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Die eifersüchtige Hündin

»Diese Allee da? Wenn du es willst … Die andere ist schöner, grüner, feuchter und einsamer – aber du hast zu wählen. Ich folge dir.

Ich folge dir, aber ich liebe dich nicht.

Ich folge dir, weil er es befohlen hat. Ich bewache dich, weil du ihm teuer bist. Ihm gehorche ich gewissenhaft, wenn auch verzweifelt. Geh nur. Genieße den Septembermorgen, der rot und golden ist wie ein Weinbergpfirsich. Geh furchtlos in den tiefsten Wald: Deine Hüterin ist bei dir, schwarz im Schatten deines Kleides, und bereit, alles Blut ihres fanatischen Herzens zu opfern, nur um ihrem Herrn zu gehorchen.

Wie? Was willst du? Du rufst mich, damit ich die Allee mit dir überquere? Du fürchtest, ich könnte überfahren werden? Du scheinst wirklich zu glauben, daß du mich spazierenführst! Du verstehst es nicht einmal, dich meiner zu bedienen: Du drehst dich um und pfeifst mir, du rufst mich – weißt du denn nicht, daß ich immer da bin? Wenn du mich nicht mehr siehst, dann bin ich eben ganz nahe bei dir. Ich umkreise dich wie dein Schatten, wie – ach! – wie seine Gedanken …

(Paß doch auf! … Dieser Wagen hätte dich fast erwischt. Kannst du denn nicht schneller laufen?)

… Wie die Gedanken meines Herrn. Ach! Ich kann dich nicht lieben, noch den Abend vergessen, da du in sein Haus kamst. Wenn du an jenen Abend denkst, dann lächelst du, und deine Lider senken sich langsam …

An jenem ersten Abend habe ich fast gar nicht gelitten. Ich lag zu seinen Füßen und horchte auf seine Stimme. Er beugte sich über mich, während er mit dir sprach, und liebkoste ein wenig unsanft mein Ohr. Er spielte mit mir, um dir zu gefallen. Er prahlte mit meiner Schönheit, lobte meinen Verstand. Er wollte dir zeigen, wie es mich durchzuckt, wenn er nur meinen Namen ruft. Er vergewaltigte meinen Blick, der unter dem seinen goldig aufleuchtet … Ich gab dir auf seinen Befehl – nur auf seinen Befehl hin – die Pfote, und du tatest so, als bewundertest du mich, du sagtest: ›Sie ist schön‹, aber du blicktest dabei ihn an.

Aber es gab einen zweiten Abend, einen dritten … Erinnerst du dich noch an den dritten Abend? Da hatte ich begriffen, und ich kämpfte gegen dich wie gegen eine Rivalin. Erinnerst du dich noch? Ich versperrte dir die Tür, und ich heulte, starr und mit gesträubten Haaren, erfüllt von einer so weiblichen Raserei, daß du erblaßtest.

Und doch war dein Leben an jenem Abend noch nicht in Gefahr. Auch nicht an jenem Tag, da er dich im Garten rief, nur um der Freude willen, den Klang deines Namens zu hören. Jede Wiederholung deines Namens entriß mir ein Stöhnen. Ich mußte stöhnen, ich, die ich unter der Peitsche schweige! … Auch nicht an jenem andern Tag, da er nach einer Woche der Abwesenheit zurückkehrte und ich verzweifelt seine Hand leckte, die nach deinem Parfüm roch … Nein, du wirst es nie erfahren, wann ich mich auf dich stürzen, meine Zähne in deinen Hals schlagen, dich nicht mehr loslassen und hören wollte, daß dein Blut dahinströmt wie ein Bach …

(Das Gesicht des Mannes, der uns folgt, mag ich nicht. Geh voran. Ich werde ihn einen Augenblick ansehen, und er wird mich verstehen … Siehst du, das ist erledigt.)

Und nun bist du in seinem Haus. Und ich lebe noch. Mit dem Despotismus derer, die sich ganz und gar geliebt wissen, fordert er immer noch meine Fröhlichkeit, meine Kraft, meine Wachsamkeit. Er hat von mir verlangt, daß ich dich lieben soll … Ach, möge er mir verzeihen! Das kann ich nicht …

Du bist mir heilig – aber ich liebe dich nicht. Ich sehe dich zu scharf. Worin wärst du mir überlegen? Ich bin die schönere von uns beiden, bin schwarz, habe hohe braunrote Stiefel und sprechende Ohren. Ich habe Augen, um die du mich beneiden kannst, von beweglichen, orangefarbenen Brauen gekrönt, Augen, die Tag und Nacht sehen, Augen, bei deren Anblick man schreien möchte: ›Der Wolf kommt!‹ Augen, die, wollte ich es, die Gedanken hinter deiner Stirn lesen könnten … Du weißt doch, daß ich dich mühelos zu Boden werfen kann? daß diese Zähne, diese makellosen, benetzt von klarem Speichel, von reinem Atem behaucht, schon einmal die Stangen eines Gitters verbogen haben? …

Ich bin die schönere von uns beiden, du aber hast gesiegt. Doch das genügt dir noch nicht: Du möchtest, daß ich dich liebe! Verlange nicht das Unmögliche …

(Warum gehst du so nahe am Wasser? Das Ufer ist bröcklig, und du verstehst es nicht, dir die Stellen auszusuchen, auf die du ungefährdet den Fuß setzen kannst. Tritt ein wenig zurück. Laß mich zwischen dir und dem Wasser gehen. So ist es viel besser. Er wäre mit mir zufrieden …)

Verlange nicht das Unmögliche. Geh unter meinem Schutz spazieren. Du ersetzt mir meine Herde von ehemals, meine duftenden Schafe, deren kleine Füße die Straße zertrappelten … Ich laufe, komme zu dir heran, überhole dich, kehre wieder um, ziehe Kreise, Ellipsen, Achter um dich … Du bist die Gefangene der Zauberschlingen, die ich unablässig zeichne. Du meinst, ich spiele, doch ich arbeite. Ich schlüpfe so nahe an dir vorüber, daß du mich immer wieder streicheln willst, aber ich weiche dir jedesmal mit einer so geschickten Bewegung aus, daß du denkst, sie sei unabsichtlich.

Nun wollen wir heimkehren, es wird Abend. Gehen wir in das leere Haus zurück. Er, der dich mir anvertraut hat, wird erst zu mitternächtlicher Stunde wiederkommen. Für heute ist meine Aufgabe erfüllt. Ich werde mich niederlegen und ihn erwarten. Ich werde mich nicht rühren, werde nicht atmen. Du wirst nicht bemerken, daß zu deinen Füßen eine eifersüchtige Hündin liegt, die dich nicht lieben will.

Wenn er lange auf sich warten läßt, wirst du wieder unruhig werden, wirst seufzen und mich rufen, als ob ich dir helfen könnte … Ach! wie soll ich dir nur verbergen, daß dies das Mittel ist, mich zu rühren? Die Nacht bringt uns einander näher, da wir beide angstvoll mit erregtem Herzen warten. Auf demselben Lager kauern wir nebeneinander und lauschen nach der Tür hin. Du knurrst vor Enttäuschung, und meine tiefe Stimme droht den Vorübergehenden. Derselbe Schrei entringt sich uns, wenn seine Hand endlich das Türschloß berührt, und sein Eintritt löst Arme und Pfoten, die sich, verstohlen und auf kurze Zeit nur, brüderlich verschlungen hatten …«


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