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17

Denn draußen erstaunte er. Nach Staub und entmutigender Trostlosigkeit war hier Sonne über einem weiten Platz. Das sich in Schneewasserpfützen spiegelnde Himmelsblau verlockte zu tieferem Atmen und weitem Marsch.

»Was war ich dumm! Können sie mir etwas tun? Dies allein bleibt.«

Er schob die Mütze aus der Stirn. »Welche Tragik! Um zwei Stunden Karzer! Die Eltern müssen verstehen, wie das nicht zählt. Freilich ...«

Er schwankte. Dann, Ilses Wohnung zugehend: »Jetzt noch nicht nach Haus. Zu spät bin ich sowieso. Vielleicht treffe ich sie.«

Er sah die Straße hinab. »Noch nichts. – Ich werde ihr entgegengehen.«

Zwei Hunde liefen umeinander. Die Füße im Schnee, sah er ihnen zu. »Es heißt nur darüber stehen. Lächeln können, humoristisch-überlegen sein. – Was beriechen sie sich so? Tun das alle? Warum? Was suchen sie? – Ekelhaft! Aber ...«

Er meinte einen Blick zu fühlen und ging zusammenfahrend rasch weiter. »Schäme ich mich, weil ich den Hunden zusah? Die Menschen ... nein, nein, jetzt nicht.«

Seine Stimmung verfinsterte sich. »Auch Ilse kommt nicht. Noch warte ich zehn Minuten.«

Er stand mit der Uhr in der Hand. »Warum sehen mich alle an? Wieder bekomme ich Angst. Der Mut, den mein Verstand befiehlt, ist nicht in meinem Herzen Was stehe ich hier? Auch bei ihr werd ich mich fürchten. Und nichts sagen können. – Nach Haus?«

Heimgehend sah er über seine Schulter, blieb stehen. »Dort ist sie! – Nein –: nicht, aber ich werde noch zehn Minuten warten.«

Auf das Zifferblatt starrend: »Schon vierzig Minuten Verspätung. Wie wird Mama schelten. Dann Karzer, dann der Hase. Wenn wenigstens Ilse käme! Ich würde sagen: Ihretwegen tat ich's. Dann hätt ich Mut. Sie allein kann helfen.«

Kai erschrak. »Dort ist sie! Allein!«

Versteckt hinter Wagen beschwor er: »Ilse! – Sie sieht mich nicht. Nein, ich weiß nichts zu sagen.«

Er folgte ihr, nah vor ihm schlug der blaugraue Stoff ihres Kostüms Falten. An ihrer braunen Pelzmütze war ein weißer Streif. »Vielleicht sieht sie sich um.«

Ein Mann stieß ihn an, die Mappe entglitt Kai. Sich bückend, dunkelrot: »Wenn sie mich jetzt sähe.«

Die Haustür fiel hinter ihr zu. Von der andern Straßenseite überflog er die Fenster. »Nun ist sie oben. Vielleicht sieht sie heraus. Nichts. Nichts. Ach, warum sprach ich sie nicht an! Verbogen ihr nachschleichend, sehnte ich mich, sie sprechen zu dürfen und – schwieg. Nun wieder stehe ich vor ihren Fenstern. Plötzlich mutig geworden, erträume ich Kombinationen, in denen sie mich liebt, der ich Gelegenheit hatte, ihr alles zu sagen. – Sie kommt nicht. Worauf warte ich noch? Warum ging ich ihr entgegen?«

Auf einem Eisstreifen gleitend, fallend wußte er: »Ich hatte Angst vor den Eltern! Das war alles. Wer versteckte mich vor mir?«

Er klopfte sich den Schnee ab. »Und nun gehe ich nach Haus. – Es hilft ja doch nichts.«


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