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Geschichte des Heilsarmeemädchens in Berlin (8)

Wie im Keime künft'ger Spiegelmeere
ruhn im Regenbogensilberschaum,
Odem über feuchtem Raum,
zitternd Bündel goldner Sonnenspeere
und an jenem fernsten Saum,
wo der Himmel, daß er sich gebäre,
selber Spiegel einem Spiegelmeere
niedersinkt in Aphroditens Traum:
war es damals, daß es ihm geschehen?
war es damals, daß er es erfuhr,
aufgeschleudert, kreißend in den Wehen
eines süßen Zwanges Unnatur?
Waren's Wälder, die um Wiesen buchten,
untersinkend unter dem Verfluchten?
denn erdröhnend in dem Funkensprühn
wird er von der Stimme fortgeschnellt,
wird sein Auge gräßlich erst erhellt,
da er wirbelnd in dem Felsenglühn
gelber Schluchten niederfällt,
niederbrechend in dem Ungestüm
und zerbrechend im gelähmten Mühn,
rückzuflüchten aus der Feuerwelt,
rückzufinden zu Zypressenhainen,
zu Gebüsch, das in die Fluten taucht,
Nacht und Tag sich in dem Schatten einen,
Duft dem Dufte mild entgegenhaucht,
Dämmerstand in Pinien und Buchen, –
ewig wird er diese Stunden suchen,
denn für ewig hat er sie vergessen,
da er von der Stimme aufgeschreckt,
da sein Wissen, plötzlich aufgeweckt,
ihn zum Rand erfüllet und indessen
sich das Nichtsein seinem Sein entzweckt
zweifelschwanger wüsten-unermessen:
war es Meer gewesen? waren es Zypressen?
Doch die Stimme hat es überdeckt,
jene Stimme, die ihn hochgeschleudert,
jene Stimme, der er Untertan;
fände er sie wieder, wäre er geläutert
und Vergeßnes bräche wieder an,
bräche wieder auf im schweren Meergeruche
uferspiegelnd Wiesenhain und Buche. –
Wissen aber, in ihm neu geboren,
treibt von Zweifel ihn zu neuer Zweifelspein
und es jagt ihn durch die Wüsteneien
nach der Stimme, die er stets verloren,
und sie fliehend, holt er sie stets ein
mit dem Eide, den er falsch geschworen
jenem Einen, dem er einst erkoren,
ein Verräter: und sein Mund wird Schreien,
wird zum Schrei, das Wissen übertäubend,
wird zum Schrei im Schluchten-Urgebrülle,
Schrei, im Wüstenglast zerstäubend,
Schrei des Tieres ohne Hülle,
Schrei des Wildes in den Feuerschluchten,
oh, Schrei des Staunens! Schrei des Heimgesuchten!
Fühl' ich das Staunen! des Staunens Wunder? oder staunt mein Ich?
Von welcher Grenze kommst du her,
Gedanke, tiefstes Ungefähr?
im Todesraume schwebe ich,
schreiend und ewig, Ahasver!
Im schlaflosen blutgelben Höllenlicht,
verdorrt meine Hände, verdorrt mein Gesicht,
zum Schreien geboren, ich, Ahasver!
verjagt aus dem Ursprung, in Klüfte gejagt,
im Wissen erhoben, im Zweifel zernagt,
Steine aussäend, vom Staube genährt,
aus Wissen geschmiedet, im Sehnen verzehrt,
von Stimmen gesegnet, von der Stimme verflucht,
gesegneter Sämann der verbotenen Frucht.

 


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