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22

Als Huguenau erwachte, griff er unter das Kopfpolster; dort pflegte er nachtsüber seine Brieftasche aufzubewahren. Er hatte das angenehme Gefühl, 20 000.– Mark zu besitzen, und wenn er auch wußte, daß in der Brieftasche sich nicht einmal jene 6600.– befanden, die er erst nach dem Kauf des »Boten« von den ortsansässigen Herren erhalten sollte, sondern daß er nur mehr einen Rest von M. 185.– darinnen hatte, so sollte es bei den 20 000.– bleiben. Er besaß 20 000 Emm, und damit basta.

Entgegen seiner Gewohnheit blieb er noch im Bette liegen. Wenn er 20 000 Emm besaß, so war es ein Wahnsinn, sie dem Esch zu geben, bloß weil der so viel für sein Dreckblatt verlangte. Jeder Preis ist aufs Abhandeln eingerichtet, und er wird dem Esch etwas abhandeln, darauf kann der sich verlassen. Mit M. 14 000.– wäre die Zeitung noch immer überzahlt, und das ergäbe einen Privatnutzen von 6000.– Emm. Man muß es bloß geschickt deichseln, damit es nicht herauskommt, daß der Esch nicht seine ganzen 20 000.– bekommen wird. Man kann es Kapitalreserve nennen, oder daß die Industriegruppe sich vorderhand mit der einfachen Majorität statt mit der qualifizierten Zweidrittelmajorität begnügt, oder sonst was Ähnliches. Es wird einem schon etwas einfallen! und Huguenau sprang vergnügt aus dem Bett.

Es war noch recht zeitig, da er sich in die Redaktion begab. Und er überfiel den verdutzten Esch mit den heftigsten Vorwürfen ob dessen schlechter Beleumdung. Es sei schauderhaft, was er, Wilhelm Huguenau, der doch für Herrn Esch wahrlich nicht verantwortlich sei, sich während dieser paar Tage über die Zeitung habe anhören müssen. Als Makler hätte es ihn gewiß gleichgültig lassen können, aber es breche ihm das Herz, ja, es sei herzbrechend, mitanzusehen, wie ein gutes Geschäft mutwillig zugrunde gerichtet werde; eine Zeitung lebt von ihrem Ruf, und wenn ihr Ruf pleite ist, dann ist sie es selber auch. So wie die Sache liegt, habe Herr Esch es zuwege gebracht, daß der »Kurtriersche Bote« eine schlechte unverkäufliche Affäre geworden sei. »Sie müssen sich klar sein, lieber Esch, daß Sie dem Übernehmer des Blattes eigentlich etwas herauszahlen müßten, anstatt noch Geld zu verlangen.«

Esch hatte ein vergrämtes Gesicht; dann grimassierte er verächtlich. Huguenau freilich war damit nicht aus der Fassung zu bringen: »Da gibt es nichts zu grinsen, lieber Freund Esch, die Sache ist todernst, wahrscheinlich viel ernster, als Sie selber glauben.« Von einer Rentabilität könne keine Rede sein, und wenn man dennoch zu einer solchen gelangen wolle, so sei dies bloß mit Hilfe unerhörter Opfer, ja Opfer, mein lieber Herr Esch, möglich. Sollte sich, wie er gerne glauben und hoffen wolle, unter seinen Freunden eine Gruppe opferwilliger Männer finden, die zu diesem völlig sinnlosen, weil idealen Vorhaben bereit wären, so könnte Herr Esch von Glück reden, von einem Glück, wie man es vielleicht nur ein einziges Mal im Leben träfe, denn dank besonders günstiger Umstände und seiner sicherlich tatkräftigen Vermittlertätigkeit werde er Esch überdies eventuell noch einen Nutzen von 10 000.– Mark herausschlagen, und wenn Esch nicht zugreife, so tue es ihm leid, sich derart uneigennützig mit Eschs Angelegenheiten, die ihn gar nichts, aber rein schon gar nichts angingen, befaßt zu haben.

»Dann lassen Sie es bleiben«, schrie Esch und schlug auf den Tisch.

»Bitte, ich kann es natürlich bleiben lassen, … aber es ist nicht einzusehen, warum Sie so wütend werden, wenn man Ihre phantastischen Preisideen nicht schlankweg akzeptiert.«

»Ich habe nichts Phantastisches verlangt, … zwanzigtausend ist das Blatt unter Brüdern wert.«

»Ja, sehen Sie nicht ein, daß man Ihre Bewertung sogar akzeptiert? denn Sie werden zugeben, daß man mindestens weitere Zehntausend zur Ausgestaltung des Blattes hineinstecken muß … und dreißigtausend, das wäre denn doch überzahlt, nicht wahr?«

Esch wurde nachdenklich. Huguenau spürte, daß er auf gutem Wege war: »Nun, jetzt werden Sie vernünftig … ich will Sie natürlich nicht drängen … Sie können sich die Sache ja überschlafen …«

Esch ging im Zimmer auf und ab. Dann sagte er: »Ich will's einmal mit meiner Frau besprechen.«

»Tun Sie das ruhig … nur überlegen Sie sich's nicht zu lang … Bargeld lacht, mein lieber Herr Esch, aber es wartet nicht.«

Er erhob sich: »Ich will morgen wieder mal nachfragen … und empfehlen Sie mich inzwischen der werten Frau Gemahlin.«

 


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