Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Dritter Teil. Meisterjahre
Max Eyth

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107.

Cannstatt, den 22. Juni 1896.

Meine letzte Ausstellung ist vorüber; Gott sei's geklagt; Gott sei's gedankt!

Wo viel Licht ist, ist viel Schatten; und nach strömendem Regen kommt manchmal auch die Sonne wieder zum Vorschein. Es ist gut, daß mir diese Strohwahrheiten bis zuletzt fleißig eingetränkt wurden. Ich war in Gefahr, sie zu vergessen.

In Schauern von Regen, die der Wind über die triefende Ausstellung fegte, begann die Eröffnungsfeier. Das Zeltdach, das den königlichen Hof und unsre fürstlichen Gäste notdürftig schützte, bildete wohlgefüllte Mulden, die der Sturm stoßweise entleerte, so daß Tonnen Wassers vor der Nase der Festredner herabstürzten. Mein »Furchtlos und treu«, mit dem ich diesmal den Dank an die württembergischen Städte schloß, die uns »so gastlich beherbergten«, wurde auf eine harte Probe gestellt. Aber alles hielt heldenmütig stand, und der Glanzpunkt des Tages war zweifellos der Augenblick, in welchem bei dem Umgang, auf den die mutige Königin nicht verzichten wollte, Ihre Majestät einen Schuh verlor. Bei solchen Katastrophen zeigt es sich, aus welchem Metall der Mann gemacht ist, und ich glaube, wir alle haben sie nicht schlecht bestanden.

Am zweiten und dritten Tag besserte sich das Wetter stetig, trotzdem bot der Platz den Volksmassen, die ihn jetzt überschwemmten, Stellen, in welchen ein Nilpferd hätte versinken können. Trotzdem gingen die Schauarbeiten, das Richten, die Prüfungen und dergleichen ihren gewohnten Gang, und allmählich wurde alles um uns her trockener und fröhlicher. Dann kam am Sonntag nachmittag, während Tausende und Tausende heranströmten, ein Eisenbahnunfall, der den Platz während der besten Stunden des Tags von Stuttgart abschnitt. Auch das half mit, daß die Bäume nicht in den Himmel wuchsen. Ich selbst hatte das Gefühl, es wäre kaum nötig gewesen, noch weiter hierfür zu sorgen. Der letzte Tag endlich brach mit einem strahlenden Sonnenaufgang über uns herein.

Nun ist's vorbei, und ein heißes, sonniges, glänzendes Ende ist es gewesen, trotz allem Vorangehenden. Sicher ist auch, daß ich die letzten vierzehn Jahre meines Lebens nicht verloren habe. Nicht weil mir diese letzte Ausstellung drei weitere Orden gebracht und gar das »von« angehängt hat. Ich werde mich diesmal wohl hüten, in freudigem Schreck den Pegasus zu besteigen, wie ich es leichtfertigerweise bei der Geburt des Geheimen Hofrats getan habe. Mittlerweile habe ich doch gelernt, Form und Inhalt etwas richtiger nach ihrem Wert einzuschätzen. Auch in diesen Dingen ist ein Gehalt, wenn man selbst dafür gesorgt hat, daß er darin liegt. Dann kann man auch die Form in herzlicher Dankbarkeit gelten lassen. – Das ist es übrigens nicht, was mich beruhigt und erfreut. Nach und nach wird es immer klarer, was diese Ausstellungen, wie sie sich nunmehr gestaltet haben und zur bleibenden Einrichtung geworden sind, der deutschen Landwirtschaft nutzen. Doch keine Abhandlungen! Sie gehören nicht in unsre Briefe und werden von andern geschrieben werden. Heute genügt das Gefühl, daß ein Werk gelungen ist, das der boshafteste Regen nicht zugrunde richten konnte, und das nicht von heute auf morgen spurlos vergehen wird.

Einen ganz besonders hübschen Schluß gab der König den diesmaligen Ausstellungsarbeiten der D. L. G. mit einem Frühstück in der »Wilhelma«, zu dem weit über hundert unsrer leitenden Mitarbeiter geladen waren. Der sonnige Nachmittag – solche Frühstücke genießt man nachmittags –, die reizende Umgebung, der ungezwungene Verkehr, die gewinnende Liebenswürdigkeit des königlichen Wirtes von Württemberg bezauberte besonders unsre norddeutschen Freunde, daß es den süddeutschen bis in die innerste Seele wohltat. Das Vieh ist ja ein hochwichtiges Element im Leben des Volks, und wir können stolz darauf sein, die Simmentaler und die Ostfriesen zusammengeführt zu haben, aber auch der Mensch hat seine Bedeutung, und die D. L. G. hat mitgeholfen, Süd und Nord unsers Vaterlands einander näherzubringen.

Morgen machen Poggendorff und ich unsern üblichen Ausstellungsabschiedsbummel und zwar auf den Hohenzollern. Manchmal hat doch auch der Zufall einen hübschen Gedanken. Ich freue mich, und mein norddeutscher Freund mit mir, daß mit diesem Tage das bunte Treiben, das das Werk der D. L. G. in alle Teile des Vaterlands getragen hat, hier in Schwaben, fast im Schatten des Hohenstaufen und auf dem Gipfel des Hohenzollern, für mich seinen Abschluß findet. Sie mögen lachen über das Ländchen; ich lache oft genug selbst mit; aber du bist und bleibst meine Heimat, und die Heimat von Helden hundertmal größer als deine heutigen Söhne – Schwaben, grüne Kaiserwiege! –


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