Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Dritter Teil. Meisterjahre
Max Eyth

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58.

Frankfurt a. M., den 17. April 1887.

Du fragst, ob ich denn ganz in Arbeiten von so vielbezweifeltem Nutzen versinken wolle?

Am guten Willen fehlt es mir nicht. Aber schrieb ich Dir nicht auch von meinen Abendunterhaltungen, die jetzt in vollem Gange sind. Anfänglich versuchte ich, sie teilweise auf die Nachmittage zu verlegen. Dies war jedoch nicht zu erreichen, da die andern Teilnehmer sich nicht dazu entschließen konnten, ihr Mittagsschläfchen oder ihre kostbare Arbeitszeit derartigen Lustbarkeiten zu opfern. So habe ich nunmehr in der Regel jeden zweiten Abend eine Ausschußsitzung. Da es sich hierbei um sechzehn Gruppen handelt, kommen die einzelnen Herren kaum alle vier Wochen zum Genuß einer Sitzung, ich dagegen habe das unschätzbare Vergnügen, sechzehnmal in derselben Zeit nach des Tages Last und Hitze für die allgemeine Aufklärung meiner Mitarbeiter wirken zu dürfen.

Nur in einem Punkt stieß ich auf energischen Widerstand. Der Finanzausschuß will von meinen Eintrittspreisen von drei, zwei und einer Mark an den fünf Ausstellungstagen nichts wissen. Das sei unerschwinglich hoch. Frankfurt werde sich gegen solche Überforderungen wie ein Mann erheben. Umsonst weise ich darauf hin, daß Frankfurt für ein besseres Tingeltangel nicht weniger bezahle, und daß 222 Pferde, 1047 Rinder und so weiter doch mehr wert seien als eine ausgepumpte Chansonettensängerin, auch, daß wir in fünf Tagen 100 000 Mark einnehmen oder zugrunde gehen müssen. Das sei es ja gerade, wird mir erwidert; eine Mark am ersten Tag, um den Ansturm der Besucher während des Richtens abzuhalten, und an den folgenden Tagen 50, schließlich 30 Pfennig, dann könne man auf einen Besuch rechnen. So habe man es bei der berühmten Ausstellung der Süddeutschen Ackerbaugesellschaft gehalten, sagten sie mir einstimmig. »Und welchen Überschuß haben Sie damals erzielt?« fragte ich bescheiden. Allgemeines, schmerzliches Schweigen. Endlich sprach Kohn-Speier kleinlaut: »Mich hat die Geschichte 3000 Mark gekostet.« »Und mich 5000!« ergänzte Meyer aus der Eschenheimergasse. »Wenn es nur nicht wieder so geht!« seufzte Kappel. »Sehen Sie!« rief ich zuversichtlich. »Wenn Sie gestatten, wollen wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung übergehen.«

Eine unerwartete Freude habe ich in den letzten Tagen bei der Entdeckung gehabt, daß doch nicht alle wie Ölgötzen dasitzen und neugierig darauf warten, was aus der Geschichte wird. Wirtschaftsrat Krauß aus Märzisried bei Kaufbeuren, den ich persönlich kaum kenne – er will mir seinerzeit auf der Wiener Ausstellung begegnet sein, wo er die österreichische landwirtschaftliche Abteilung aus dem Sumpf zog –, vorläufig der einzige weiße Rabe, der für uns in Bayern umherflattert, schrieb vor einiger Zeit, daß er, wenn nötig; gern bereit wäre, nach Frankfurt zu kommen und mir zu helfen. Nun kam er plötzlich, um sich selbst zu überzeugen, ob es nötig sei, und stürzte sich sofort energisch in die Aufgabe, geeignete Futtertröge für unsre Schweine zu beschaffen. Er ist sodann wieder abgereist, verspricht aber, ein bis zwei Wochen vor Eröffnung der Schau zurückzukehren und Hand anzulegen, wo es irgend fehlen sollte. Fehlen wird es an allen Enden und Ecken, wenn die Ausstellung allen andern ähnlich wird. Aber es ist mir eine große Beruhigung, daß es wenigstens einem unter Tausenden klar zu sein scheint, was man in einem solchen Fall mit dem »darüber schweben« ausrichtet.

Auch hier scheint Herr von Lichtenstein dieser Ansicht zu sein und will mir die Wasserversorgung des Platzes abnehmen. So ungern ich etwas von einiger Bedeutung aus der Hand gebe – ein Grundfehler meines habgierigen Charakters –, bin ich ihm doch im geheimen von Herzen dankbar. Das Leben weiß auch die härtesten von uns weich zu klopfen, wenn es ihm ernst wird.

Und schließlich scheint Ökonomierat Poggendorff in Berlin Lust oder Mitleid zu verspüren und will mir als Ausstellungsschatzmeister zu Hilfe eilen. Damit wäre mir ein Mühlstein vom Hals genommen. Es gibt doch noch Samariter in diesem Jammertal.


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