Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Dritter Teil. Meisterjahre
Max Eyth

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54.

Soeben komme ich von einem Besuch vom Fürsten von Hohenlohe-Langenburg zurück, der sich noch immer in der liebenswürdigsten Weise, und ich glaube dankbar daran erinnert, daß er seinerzeit nicht Präsident der D. L. G. zu werden brauchte. Wir verdanken ihm die Einleitung der Bewegung in Baden, welche er durch ein Gespräch mit dem Großherzog herbeigeführt hat. Heute versuchte ich mit Erfolg, ihn wenigstens zum Präsidentenwerber zu werben. Im nächsten Jahr nämlich kommen wir mit unsrer Ausstellung zweifellos nach Schlesien. Dort hat der Herzog von Ratibor große Güter und sollte deshalb unser Präsident sein. Er ist ein naher Vetter derer von Langenburg, und so hoffe ich, über unser heimatliches Hohenlohe das Ziel zu erreichen.

Übrigens steigen wir in schwindelerregender Weise an der sozialen Leiter empor. Vorige Woche wurde unser guter König Karl Patronatsmitglied. Wir haben jetzt sechs gekrönte Häupter in der Gesellschaft, zwei Könige, drei Großherzöge und einen souveränen Herzog. Von den höchsten Spitzen des deutschen Vaterlandes fehlen uns nur noch Bayern, Mecklenburg und Weimar. An weniger spitzen Mitgliedern zählen wir heute 3700, und sie strömen noch immer heran, zwei auf den Tag, als ob sie von einer Zählmaschine bewegt würden. Ich habe mich darum kaum mehr zu kümmern; der wackere Wölbling zählt sie, und der Werbeeifer draußen im Lande nimmt eher zu als ab. Jetzt sehen sie kommende Taten und müssen mitarbeiten. Das ist das ganze Geheimnis.

Mit den Anmeldungen für Frankfurt haben die Ausstellungsschwierigkeiten die umgekehrte Form angenommen, die uns vor drei Monaten drohte. Damals fürchtete ich, wir könnten den Platz nicht anständig füllen. Eine deutsche landwirtschaftliche Schau schien allen so entfernt, so ungewohnt. Heute weiß ich nicht, wie ich für alles Platz finden soll, das herbeizuströmen droht. Vorläufig ist Raum für 900 Tiere, und 1300 sind angemeldet. Als ich vor einigen Tagen meinen treuen Freund und Mitarbeiter, H. von Nathusius, einem der wenigen, die ernsthaft Hand an den Pflug legen, fragte, was ums Himmels willen zu tun sei, war seine tröstliche Antwort: »Ich bin nur begierig, zu sehen, wie Sie aus dieser Fatalität herauskommen.«

Das ist alles sehr lustig anzusehen, aus der Ferne; aber die Wasser beginnen mir über dem Kopf zusammenzuschlagen, und ich sehe manchmal sehnsüchtig durch die nassen Haare, die mir die Augen verkleben, in eine bessere Zukunft. So ist das Leben kaum mehr menschenwürdig. Nach Frankfurt habe ich meine Aufgabe gelöst; dann mögen andre den Karren weiterschieben. Ich sprach kürzlich mit Schultz-Lupitz darüber, der über seinen parlamentarischen Wahlsieg in großem Jubel ist. Er war entsetzt; gibt aber zu, daß es so nicht fortgehen könne. »Die Sache wird ja später leichter werden,« meinte er. Um so besser für die, die nach mir kommen. Sie meinen zwar alle mit wohlwollendem Händedrücken, ich sollte schon jetzt mehr über dem Ganzen schweben. Das ist des guten Kiepert Grundgedanke und Leitmotiv. Aber es ist eine eigne Sache um das Schweben. Der Schneider von Ulm hat es auch versucht, und die Donau erzählt heute noch davon.


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