Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Dritter Teil. Meisterjahre
Max Eyth

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14.

Bonn, den 8. Juni 1883.

Der Besuch in Sigmaringen beim Fürsten Anton von Hohenzollern mit allem, was dran hing, hat mir gut getan. Zwar ist kaum zu leugnen, wenn ich sein Ergebnis abzuwägen versuche, daß ich es mit Imponderabilien zu tun habe. Doch ist es schon vorgekommen, daß Imponderabilien schwerer ins Gewicht fielen als die wuchtigsten Zentnermassen. Schlau war, daß ich auf Onkel Steudels Rat, dem ich die Einladung verdankte, eine Auswahl meiner syrischen und ägyptischen Skizzen mitgenommen hatte. Der Fürst sah sie mit sichtlichem Vergnügen durch und lächelte zum Schluß mit der Miene eines wohlwollenden Kalifen, der schmunzelnd bemerkt: »Allah ist groß, o Derwisch, auch in den Schwachen! Du hast mir eine kleine Freude bereitet, bitte dir eine Gnade aus!«

Das wenigstens las ich im Lächeln des liebenswürdigen Fürsten, machte mich unverzüglich daran, zu gehorchen und brachte das Gespräch wieder auf meine Reichsvereinspläne. Schon tags zuvor hatte der hochintelligente alte Herr, der seine Pappenheimer kennt, ungläubig gelächelt. Auch jetzt lächelte er wieder, schon etwas gläubiger, und das Ende vom Lied war, daß er versprach, Mitglied des Reichsvereins zu werden, sobald derselbe ins Leben treten sollte.

Das also wäre der zweite weiße Rabe. Ein Hohenzollern. Du siehst, ich verliere die Zeit nicht damit, kleine Vögelchen zu fangen.

Alle andern aber vertrösten mich auf Hamburg. Dort werde ich die Blüte der landwirtschaftlichen Ritterschaft beisammen finden. Dort müsse der erste Schlag fallen und sich zeigen, welcher Wirkung er fähig sei.

Ich rechne nicht auf allzuviel und will mich aus dieser Stimmung nicht hinausphantasieren lassen. Das ganze Bild dieser Ausstellung zeigt die Trostlosigkeit der Lage allzu deutlich. Es sind in Deutschland im Lauf des Jahrhunderts vier landwirtschaftliche Ausstellungen abgehalten worden, die sich mit den alljährlichen Schauen der englischen Gesellschaft vergleichen lassen. Drei derselben wie auch die kommende in Hamburg, wurden nicht von Landwirten, sondern von unternehmenden Kaufleuten veranstaltet. An der vierten, zu Dresden, ging die kurzatmige Deutsche Ackerbaugesellschaft zugrunde. Kaufleute müssen eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Landwirtschaft in die Hand nehmen, wenn es ihnen paßt. Hat das Sinn? Oder ist der Sinn, den es hat, nicht tief entmutigend? Sie trösten sich damit, sich einzureden, derartige Ausstellungen haben keine große Bedeutung. Sie haben keine, wenn sie von Kaufleuten geleitet werden, bei denen die Landwirte zu Gast sind. Sie haben eine gewaltige, wenn sie, wie in England, von Landwirten benutzt werden, nicht der Schaulust, sondern dem Ernst der Arbeit zu dienen. Das habe ich, auch ohne Landwirt zu sein, zwanzig Jahre lang gesehen und miterlebt. Werden sie mir mit der Zeit glauben? Nicht in Hamburg, wo wir vermutlich die übliche Verwirrung und Ziellosigkeit anstaunen werden. Denn große Ausstellungen ausbauen und ordnen, so daß sie etwas nutzen, lernt man nicht über Nacht.

Dazu erhalte ich soeben eine Nachricht, die mir nur halb gefällt. Die Herdbuchgesellschaft hat eine Eingabe an die preußische Regierung gemacht, in der sie um eine jährliche Unterstützung von 100 000 Mark bittet. Sie wolle dann eine allgemeine deutsche oder (nach Wunsch) preußische Gesellschaft werden, große Ausstellungen veranstalten, ideale Herdbücher drucken lassen und das landwirtschaftliche Millennium einleiten. Mit 100 000 Mark in Sicht löst man sich nicht auf. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß die Auflösung in Hamburg nicht erfolgt. Dann aber kann und will ich nicht vorgehen, wenn ich auch überzeugt bin, daß aus diesem Hexenkessel persönlich gewordener Rindviehstreitereien nie etwas Gutes hervorgehen kann. Dagegen wäre es ebenso aussichtslos, neben einem derartigen halb staatlichen Unternehmen einen zweiten Versuch ins Werk zu setzen. Sie würden sich beide im Wege sein und sterben würden beide, die staatliche an langsamem Siechtum, die freie an akuter Blutenziehung. Soweit kenne ich jetzt Leute und Verhältnisse auch.

Um so besser, meinst Du, l. V., in dem Gedanken, daß es jetzt mehr als genug sei. Die Anregung habe ich gegeben, die Landwirte, welche die Sache angehe, mögen nun damit machen, was ihnen gut dünke. Das ist nun allerdings nicht meine Auffassung. Mit Anregen ist nichts geschehen in der Welt. Niemand sollte etwas anregen, der nicht entschlossen ist, es durchzuführen. Es wimmelt von Anregungen, und es wimmelt von Menschen, die sich nach allen Seiten hin diesem müßigen Vergnügen hingeben. Man sollte sie ohne viel Federlesens aus der Welt schaffen. Sie versperren brauchbaren Leuten den Weg und verderben ihnen mit ihrem Geschwätz die Freude am Schaffen. Anregen ist geschäftiger Müßiggang, dem ich vorläufig noch nicht verfallen möchte.

Aber nochmals, um so besser! Wenn wirklich kein Boden und keine Menschen für eine unabhängige, arbeitstüchtige Gesellschaft, ähnlich der R.A.S., bei uns vorhanden wären, was sie ja alle fast einstimmig versichern, so ist mir eine gewaltige Masse Arbeit und Ärger erspart, die ich so deutlich vor mir sehe als mein Tintenfaß, und ich kann hingehen, wie Du mir rätst, und Novellen schreiben. An Tinte und Papier – auch das sehe ich – fehlt es im Lande nicht.

Und gelegentlich gibt es offenbar auch noch einiges andre zu tun. Die internationale Ausstellung zu Amsterdam ersucht mich, als Preisrichter für landwirtschaftliche Maschinen nach Holland zu kommen. Angenommen, aus Neugier für Holland. Der landwirtschaftliche Zentralverein für Brandenburg bittet mich, als Preisrichter an einer großen Lokomobilprüfung in Berlin teilzunehmen. Angenommen, aus Liebe zur Sache und um den Berlinern näher zu rücken. Für die Hauptversammlung des Deutschen Ingenieurvereins zu Dortmund habe ich einen Vortrag angesagt: »Über die Entwicklung des landwirtschaftlichen Maschinenwesens und den Einfluß der Ausstellungen auf dasselbe«, teils um auch dort für meine Sache ein wenig Lärm zu schlagen, teils um bei meinen alten Berufsgenossen die Meinung nicht vor der Zeit aufkommen zu lassen, daß ich ganz verbaure.

Ihr seht, ich bewege mich noch, auch ohne mit einem Drahtseil übers Feld gezogen zu werden, wie es in den Leedser Tagen der Fall war.


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