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Ringkämpfer im Zirkus

Weiße, gelbe, schwarze, rosige, bräunliche, rötlichviolette, alle Farben sind vertreten. Gleich einer unbeweglichen, aber lebendigen Palisade umgeben sie nach dem »Aufmarsch« den Zirkus, und diese Schaustellung von Fleisch erfüllt einen zwar nicht mit Bewunderung, wohl aber mit Staunen. Nur einige wenige sind schlank geblieben – zum Beispiel ein Holländer, grünlich und lebhaft wie eine Eidechse, und ein Deutscher von rosa-silbrig schimmernder Haut- und Haarfarbe. Die meisten sind riesenhaft, verhäßlicht durch Dickleibigkeit, durch die Fleischfülle der »Schwergewichtler«. Viele zeigen einen Fettwulst im Nacken, dazu einen gedankenlos sanftmütigen Blick.

Trotz der Roheit, die im »catch as catch can« gestattet ist, hat jeder Kampf stets nur einen tragischen Augenblick aufzuweisen: ich meine die Minute, da der Unterliegende seine Schultern nachgeben fühlt, da seine Schulterblätter sich Zoll um Zoll dem Boden nähern und schließlich die Wolle des Teppichs berühren … Fast jedes der stumpfen Gesichter mit vorstehenden Kiefern wird in diesem Augenblick durch einen Ausdruck des moralischen Schmerzes veredelt, fast jedes verrät – nicht die Tortur der Knochen und Muskeln, wohl aber den Kummer einer gedemütigten Seele.

Hohngelächter, Bravorufe und Pfiffe begrüßen den Kämpfer, auf den das Publikum gewartet zu haben schien: den chinesischen Ringer, das Ungeheuer. Ist das ein Mensch, der da, auf einem Bein hinkend, die Arena betritt und im Vorwärtsschreiten einen riesigen Kopf zwischen den Schultern wiegt, ohne Stirn, fast ohne Augen, nichts als Kieferknochen, die Nase plattgedrückt? … Ein Mensch dieses Wesen, das, ehe es die Hände nach dem Gegner ausstreckt, einen fürchterlichen Rachen aufreißt? Einen hungrigen Rachen, so denkt man voll Angst … Seinen Schlägen ist die Langsamkeit, die fürchterliche Ungeschicklichkeit riesenhafter Tiere eigen. Gelassen zermalmt er den Mann, der unter ihm liegt, und betrachtet ihn immer noch mit offenem Munde. Schließlich wird das Opfer weggezogen … Die ungeheuren Pfoten lassen sich die Beute entgleiten, strecken sich dann aber wieder nach ihr aus, wie in blutdürstigem Begehren: »Nur ein kleines Stück wollte ich fressen …«


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