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»Lehne dich gegen mich, Wind, blase nur zu! Und du, Regen, schlag deine langen und feuchten Schnüre mir ins Gesicht, überspül meine Hände, durchnässe die Kleider, füll die Schuh, du hältst mich nicht, – ich finde sie doch!

Hab ich schon verschlafen, habe ich auch den Zug versäumt, wandre ich hier immer allein in Regen und Wind ihren, nur geahnten, Spuren nach – am Ende, irgendeine Wegbiegung, ein sich teilendes Gebüsch, der weichende Stamm eines Ahorn, im Regen wie Lack glänzend, – irgend etwas über ein kleines wird sie mir zeigen; ich werde nicht umsonst allein gewesen sein!«

Auf der Hügelkuppe verharrend, sah er fort zur verwaschenen Spur der Landstraße, die in dampfigen Schleiern mündete; herbstgepflügte Äcker, von Schneewasser durchlaugte und vergilbte Wiesen hoben und senkten sich dem Horizont zu; Wasserlachen glänzten auf; in den Winkeln der Böschungen lagen stumpf tauig zerfressene Schneehaufen; und dies alles und selbst das Surren der Telegraphendrähte war weichgemacht von der Ahnung des Kommenden.

Weitergehend: »Es ist ja wieder einmal nicht wahr, was die Pauker moralisieren! Jeder Eindruck bliebe, grübe sich ein, zöge Folgen auf Folgen? Was war gestern, noch heut nacht? Nein, nicht daran denken; jeder ist einmal ein wenig verdreht: heute bin ich ein andrer, mit dem neuen Morgen ist die alte Hoffnung wieder da, und gibt es auch Zuspätkommen, Verfehlen, Regen, Wind – bin ich denn nicht froh, liebe ich nicht das Leben?«

Die Arme gebreitet, ganz hingegeben, während der weichere Wind in die Lungen drang: »Du bist da! Ich finde dich. Alles gut.«

Und vorwärts wandernd ließ er neben sich die gestalteten Wünsche, erfüllten Hoffnungen gehen. Seine Hände, erfroren, blaurot, schienen sich zu füllen von einem Übermaß an Geschenken.

»Nein, nicht arm! Niemals arm!«

Dann, während er den erhobenen Blick gleiten ließ in das Aufgebreitete der samenwartenden Felder, in die endlosen Dehnungen und Dünungen der lehmigen Äcker, sah er ohne Erstaunen, als die selbstverständliche Einlösung eines Versprechens, auf den Wiesen neben den Weiden die kleinen schwärzlichen Punkte Wandernder und wußte: »Da bist du ja! Siehst du, nun habe ich dich doch!«


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