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»Poum«

»Ich bin der Teufel. Der Teufel. Niemand kann daran zweifeln, sobald er mich erblickt. Seht mich nur an, wenn ihr es wagt! Schwarz – ein Schwarz, versengt von den Feuern der Hölle. Augen, vom giftigsten Grün, braungesprenkelt wie die Blüten des Bilsenkrauts. Hörner aus weißen Borsten, die mir aus den Ohren ragen. Und Krallen, Krallen, Krallen. Wie viele wohl? Vielleicht hunderttausend. Mein Schwanz steigt schief in die Höhe, mager, beweglich, gebieterisch, ausdrucksvoll – kurz teuflisch.

Ich bin der Teufel, nicht einfach nur eine Katze. Ich wachse nicht. Das Eichhörnchen in seinem runden Käfig ist größer als ich. Ich esse für vier, für sechs – aber ich werde nicht fetter.

An einem Maitage bin ich auf der Heide aufgetaucht, in der wilde Nelken und schimmernde Orchideen blühten. Ich bin der Welt in der harmlosen Gestalt eines zwei Monate alten Kätzchens erschienen. Ihr, gute Leute, habt mich aufgenommen, ohne zu wissen, daß ihr dem letzten Dämon der verhexten Bretagne ein Obdach gewährtet. ›Gnom‹, ›Kobold‹ oder ›Satan‹ hätte man mich nennen sollen und nicht ›Poum‹! Jedoch lasse ich diesen Namen für den Umgang mit den Menschen gelten. Denn er paßt gut zu mir.

›Poum!‹ wie aus einer Kanone geschossen bin ich da, und niemand weiß, woher ich komme. ›Poum!‹ und ich habe mit einem absichtlich ungeschickten Sprung die chinesische Vase zerbrochen. ›Poum!‹ und ich hänge gleich einem Polypen an dem weißen Schnäuzchen der Windhündin, die wie eine geprügelte Frau zu schreien beginnt. ›Poum!‹ sitze ich zwischen den aufblühenden zarten Begonienpflänzchen, die nun nicht blühen werden. ›Poum!‹ springe ich mitten in das Nest an der Gabelung des Holunderbaums, in dem die kleinen Finken zutraulich gepiepst hatten. ›Poum!‹ in die Milchschüssel, ›Poum!‹ in das Froschglas, und ›Poum!‹ schließlich auf einen von euch.

In drei Sekunden habe ich eine Haarlocke herausgezogen, einen Finger gebissen, vier Schmutzflecken auf das weiße Kleid gemacht und renne davon … Versucht nicht, mich am Schwanz festzuhalten, sonst schleudere ich euch einen abscheulichen Fluch ins Gesicht und lasse euch in der Hand ein Büschel borstiger Haare zurück, die versengt riechen: Ihr kriegt Fieber davon!

In den ersten Tagen mußtet ihr über mich lachen. Ihr lacht immer noch, aber schon seid ihr beunruhigt. Ihr lacht, wenn ich zur Essenszeit einen großen Dünenkäfer herbeibringe, der gesprenkelt ist wie ein Kiebitzei. Aber ich fresse ihn – krack! krack! – mit einer derartigen Wildheit, ich weide seinen fetten Bauch mit solch abscheulicher Gier aus, daß ihr den Teller wegstellt und die Suppe kalt werden laßt … Ich schleppe das anmutig geschlängelte Eingeweide des Huhnes heran, das ihr heute abend essen sollt, und im Salon spiele ich nicht mit dem Band, das an der Klinke befestigt ist, sondern mit einem schönen lebendigen Regenwurm, einem elastischen, geschmeidigen! …

Ich fresse alles. Grüne Fliegen und Krabben, die tote Seezunge im Sand, die lebendige Blindschleiche, die im Grase glitzert wie eine Kette aus Stahl. Ich töte den Salamander am Rande des Brunnens, um sein Todesröcheln zu hören. Mit meinen Krallenspitzen zerfetze ich die glitschige Haut der Kröte. Ich habe die Milch der grauen Katze gekostet und sie beim Saugen absichtlich gebissen, ebenso die Colliehündin, bei der ich gemeinsam mit ihren tapsigen wollhaarigen Jungen trank.

Seit jenem Tage sind die Zitzen der Hündin schwarz. Ich bin mager und heimtückisch, und ich rieche schlecht. Wenn ich vor Wut fauche, kommt mir Rauch aus der Kehle, und ihr weicht zurück!

Ihr weicht zurück, ich aber gehe vor. Zerstörungslustig suche ich eure Nähe. Warum sollte ich mich auch verbergen? Ich bin keiner jener menschenscheuen Dämonen, die in einer Höhle leben, unter einem Dachvorsprung, oder zähneklappernd in einem tiefen Brunnen. Drei fromme Worte, ein Tropfen Weihwasser, und schon entfliehen sie. Ich aber! Ich lebe im hellsten Tageslicht. Ich schlafe nur wenig, bin immer rege, immer auf Diebstahl aus, unheimlich und dabei doch fröhlich.

Zur Mittagsstunde, in der die Augen der Katzen blässer werden, erscheint an meiner Seite auf der warmen Terrasse ein gehörnter Schatten, kurz, fast ohne Pfoten. Ich öffne die Arme, richte mich auf und tanze mit ihm. Wir sind beide unermüdlich und überbieten einander an Behendigkeit. Wenn ich hochspringe, entfernt er sich, und wir fallen Arm in Arm wieder herab, um das Spiel noch toller zu beginnen, wie zwei schwarze Schmetterlinge, die sich aneinanderheften, sich trennen und wieder vereinen.

Ihr lacht, aber ihr versteht nicht, was vorgeht. Die Arabesken unseres Tanzes, die verruchten Zeichen, die ich in die Luft schreibe, die Hieroglyphen meines Schwanzes, der sich krümmt wie eine zerschnittene Schlange, wie wäret ihr imstande, all das zu lesen? Ihr lacht, statt zu zittern, wenn ich mit einem letzten Sprung den gehörnten Schatten unter mir erdrücke, den Zwillingsdämon, der sich bebend wehrt, den Schatten, der wachsen könnte wie eine Wolke, um mit erschrecklichen Flügeln die Terrasse, die Wiese, die Ebene, euer zerbrechliches Haus zu bedecken …

Heute abend riecht der besprengte Garten nach Vanille und frischem Salat, und ihr wandelt aneinandergeschmiegt umher, glücklich, daß ihr schweigen dürft, allein seid, auf dem Sand, über den ihr schreitet, nur das Geräusch eines einzigen Schrittes hört …

Einer von euch hebt den Arm gegen Westen und weist auf einen langen graurosa Streifen über dem Meere, ein wenig Asche der verloschenen Sonne …

Der andere hebt die Hand und weist auf die Sterne, auf die Bäume, auf die bleichen Blumen, die den Gartenweg säumen … Dürftige menschliche Gebärden des Besitzes und der Umarmung! … Dann steht ihr unbeweglich und haltet euch an den Händen gefaßt, um das Entzücken des Alleinseins noch besser auszukosten.

Allein? Mit welchem Recht? Diese Stunde gehört mir. Ins Haus mit euch! Die Lampe wartet, gebt mir mein Reich zurück, denn hier gehört euch nichts, sobald die Nacht herabgesunken ist. Ins Haus mit euch oder ich springe – ›Poum!‹ – aus der Hecke wie ein fliegender Funke, wie ein unsichtbarer pfeifender Pfeil.

Muß ich erst eure Füße umstreichen, weich, haarig, feucht, kriechend, unerkennbar, und euch stolpern machen? … Ins Haus mit euch! Das grüne Doppelfeuer meiner Augensterne geleitet euch, es hängt zwischen Himmel und Erde, verlischt hier und blitzt dort wieder auf. Geht ins Haus und sagt euch: ›Es wird kühl‹, um euch den Schauder zu erklären, der eure Lippen und eure verschlungenen Hände trennt. Und schließt eure von Efeu und Osterluzei umrankten Fensterläden.

Ich bin der Teufel und will nun unter dem aufsteigenden Mond zwischen dem blauen Gras und den violetten Rosen meine Teufeleien beginnen. Ich verschwöre mich gegen euch mit der Schnecke, dem Igel, der Eule und dem schweren Nachtfalter, der eine Wange verletzen kann wie ein Kiesel.

Und hütet euch heute nacht, wenn ich zu laut singe, die Nase zum Fenster hinauszustecken: Ihr könntet plötzlich sterben, wenn ihr mich auf dem Dachgiebel seht, pechschwarz inmitten des Mondes! …«


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