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78

»Könnte ich schlafen!«

Hob aus den Kissen den Kopf, lauschte: Schritt schien zu sein noch draußen, tastender. Stimmen? Nein, nichts, nur Raschelgeräusch von Mäusen oder ein Stuhl knackte, ein Tisch ...

Sank zurück, ging wieder alten Weg: Rettung – Arne – Verrat – Brief – Schirmer –.

»Am Ende ist's gleich, warum Arne verneinte: ich bin gerettet!«

Strich ein Streichholz: kaum weiter die Zeiger.

»War es erst Morgen. Ich bin ja gerettet, nur die Nacht noch ist schlecht ...«

Ruhte sich ein, – doch ein Ratloses schien die Glieder zu durchlaufen, so zuckten sie in den Laken. Brannten die Schläfen, riß Eis Risse am Fuß, erstarrte die Finger.

»Ein Ende ...!«

Tastete sich hoch, lief im Dunkel. Lauschte zum Bruder, nebenan in der Stube. Zu ihm: »Kurt ...?«

»... was ... was ist ...? Schlafen ...«

Stille. Rastatem. Ruhe.

Lesen? Licht brannte. Seite glitt um. – »Und Arne?« – Ertappte sich, stellte den Band zurück, ordnete ...

»Ein Ende ...!«

Riß das Tagebuch aus der Lade, schrieb: »Endlich gerettet. Beruhigung bringt auch jenen morgiger Tag ohne Briefe ...«

Wußte: es war so! Schrieb nicht mehr. Blätterte. Fing Worte, hie und da: »Habe ich sie einmal geliebt? Nie ...?«

Am Fenster. Kaum sah er die Büsche des Platzes. Nässe troff. Die Schuppen standen, körperlos. Wollte weinen, zwang sich, ein Tuch –: konnte es nicht ...

»Ein Ende ...!«

Und stand heiß, flammend vor dem Gedanken ... Fluchteilig hob er den Fuß, doch verharrte ... Sann tief, anderes. Rückgekehrt sah er ihn lockend wie vorher; wurde schwer plötzlich, taumelig, griff zum Sesselrand.

»Ich tue es!«

»Nein!«

»Sonst nimmt Nacht nie Ende.«

»Nein, darfst nicht ...«

»Tue es ...«

Dachte: »Komödie, das!« – stürzte zum Spiegel, wollte letzten Glanz dessen im Antlitz fangen: nichts! Sah einen Grämlichen nur, mit hohlen Wangen, die Augen umschattet –: wie sonst!

Zwang sich ins Bett. Wieder hinaus glitt er. Türhebel in der Hand. Lauschend. Frostbebend überschlich er den Vorplatz.

»Kammertür knarrt nicht, weiß ich. Klinke nur knackt.«

Stand drinnen, so bekannter Duft wie in tausend Träumen gerochen, Atemlied auch wie damals. Und nun: »Näher, Kai!«

Hörte sich selbst nicht. Ahnte das Bett. Näher noch. Atem jener strich hastiger, schien es? – »Unmöglich, nicht wahr? Ich kam so leise ...«

Näher! – Ist Nacht noch zu lang? – Geschwelle war dort, streckte die Hand – und fühlte sie ergriffen, sich hingerissen! Jubellaut: »Hab ich dich, Kai!«

In die Kissen gezerrt. Ertrank in der Laue. Fleisch. Tuch um sich, das stürmender Griff knirschend zerriß. Gegirre. Fleisch an Fleisch und Widerstreben so sehr und leises Flehen, daß die Eltern nichts hören ... Aufbäumen dann, da Hand dorthin tastet ...

Schmeichelworte. Koserei. Zärtelreden. »Lieber Kai, du! Endlich, Liebster!«

Rot kreiste sein Hirn. In den Augen tanzten farbige Flecken. Wand Arm kämpfend um Arm. Stemmte Leib ab. Keuchte, halb frei, liegend am Boden halb, schon bezwungen in Kissen, hingegeben ...

Als ihm der Gedanke kam, dies zu genießen mit Willen, an die stürmenden Brüste zu sinken, es kennenzulernen, endlich auch Letztes mit Bewegung und Stellung zu wissen. Schmeichelte wider, glitt zwischen Kissen zurück, senkte Mund auf Mund, halb ekelnd doch, da Atem jener schmeckte; kämpfte das nieder, willig, und – Seufzer! – fand – – – fand ...

war beinahe Verströmen ... beinahe eingegossen in sie ... fast schon Besiegter ... und ferne das kleine schuljüngische Gehabe mit Briefen und kußfremden Mädchen ... fast, beinahe ... fast ...

Als es ihn aufriß! Hochzuckte! Ganz steil werden ließ! Worte nicht achtend, zur Tür. Taumelnd – Mondstrich auf der Diele. – Locken, Lockruf, süßer. Haar über seine Hand geschmiegt. Doch weg!

Treppab, tiefer, kellerwärts. Zurück noch einmal! Licht! (»Hatte jene nun oben verzichtet?«) Flackerschein – kennst du die Stube?

»Dort im Winkel lag Hans. Nun aus dem andern dein Rad! Rüste es nur zur Fahrt! Zum Kieferngekuschel, das ist dein Ende, du weißt es, hast es von je gewußt. So wird es gut, nicht anders. – Die Pneumatiks, pumpe sie auf. Sieh gut alles nach ...«

   

»Du hast keinen Revolver? Wozu denn? Zu laut! Dort die Wäscheleine ... mach ein Paket! An die Lenkstange damit! Und nun ...«

   

»Warum weinst du? Dein junges Leben? Sentimentaler! Stets hast du dies gewußt. Wozu noch dich wehren?«

   

»Immer! Hocke dich in den Winkel. Weine nur ..., morgen ist Ende und die ersehnte Ruhe da.«

   

»Du denkst an Hans, deinen Hasen? Auch er starb, siehst du. Das ist leicht, vergißt sich so schnell ... ganz leicht ...«


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