Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Dritter Teil. Meisterjahre
Max Eyth

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53.

Berlin, den 6. Februar 1887.

Gestern traf mich ein nicht ganz unerwartetes Telegramm von nationalen Wählern eines württembergischen Bezirks mit landwirtschaftlicher Bevölkerung, ob ich eine Reichstagskandidatur annehmen würde. Der Wahlkampf in meinem eignen Innern war scharf, aber rasch beendet. Nach zwei Stunden ging ein höflich verzierter Korb an die Herren ab. Damit war die Angelegenheit, ich fürchte zu Deiner völligen Befriedigung, erledigt. Ein klein wenig hat es mich aber doch gewurmt, die Beteiligung an den größeren Aufgaben unsers nationalen Lebens ablehnen zu müssen, um in mühevoller Ungestörtheit fortfahren zu können, zunächst auf dem Papier Rinderställe abzustecken und mit Anmeldescheinen und Einlaßkarten meine Zeit zu zerreiben. Mit Pflichten streiten Pflichten. Wo liegt für mich – nicht die schönere – aber die größere, abgesehen davon, daß es mir widerstrebt, das vom Wind bewegte Rohr zu sein? Was mich schließlich entschied, war die Überzeugung, daß Reichstagsabgeordnete ohne allzu große Schwierigkeiten zu finden sind, daß aber für die erste Ausstellung der D. L. G. niemand Rinderställe ausstecken würde, wenn ich es nicht mache. J'y suis, j'y reste!

Morgen gehe ich nach Frankfurt, um Bauverträge abzuschließen. Es ist die höchste Zeit, wenn ich das süddeutsche Arbeitstempo in Rechnung ziehe. Ich hoffe, das Ganze vier Baufirmen übergeben zu können und zwischen denselben einen edeln Wettstreit anzufachen. Auch habe ich eine neue Vertragsform erfunden, die die rechtzeitige Fertigstellung der Bauten sichern sollte. Was helfen mir Konventionalstrafen von einer Million, wenn am ersten Ausstellungsmorgen die Schuppen noch zu decken sind? So bestehe ich darauf, daß gegen eine schwere Buße ein Drittel der Bauten acht Wochen, ein zweites Drittel vier Wochen und das dritte Drittel vierzehn Tage vor der Eröffnung fertig sein müssen. Das verhindert die Herren, das Ganze auf die lange Bank zu schieben. »Wir werden sie schon kriegen!« In bezug auf die Preise helfen unsre Frankfurter Freunde vom Platz- und Bauausschuß redlich nach, und die Bauleute fangen an, Vernunft anzunehmen.


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