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Die Hundeausstellung

Wo habe ich doch diese Hunde schon gesehen? Hier, im vorigen Jahr, um dieselbe Zeit. Ich erkenne diesen Windhund wieder, der seine Nerven nicht in der Gewalt hat und so melodisch winselt. Schon einmal habe ich diesem in sein Schicksal ergebenen Brabanter Hündchen zugenickt, dessen kugelrunder kleiner Schädel mit den Eichhörnchenaugen so viel Klugheit verrät. Die Bullterriers schnarchen wie ein Kasernenschlafsaal, und der Dobermannpintscher tut, was er kann, um die sehr französische Vornehmheit der Schäferhunde aus der Beauce nachzuahmen. Eine eben begonnene Mode hat diese letzten von ihren Herden weggeführt. Sie langweilen sich züchtig und verkreuzen ihre schönen Zehen, die hart und rötlich sind wie die Finger eines Landedelmannes. Auf Kissen, die nach Kreosot, Jodoform und Kölner Wasser riechen, liegen Wolfshunde, belgische Affenpintscher und Zwergterriers. Außerdem sind, frei und sehr zahlreich, tierliebende Damen vertreten. Sie verstehen es vortrefflich, einen Zwergterrier an einer Pfote vom Boden aufzuheben und sie ihm auszurenken, oder einem kleinen Bullie mit behandschuhtem Finger ins Auge zu fahren …

Vorige Woche ertönte in dieser von Gekläff erfüllten Luft auch Meutengebell. Tiefe, wohlgeübte Kehlen ließen Rufe der Sehnsucht hören, der Sehnsucht nach den Wäldern oder nach der ruhigen Siesta in der Hundehütte. Und da habe ich gegen die Mittagsstunde einen gut gekleideten und sorgfältig behandschuhten Herrn vor dem Gitter einer Box knien gesehen, in der sich ernste Schnauzen, schwer herabhängende melancholische Ohren und zitternde Ruten drängten. Ich näherte mich diesem eleganten Herrn, der die Bügelfalte seiner Hose so wenig schonte, und hörte, daß er nicht etwa mit der Meute sprach. Nein – mitleidig, zartfühlend und von dichterischem Instinkt erleuchtet, tröstete er die fieberhaft unruhigen Gefangenen, die armen, aus Heide und Wald Verbannten, indem er, den Mund spitzend,

Tu-tu-tu-tu, tu-tu, tu.tu … «

den Klang fern ertönender Jagdhörner nachahmte …


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