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Stand, sah um sich, hob das Rad auf die Schulter, sprach: »Bereit.«

Zögerte doch. Lauschte dem Tackeschritt über seinem Kopf, dachte. Lauschte: es ging und ging jener, der Vater, Wege des Denkens, Wege der Liebe vielleicht. Und in staubige Kelleröde, mattmüdes Herz stellte der tackende Schritt dies Gesicht: blaß, Sorgenfalten, Augen, tief, voller Liebe; Augen wie Strom und Feld, Augen wie Welt ...

»Liebe wohl, die nicht trifft, die vorbeischießt: Liebe doch ...«

Schien da unmöglich zu gehen ohne ein Wort diesem Liebenden, setzte es nieder wieder, das Rad, tastete wie träumend sich aufwärts, und stumm murmelnd formten die Lippen schon den Brief, der erklärte.

Saß, grübelte, setzte an, schrieb ...

Hand sank ihm doch wieder fort: »Nein, keine Erklärung. Nur von der Liebe zu sprechen, von Leiden, von Abschied ...«

Nun schrieb er hastend, und der Geruch der Weite war's, diese sommers gerochenen Nadelholzdüfte, Wandeln der Straße ins Horizont, das doch über all dies erhöht stand. Nichts zu erklären, kein Mittel zu bessern, keine Einkehr zur Ruhe als dies.

Und da er den Brief verschloß, sprach Pflicht auch von jener Gekränkten, Ilse, und wieder schrieb er und schrieb ...

Schrieb ... schrieb ..., bis die Tür aufging ... und der Umfahrende ihn sah: Arne!

Schrie: »Geh! Geh! Laß mich in Ruhe nur jetzt ...!«

Stand am Fenster, hastig atmend, und das Gesicht bedrängt von Angst; doch, Arne, weich, beschwörend, trat näher, sprach vieles, Worte nur, Kai haschte kaum Sinn: »Sterben unmöglich, unnütz ... alles verzeihlich ... meine Mutter weiß nun ... sie sitzt unten bei deinen Eltern ... bereitet vor ...«

Da schrie Kai!

Und sein Schrei war's, der die Glieder ihm weckte. Brach an jenem vorbei, riß die obere Tür, die nie benützte, sich auf, stand an der Treppe, hörte hinter sich Ruf: »Herr Staatsrat! Herr Staatsrat!«

Sprang abwärts: Freiheit! Straße nur! – bog ums Geländer –.

Da stand der Vater, breitend die Arme, hob das Gesicht zu ihm auf und wortlos die Augen auf ihn – stand, Arme gebreitet, wortlos die Augen auf ihn –.

»Vorbei!« schrie es. »Kraft ...«

Aber er konnte nicht, stürzte hin, Weinen brach aus ihm, ein endloser Fluß; lag verkrümmt; Menschen; ward gehoben; hörte den Mutterschrei: »Nehmt ihm doch nur den Revolver! Den Revolver!«

Da fraß ihn Bitterkeit vom Scheitel zur Zehe: Haß. Lachen. Gemeinheit. Fremdtum dieser. (»Revolver! Revolver!«)

Und fühlte in diesem Schrei: nichts sei zu Ende, alles wie je: Liebe, Haß, Einsamkeit, Qual; alles neu zu beginnen ...

Und weinte. Und weinte.


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