camozzi, deren Auftreten hier von großer Wirkung war, wennschon schließlich ihre Mühen infolge unseres jähen Aufbruchs erfolglos blieben) – als strikter Befehl von Mailand kam, der uns dorthin zurückberief, um zu dem sich vor den Österreichern zurückziehenden piemontesischen Heere zu stoßen und an der großen Schlacht teilzunehmen, die unter den Mauern Mailands geschlagen werden sollte. Carl Albert war in der 3tägigen Schlacht von Sommacampagna und Custoza (23.–25. Juli) zwischen Mincio und Etsch besiegt worden und zog nun auf Mailand zurück, wo er sich dem Gegner nochmals zu stellen gedachte. Allein bei der Ankunft in Mailand stellte sich die Sachlage so verzweifelt heraus, daß der König die Stadt den Österreichern übergab (5. August), und, nachdem er, von der wütenden Bevölkerung in seinem Quartier angegriffen, unter Lebensgefahr die Stadt verlassen hatte, über den Ticino nach Piemont zurückkehrte.

Nun, in jedem Falle sollte also, mochten die Aussichten gut oder schlecht stehen, gekämpft werden und es war keine Zeit zu verlieren. So setzten wir uns denn eifrig in Marsch, um an der Entscheidung über das Geschick des Vaterlandes teilzunehmen. Wir zählten im ganzen etwa 3000 Mann: verschiedene Depots piemontesischer Bataillone, dazu andere, die noch in der Bildung begriffen waren, unter Führung des tapferen Gabriele Camozzi, mit zwei kleinen Geschützen, endlich die kleine Kolonne, die als italienische Legion bezeichnet und von den Veteranen von Montevideo geführt wurde. In Trecate ließen wir das Gepäck zurück, um schneller vorwärts zu kommen. Als wir uns Monza näherten, kam der Befehl, auf der rechten Flanke des Gegners zu operieren. Sofort traf ich die nötigen Maßnahmen und entsandte berittene Kundschafter, um die Bewegungen und Dispositionen der Österreicher mir zu melden. Als wir in Monza eintrafen, erreichte uns zu gleicher Zeit die Nachricht von der Kapitulation der Stadt und der Unterbrechung der Feindseligkeiten, und schon wälzten sich uns Scharen von Flüchtlingen entgegen.

Ich hatte kurze Zeit vorher das piemontesische Heer am Mincio gesehen, und meine Seele hatte in stolzer Zuversicht aufgejauchzt beim Anblick jener prächtigen jungen Mannschaft, die sich in Ungeduld verzehrte, an den Feind zu kommen. Mehrere Tage war ich mit verschiedenen Offizieren jenes Heeres zusammen, die in den Anstrengungen des Felddienstes bereits gereift waren und frohen Mutes der Schlacht entgegenblickten. Ich selbst aber hätte mit Freuden an der Seite dieser tapferen Krieger mein Leben hingegeben, wenn es mit den Feinden Italiens zum Treffen gekommen wäre. Jetzt aber hieß es, jenes Heer sei geschlagen ohne Niederlagen, sei verhungert inmitten der reichen Lombardei, mit Piemont und Ligurien hinter sich, es sei ohne Kriegsbedarf gewesen, während Turin, Mailand, Alessandria und Genua völlig intakt und ein ganzes Volk zu jedem ihm zugemuteten Opfer freudig bereit war. Wie dem sei, Italien fiel, zerstückelt, wieder in die Knechtschaft zurück, und keine Hand war da, um seine Kräfte zusammenzufassen und auf die Feinde und Verräter zu werfen, denen sie, vereint und gut geführt, gewachsen gewesen wären. Waffenstillstand, Kapitulation, Flucht waren Botschaften, die uns eine nach der anderen wie Blitze aus heiterem Himmel trafen, und mit ihnen schlich sich die Furcht und die Demoralisation in die Bevölkerung, in die Reihen der Unseren wie allerorten. Einige Feiglinge, die sich unglücklicherweise bei meiner Mannschaft befanden, warfen ihre Flinten schon auf dem Marktplatz von Monza fort und begannen nach allen Richtungen hin zu flüchten; die Braven, erzürnt und empört über solche Schande, richteten ihre Gewehre auf jene, um sie niederzuschießen, doch konnten ich und die Offiziere sie glücklicherweise am Blutvergießen hindern und einer vollständigen Auflösung aller Ordnung vorbeugen. Doch wurden einige der Fliehenden gezüchtigt, andere degradiert und ausgestoßen.

Diese Wendung der Dinge bewog mich, den Schauplatz des Unglücks zu verlassen und mich nach Como zu wenden, in der Absicht, mich in jenen Alpengegenden zu halten und das Ergebnis der Dinge abzuwarten, und entschlossen, wenn nichts anderes möglich sei, den kleinen Krieg zu organisieren.

Auf dem Wege von Monza nach Como stellte sich Mazzini mit seiner Devise »Gott und das Volk" bei uns ein und folgte uns bis Como. Von dort ging er nach der Schweiz, während ich mich zum Feldzuge in den Corner Bergen rüstete. Ihn begleiteten viele seiner wirklichen oder angeblichen Anhänger, um ihm in die Fremde zu folgen, was dann natürlich auf manche unter den Meinigen einwirkte, so daß sie uns verließen und unsere Reihen sich lichteten. In Mailand hatte ich einen Fehler begangen, den Mazzini mir nie verziehen hat: nämlich ihm bemerklich zu machen, daß es nicht wohlgetan sei, ein Anzahl junger Leute mit dem Versprechen hinzuhalten, einstmals die Republik auszurufen, während die reguläre Armee und Freiwillige gegen die Österreicher im Felde ständen.

Bei unserer Ankunft in Como fanden wir weniger Unordnung vor, obschon der Schreck über das Mißgeschick Mailands und der Armee nicht gering war.


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