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3. Kapitel.
In Como, Sesto Calende und Castelletto

In Como wurden wir von jener braven Bevölkerung, die schon vorher ihre Sympathie für uns an den Tag gelegt hatte, freundlich empfangen; man hatte hier schon bei unserem ersten Aufbruch aus Mailand den Wunsch geäußert, wir möchten nach keinem anderen Ort als Como dirigiert werden, um uns zu organisieren. Auch der Magistrat nahm uns freundlich auf und versah uns mit allem, was in seiner Macht stand, besonders mit Kleidungsstücken, woran es meinen Leuten sehr fehlte. Andererseits lag es nicht in der Absicht der Obrigkeit, daß die Stadt in Verteidigungszustand gesetzt würde, um gegen die Österreicher gehalten werden zu können, und in der Tat würde Como vieler Außenwerke und zahlreicher Mannschaft bedürfen, um sich gegen einen überlegenen Feind zu halten. Die Stadt liegt im Tal, am Ufer des Sees, und viele Höhen ringsum beherrschen sie. Am zweiten Tag nach unserer Ankunft erschien in Como General Zucchi Zucchi, einer der Anführer im Feldzuge von 1831. Er hatte 1831 die Aufständischen befehligt, war damals aber bei Rimini von den Österreichern besiegt worden. zu Wagen, um nach der Schweiz weiterzufahren. Als die Bevölkerung von seiner Ankunft hörte und erfuhr, daß er Italien im Stich lassen wollte, ergrimmte sie, stürzte zu dem Gasthof, in dem er abgestiegen war, und bekundete die Absicht, ihn herauszuziehen und zu lynchen. Glücklicherweise wurde ich rechtzeitig benachrichtigt, eilte herbei, und es gelang mir, das Volk zu beruhigen, indem ich es auf das Alter und die Verdienste hinwies, die sich der greise General früher erworben hatte. – Am Abend des nämlichen Tages verließen wir Como und lagerten uns nach kurzem Marsch östlich von der Stadt, an der Straße nach San Fermo.

In Como desertierten viele der Unsrigen, um sich nach der nahen Schweiz in Sicherheit zu bringen; andere blieben lediglich aus Scheu vor jener braven, stets für die Sache des Vaterlandes begeisterten Bevölkerung, warteten aber ab, bis sie die Stadt verlassen hätten, um dann die Reihen der Wackeren zu verlassen, die sich anschickten, den äußersten Zipfel italienischer Erde zu verteidigen. So griff in der ersten Nacht, als wir draußen unter freiem Himmel lagerten, die Desertion um sich, und am Morgen erblickte man Haufen weggeworfener Gewehre in den Feldern. Ich verschweige diese unsere Schande nicht, so schmerzlich mich das Andenken daran auch berührt, damit meine Landsleute an den Ereignissen der Vergangenheit sich ein abschreckendes Beispiel nehmen, nicht so leichtherzig ihr herrliches Vaterland dem habgierigen Fremden preiszugeben. Zur Steuer der Wahrheit muß ich allerdings eingestehen, daß meine Soldaten, insbesondere ein Bataillon Vicentiner, großenteils nur leinene Anzüge trugen und ohne Mäntel waren – trotz der Freigiebigkeit der Bewohner von Como, die an uns getan hatten, was nur in ihren Kräften stand. Die königlichen Kommissare andererseits, die in Mailand das rote Hemd in Sicht des Feindes für zu leuchtend erachteten, kümmerten sich gleichwohl nicht darum, uns auch nur einen einzigen Mantel zu liefern: so wollte es nun einmal das Geschick meiner Freiwilligen! Dazu mehrte dann natürlich die Nähe der Schweiz die Lust zur Desertion: kurz, die Mehrzahl zog es vor, von ihren glorreichen Taten in den Cafés und Gasthöfen von Lugano zu prahlen, statt in den Entbehrungen und Gefahren des Lagerlebens auszuharren.

Wenige Tage noch irrten wir durch jene Berge, indem wir die weggeworfenen Waffen der Deserteure sammelten und auf requirierten Wagen mit uns führten. Aber dieser lästige Troß mehrte sich von Tag zu Tag, und wir glichen mehr einer Karawane von Beduinen als einer für ihr Vaterland streitenden Truppe. So entschloß ich mich endlich, die Lombardei fürs erste zu verlassen und mich ins Piemontesische zu wenden. Wir marschierten über Varese nach Sesto Calende, wo wir den Ticino überschritten, während bereits ein österreichisches Korps uns auf den Fersen war.

In Castelletto, am rechten Ufer des Ticino, beschloß ich, standzuhalten und befragte die Behörden jenes kleinen, aber trefflich gesinnten Ortes, ob sie sich, im Falle wir angegriffen würden, mit uns zur Wehr setzen wollten. Alles stimmte gern zu, die städtischen Behörden und die Bevölkerung selbst, und so wurde an den geeigneten Punkten mit der Errichtung von Schanzen begonnen, die sicherlich ihren Zweck erfüllt hätten, denn der Ort war leicht in Verteidigungszustand zu setzen. Auch hob sich der Geist der Truppe wieder. Hauptmann Ramorino, den ich auf das andere Ufer des Flusses gesandt, wo sich Feinde gezeigt hatten, hatte einen vorgeschobenen feindlichen Posten auseinandergejagt, mehrere verwundet und als Trophäen einige Lanzen und andere Abzeichen der Reiterei in unser Lager zurückgebracht. So verbrachten wir in Castelletto mehrere Tage. Der Feind zeigte mir dann den Abschluß eines Waffenstillstandes an, den ich respektierte, ohne mich aber auf den Vorschlag gegenseitiger Besuche im Lager einzulassen. Es war der Waffenstillstand Salasco Der am 9. August abgeschlossene Waffenstillstand heißt in der Geschichte der des Salasco, nach dem Namen des piemontesischen Generalstabschefs, der das Aktenstück unterzeichnete. und wir waren alle über seine entwürdigenden Bestimmungen erbittert. Er drückte das Siegel auf die Knechtschaft der armen Lombardei und wir, die wir gekommen waren, ihr zu helfen, von jenem unglücklichen Volke jubelnd begrüßt, hatten nicht einmal den Säbel für sie ziehen können. Es war, um vor Schande ins Grab zu sinken!


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