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Die kleine Sau des Monsieur Rouzade

»Such … such … Vorwärts, such!«

Sie läßt sich nicht bitten. Sie stößt mit der Schnauze vor und »sucht«, denn das ist ihr Beruf. Sie ist rundlich, steht auf kurzen Beinen dicht an der Erde, läuft wacker auf winzig kleinen Füßen. Wie ein Spürhund trägt sie Halsband und Leine. Rosig unter spärlichen Borsten, streift sie ganz nackt durch den eisig kalten Tau.

»Such … vorwärts, such!«

Dürftige Eichen, einige Wacholdersträuche, verschlungene Heckenrosen – über den rötlich dunklen Erdboden läuft ein geometrisches Netz niedriger Steinmauern – diese Ärmlichkeit verbirgt Gold, dieser traurige Boden nährt die Trüffel, die eigensinnige Trüffel, die hier üppig wuchert, dort nicht wachsen will. Wir sind in Martel, einer der besten limousinischen Trüffelgegenden. Und die kleine Sau des Monsieur Rouzade arbeitet heute für uns – obgleich es noch ein wenig früh im Jahre ist, und zu einer ergiebigen Ernte einige Fröste nötig wären.

Munter – sie wird niemals geschlagen – beginnt sie zu wühlen. Ihre feuchte Schnauze dringt wie eine Pflugschar in die Erde, hebt einen Filz aus Moos und rötlichen Gräsern hoch, durchackert den kräftigen, festen Boden …

»Da! da hat sie eine Trüffel!«

Die kluge Schnauze hebt sich empor und fordert die Belohnung – eine Handvoll Mais. Wir lösen die schwarze Trüffel aus der Erde, ein merkwürdiges, körniges, kühles Ding, das ohne Wurzeln wächst, sich geheimnisvoll nährt und dem Boden ebenso fremd scheint wie sein Nachbar, der Kieselstein.

»Vorwärts, vorwärts, such! …«

Doch die kleine Sau muß erst den Mais bis auf das letzte Korn verzehrt haben, und ihr Herr wartet geduldig, als ein vernünftiger Mann, der von dem klugen Tier abhängig ist und dessen Launen achtet. Das findige Geschöpf hat nämlich seine Launen: Oft genug versucht es boshaft, den Menschen, dem jede Witterung fehlt, irrezuführen …

»Du schwindelst, ah! du schwindelst, Lump du!«

Das Loch, aus dem dieses Mal die erdbedeckte Schnauze auftaucht, ist leer, der Stock mit eiserner Spitze tastet darin umher, ohne die krachende Haut einer Trüffel zu verletzen. Auf frischer Tat beim Schwindeln ertappt, beginnt die kleine Sau umständlich zu schwätzen, kläfft, erhebt Einspruch und nimmt dann ihre Arbeit wieder auf … Plötzlich stürzt sie vorwärts, zieht ihren Herrn heftig hinter sich her, zerkratzt sich den Rücken unter einem niedrigen Heckenrosenbusch, wühlt mit Macht und entdeckt ein wahres Wunder von einer Trüffel, groß wie ein Apfel, ohne Wurm oder Loch, würdig, für sich allein gekocht, vorgezeigt und gegessen zu werden. Die Stelle ist gut, die kleine Sau arbeitet emsig. Sie entwickelt dabei einen komischen Eifer, knurrt halblaut, hält inne, schnuppert in den Wind und beginnt dann aufs neue zu wühlen … Sie hat etwas von der launenhaften Empfindlichkeit großer Künstler an sich. Zuweilen unterbricht sie ihre Tätigkeit, diese Arbeit einer Inspirierten, um der Hündin, die uns begleitet, abscheuliche Schimpfworte an den Kopf zu werfen, unterstützt von einem bösen Blick aus klugen blauen Augen …

Wir folgen ihr gehorsam mit nassen Füßen und eiskalten Händen. Der Eifer des Suchens, die Freude des Findens machen uns gleichgültig gegen den Nieselregen, der ringsum zu Rauhreif wird. Sooft die kleine Sau stehenbleibt, erhoffen wir eine fabelhafte Trüffel, ein noch nicht dagewesenes Riesenexemplar … Man wird bei dieser ergiebigen, aber ungewissen Beschäftigung alsbald von der Gier des Goldsuchers befallen. Wir lernen, wie man die Trüffel aus der Erde löst, ohne sie zu beschädigen, wir wissen nun, daß die roten Fasern auf ihrer schwarzen Hülle ein Zeichen ungenügender Reife sind. Wir treiben die kleine Sau des Monsieur Rouzade an:

»Such, vorwärts, such! …«

Das Nebelrieseln wird zu Regen und färbt den baumlosen Horizont des Trüffelgeländes blau. Auch ist der Korb voll, und am Ofen des kleinen Dorfgasthauses erwartet uns der Punsch. Es tut gut, sich dort die Beine zu wärmen und dabei vier ernsten Bauern zuzuhören, die ihr Pokerspiel mit Reden in limousinischem Dialekt begleiten. Aus dem Korb, der zwischen uns steht, steigt köstlich und appetitanregend der frische Duft der jungen Trüffeln auf, die wir dem limousinischen Erdboden entrissen haben …


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