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Ein »heller Luft« wehte über den Untersee. Das ist ein Westwind ohne jagende Regenwolken. In strahlender Bläue wetteifern Himmel und See, die Sonne leuchtet, und der Wind spielt gleichermaßen mit weißen Kumuluswolken und weißschäumenden Wellen, die sich wie mit blitzenden Krallen ins Uferkies werfen.
Der »helle Luft« wehte über den See, die dunkelgrünen Schweizer Ufer und die grüne Insel Reichenau. Es war ein wunderbares Farbenspiel in blau und weiß und grün, das sich den Blicken darbot, und der junge Doktor Honsell genoß es in dankbarem Schauen. Er war am gestrigen Abend angekommen im alten Haus am See. Hoch zu Roß, auf seinem getreuen Schimmel, der ihn schon seit Jahren von Freiburg in die Ferien an den See getragen hatte.
Wohl zum letztenmal für lange Zeit. Nun würde der gute Gaul ein biederes Doktorpferd werden vor einem Doktorswägele in Konstanz. Er würde ihn nicht mehr stolz und unbeschwert in seinen Freistunden von der Universitätsklinik hinaus aus Freiburg tragen, aus den Schloßberg, nach Günterstal und Merzhausen und weiter in die Berge oder an den Kaiserstuhl in die kleinen, feinen Wirtshäuser zum guten Kaiserstühler Wein. Das war vorbei.
Armer Schimmel, armer Doktor! Er hatte Freiburg aufgegeben, aufgeben müssen. Die schöne, verheißungsvolle Stellung als erster Assistent des Professors Kußmaul, der später ein so berühmter Arzt in Heidelberg wurde. Wie hatte Kußmaul ihm abgeraten, ihm eine große Universitätslaufbahn prophezeit mit seinem Wissen und seiner Rednergabe! Aber daheim in Konstanz verlangte sein Vater, der alte Hofgerichtsrat, daß er, als der einzige der Brüder mit einem freien Beruf, nach Konstanz komme, damit er wenigstens einen Sohn bei sich habe. War das nicht zuviel verlangt? War das nicht zu egoistisch gedacht? Wußte der Vater eigentlich, welche Verantwortung er auf sich nahm, den Sohn aus einer selbstgeschaffenen, hoffnungsreichen Stellung zu reißen, nur um vielleicht noch wenige Jahre des Alters mit ihm zu verleben? Das war die elterliche Machtbefugnis der Zeit, die egoistisch ausgeübte Autorität. Aber war sie richtig?
Während der junge Doktor seine Blicke über den blauen Himmel mit den weißen Kumuluswolken, die kühn dahinsegelten, über die weiß schäumenden Wellen, die ihm zu Füßen brandeten, schweifen ließ, glitten Vergangenheit und Zukunft vor ihm dahin.
Sie war bewegt gewesen, die Vergangenheit, besonders die der letzten Jahre. Das Jahr 1866 mit dem Aufenthalt im Lazarett bei Würzburg, wo er soviel gelernt hatte; dann das Studienjahr in Paris und London – das Jahr der Weltausstellung und der unvergeßlichen Tage mit dem Mädchen, das er liebte und – das ihn abgelehnt hatte. Dann kam der Krieg 1870. Der hatte ihn reif und wissend gemacht. Dann erhielt er die schöne Stellung bei Kußmaul, machte eine interessante Reise an die Riviera als begleitender Arzt einer russischen Fürstin, die der Professor ihm verschafft hatte – und nun? Nun sollte er nach Konstanz, in die kleine Stadt!
Er richtete sich auf, denn plötzlich waren die Wellen stärker geworden, die weißen Wolken flogen rascher am Himmel dahin und verdunkelten manchmal die Sonne. Aber nur auf kurze Zeit. Bedeutete das etwas? Wollten Wellen und Wolken ihm etwas sagen?
Er war eine poetische Natur, der junge Doktor, trotz seines trockenen Humors, und er horchte auf. »Ist deine Heimat nicht schön? Bist du nicht immer glücklich hier am See gewesen?« sagten die Wellen. »Denke daran, daß du Land und Leute kennst? Du wirst nicht durch Kliniksäle wandern, in den Hörsälen zu den Studenten sprechen, du wirst nicht berühmt werden; aber du wirst die Menschen, die du kennst und die dich kennen, betreuen und heilen. Du wirst an den Krankenbetten in Dorf und Stadt sitzen und helfen und raten. Ist das nicht schön? Und deine freien Stunden, deine Erholung wirst du hier finden, schöner, besser wie in der ganzen Welt. Hier im Haus am See. Und wir, wir Wellen werden dich tragen und deinen Körper stählen, oder wir werden dein Schiff im Winde schaukeln!« So sangen die Wellen im uralten Dreiklang.
Lazarett in Frankreich 1870
Der erste Deutsche Reichstag 1871
Und die Wolken?
»Wir kommen, wir bringen Schatten, wir bringen Regen und Wetter! Aber wir lassen die Sonne immer wieder scheinen, wir sind weiße, stolze Kumuluswolken, getrieben vom »hellen Luft,« riefen sie und der junge Doktor verstand sie.
Und sagte ihm die Sonne auch etwas in den ernsten Stunden der schweren Lebenswende? – Ja, hier am See leuchtet die Liebe für mich – und sie soll mein Leben überstrahlen!
O, wieviel Glück und Ruhe haben nicht schon Sonne, Wolken und Wellen im »hellen Luft« am See gebracht.
*
Auch der Kreisschulrat Seiz mit seiner Tochter war wieder nach Konstanz zurückgekehrt, und auch ihn nahmen der See und die Schönheit der Landschaft wieder gefangen. Er war ein großer Naturfreund, Fußwanderungen, ja Bergbesteigungen machten ihn zum Kenner und Bewunderer des weiten Bodenseegebietes, in das die Alpen, vor allem das Säntismassiv, hineinragen. Auch der Naturheilkunde wandte er sich zu, und die damals neu aufgekommenen Wasserkuren fanden in ihm einen Anhänger. Er ging jedes Jahr nach Mammern, dem schönen schweizerischen Bad am Ende des Untersees, und Lina mußte ihn begleiten.
Dort traf er seit Jahren einen Engländer mit seiner Tochter, Lord Treherne und Nantine Treherne, und eine Freundschaft war zwischen Vätern und Töchtern entstanden. Lord Treherne hatte am Schweizer Ufer zwei Schlösser gekauft, Mühlberg und Hardt. Das letztere Schloß lag bei Ermatingen und hier waren die Konstanzer Freunde oft zu Gast. Da lernte nun Lina die vornehme Lebensführung auf einem englischen Schloß kennen, mit allem Komfort, ja aller Verwöhnung, die Reichtum und Tradition geben. Bei den ersten Besuchen war sie überwältigt von Bewunderung und ein leises Gefühl der Unzufriedenheit beschlich sie, daß es zu Hause nicht auch so war. Aber dann als sie älter wurde, als sie viel von der Welt gesehen hatte, da erwachte ihr selbständiges Urteil; denn sie bekam mehr Vergleichsmöglichkeiten. Auch nach unten, nicht nur nach oben. Und sie sah ein, daß ihr Lebensrahmen, ihre Lebensform ihr gemäß waren und sie es in der Hand hatte, den Inhalt so schön wie möglich zu gestalten. Unbewußt vielleicht, aber ihre Unzufriedenheit verschwand, sie genoß ohne zu vergleichen, ohne zu beneiden. Wie unzählige Male machen die Menschen, vor allem die jungen Menschen, diesen Konflikt durch. Glücklich der, dem es gelingt, den richtigen Maßstab zu den Dingen der Lebensformen zu finden und zu wissen, daß sie doch nie das Lebensglück ausmachen.
Der Besuch auf Schloß Hardt bei der Freundin Nantine Treherne mußte in diesem Jahr auf den Herbst verschoben werden, denn im Sommer war die Hochzeit der ältesten Tochter Marie im Hause Seiz. Sie heiratete den jungen Architekten Weinbrenner, den Großneffen des berühmten badischen Baumeisters Weinbrenner, der mit seinen Bauten der Stadt Karlsruhe das Gepräge gegeben hat. In der klassizistischen Zeit schuf er einen klaren, etwas herben Stil auf dorischer Grundform. Heute noch spricht man vom Weinbrennerstil, und er und Schinkel waren zwei der bedeutendsten Baumeister im Anfang des Jahrhunderts.
Hochzeitsvorbereitungen in dem Jahre nach dem Krieg! Das war etwas so Hoffnungsfrohes, Aufbauendes nach all dem Leid, all dem Schweren des letzten Jahres! Man suchte nicht alte Leinwand hervor aus den Schränken und Truhen, um charpie zu zupfen, nein, neue, leuchtende Gewebe lagen auf dem Tisch, feiner Damast mit schönen Mustern, feinstes linon und Batist, schön gebleichte Leinwand. Und da wurde genäht und Namenszüge gestickt, die Freundinnen kamen, halfen und schwätzten. Es war ein reges Leben im Hause Seiz.
Wirkt die Hochzeitsstimmung ansteckend? Lina Seiz war in den Tagen vor dem Feste recht nachdenklich. Nun ging Marie, die Sanfte, Gütige, Ausgeglichene, fort in ein eigenes, neuzugestaltendes Leben. Und sie, Lina? Lockte es sie nicht, ein Gleiches zu tun, wußte sie nicht, daß ein Mann sie liebte seit Jahren? Und hatte sie nicht gemerkt, daß trotz aller anderen Männer, die sie umwarben und zur Frau begehrten, dieser eine sich immer vor ihre Entschlüsse stellte? Warum wehrte sie sich eigentlich gegen diese Liebe? Und sie antwortete sich, daß wirklich kein Grund dazu da war. Und so öffnete sie ihr Herz, das kühle Herz eines schönen Mädchens, das weiß, daß es schön ist und darum etwas kritisch und skeptisch die Liebe betrachtet.
Die Hochzeit war vorüber, und Lina war zu ihrer Freundin Nantine auf Schloß Hardt übergesiedelt und das Leben dort wollte sie wieder gefangen nehmen. Es war glänzender denn je, denn Nantine war umringt von englischen Gästen, von jungen Männern. Die waren unbeschwert, sie hatten keinen Krieg hinter sich mit Erlebnissen, die den Menschen belasten und verändern. Lebensgenuß und – sport, das waren ihre Parolen in den Tagen am Untersee. Sie fischten, sie ruderten, segelten und schwammen; aber das hieß immer » sport«.
Lina hatte das fremde englische Wort bis jetzt nur in Longchamps und in Iffezheim bei den Pferderennen gehört; aber jetzt wurde es von den Engländern jeden Tag gebraucht, und mit dem Ernst, den sie sonst nur bei Erörterung geistiger Fragen beobachtet hatte, wurde über die Vorzüge der einzelnen sports verhandelt. Sie fanden alle, daß der Untersee ein idealer Platz für den Wassersport sei. Nur für das Segeln fanden sie ihn zu klein. Der eine, Graf Butler, kam von Cowes auf der Insel Wight, berühmt durch den Segelsport, und der sprach sehr geringschätzig von dem kleinen »Teich«. Aber er sollte eines andern belehrt werden.
Es war ein stürmischer Herbst. Der »helle Luft« wehte an vielen Tagen, und dazwischen gab es schwere Gewitterstürme, denn der September war außergewöhnlich warm. Noch gab es keine Herbstfärbung, tiefgrün lagen die Ufer, in den Reben leuchteten die blauen Trauben und die Apfelbäume boten ihre rote Fruchtfülle dar.
Es war ein strahlender Septembermorgen gewesen mit Frühnebel, der aber nur zum Teil niedergegangen war. So drohte für den Nachmittag ein Wetter. Das hielt aber Graf Butler mit seinen Freunden nicht ab, eine Segelpartie zu unternehmen und gegen den scharfen Westwind aufzukreuzen. Die Mädchen waren zurückgeblieben. Zuerst sahen sie den beiden Booten, die wie zwei weiße Schwäne dahinflogen, entzückt nach. Auch Lord Treherne zückte sein Perspektiv. Er war stolz auf die beiden Schiffe, die er von England hatte kommen lassen und die die Bewunderung der Seebewohner waren. Besonders die Fischer von Ermatingen-Staad interessierten sich lebhaft für Bauart und Takelage, obwohl manch einer den Kopf schüttelte.
Der lunch ohne die Kavaliere verlief sehr kurz und die Mädchen zogen sich zurück. Lina und Nantine saßen im Boudoir der letzteren. Draußen rauschten die Bäume des Parkes immer stärker. Nicht mehr ein Wind, nein ein Sturm wühlte in ihren Kronen, bog die Äste tief herunter, bohrte sich in das niedere Gesträuch und brauste über die Blumenbeete und Rasenflächen. Blätter, Blüten, ganze Zweige wirbelten durch die Luft. Schwere schwarze Wolken verdunkelten die Sonne – das Wetter kam. Nantine und Lina waren aufgesprungen und an das große Fenster geeilt. Aber sie sahen nur ein Stück schwarzen Himmel und die zerwühlten, rauschenden Bäume.
»Wie es wohl auf dem See aussieht? Wollen wir hinunter gelten?« fragte Lina.
»Nein, nein, ich fürchte mich!« Hastig riß Nantine am perlgestickten Klingelzug. Mineli, ein Ermatinger Kind und jetzt Kammerzofe im Schloß, erschien.
»Mineli,« rief Nantine aufgeregt, »du kennst dich aus. Gibt es ein böses Gewitter, ist es gefährlich auf dem See?«
»O je,« sagte Mineli, »das kann man hier nie sagen. Das gnädige Fräulein weiß doch, wie's neulich gegangen ist mit meinem Jakob. Wie der fast ertrunken ist! Aber er hat sich halt ans Reichenauer Ufer treiben lassen und ist am anderen Morgen wieder heimgekommen.«
Ja, das wußten Nantine und Lina noch. Wie hatte das Mineli verzweifelt geschluchzt, wie schien ihr das Leben wertlos in dieser Nacht, wie war sie unempfänglich gewesen gegen allen Trost ihrer Herrin.
»Also du glaubst, es wird nicht so schlimm, Mineli?« drängte Nantine.
»Ich weiß es halt nit,« sagte treuherzig das Mineli.
Da zuckte der erste Blitz und knatternder, krachender Donner dröhnte durch die klirrenden Scheiben.
Die beiden Mädchen schrien auf und flüchteten in die Kissen der Ottomane, darauf sie vorhin noch so friedlich gelegen.
Im Schloß begann es unruhig zu werden, die Klingeln wurden gezogen und die Diener eilten durch die Gänge. Nur Mineli stand ruhig an der Tür. »Die könnet es au nit verhebe,« dachte sie, »wenn's komme soll, trifft's halt grad so gut e Schloß wie drunte unser Fischerhäusle.« Und sie betete ergeben zum heiligen Florian.
Blitz auf Blitz zuckte, Donner auf Donner krachte, der ganze Himmel stand oft wie in Flammen – und jetzt prasselte der Regen herunter, rasend, wild, ein Wolkenbruch!
Lord Treherne stand schon triefend naß vor den Ställen. Er hatte anspannen lassen, er wollte zum Landungssteg fahren, Ausschau halten, ein Rettungsboot ausschicken. Das Wetter war ja so rasend schnell gekommen, daß kaum Zeit war, etwas zu unternehmen.
Wo waren die Segler? Hatten sie noch Zeit gehabt, das Land zu erreichen, hatte das Wetter sie überrascht?
Der Wagen raste die Dorfstraße hinunter, die Pferde waren aufgeregt von Blitz und Donner. Aber Lord Treherne fuhr selber und hielt sie mit eiserner Faust.
Am Ufer war hastiges Treiben. Die Fischer am See sind hilfsbereite Leute; sie haben ihre »Bodensee-Ehre« und stehen jedem in Seenot bei. Aber wie sollte man bei diesem Wellengang, bei diesem Wolkenbruch, der jede Sicht nahm, hinausfahren? Wo waren die Boote?
Ein Versuch mußte gemacht werden. Ehe noch der Wagen ankam, schoß ein Fischerboot mit dem kühnen Jakob hinaus. In diesem Augenblick ließen Sturm und Regen nach. So rasch wie es gekommen, zog das Wetter nach dem Obersee weiter.
Noch schäumten die Wellen, aber die Luft war ruhig und die Sicht klar. Der Lord suchte mit seinem Perspektiv den See ab, und – vom Ufer der Reichenau sah er einen großen »Lauen« abfahren. Das schwarze Boot hob sich scharf ab gegen den heller werdenden Himmel.
»Sie sind's, sie kommen!« rief Lord Treherne aufatmend. Das Perspektiv machte die Runde bei all den wartenden Männern, die voll Bewunderung über das scharfe Bild, das dieses fremdartige Instrument gab, durch das Glas schauten. Erleichtert zogen sie sich in ihre Haustüren zurück.
Aber im Boudoir der jungen Nantine herrschten noch Aufregung und Schmerz. Nantine weinte und schluchzte.
»O Lina, wo ist John? Ist er tot? Ich liebe ihn, ich will seine Frau werden. Noch weiß er's nicht – ach! ich war so kindisch, ich wollte ihn noch ein wenig zappeln lassen. Lina, Lina, nun ist er vielleicht schon ertrunken. Dann will ich auch sterben, dann ist mein Leben wertlos.«
Lina saß tröstend daneben, obwohl Nantine keinem Trostwort zugänglich war. Da schwieg sie. Plötzlich kam ihr zum Bewußtsein, daß dieser Ausbruch Nantines ja ganz gleich war wie Minelis Verzweiflung neulich. Die reiche, verwöhnte Nantine und das arme Mineli! Sie waren eben beide nur Mädchen mit liebenden Herzen. Es gab ja keinen Unterschied in dem großen, das Leben durchdringenden Gefühl der Liebe. Sie wußte es endlich auch.
Da fiel der erste Sonnenstrahl der Abendsonne durch das Fenster. Die Mädchen hatten nicht beachtet, daß Sturm und Regen vorbei waren. Sie schauten auf und horchten. Ein Wagen fuhr in den Schloßhof, und Mineli stürzte, ohne der Regel des Anklopfens zu genügen, herein.
»Sie kommen, sie kommen!«
Nantine und Lina sprangen auf und stürmten die Treppen hinunter in die Halle. Nantine sah nur John Butler, der aus der couch lag mit verbundenem Fuß, aber glücklichem Gesicht.
»He saved my life, Nantine,« sagte er und deutete auf den Nebenstehenden. Wie Nantine nur John gesehen hatte, so hatte Lina nur auf den Begleiter geschaut – denn es war der Doktor Adolf Honsell.
Sie konnte später nie mehr erzählen, wie der Abend weiter verlaufen war. Sie hatte nur zugehört, wie Graf Butler die Geistesgegenwart, die Kühnheit des Doktors gerühmt hatte und wie klar und ruhig dieser das Rettungswerk geschildert hatte. Alles andere – wie der Mast gebrochen, der John den Fuß verletzt und ihn hilflos gemacht hatte, das Kentern des zweiten Bootes ganz nahe am Land, so daß die anderen ungefährdet davonkamen – all das glitt an ihren Ohren ungehört vorbei. Dann aber schritt sie an der Seite des Doktors, der wieder auf die Reichenau heimfahren wollte, die Ermatinger Dorfstraße dem See zu.
Sie ist lang, die Dorfstraße, und als sie am Ende ankamen, am Ufer des Sees, der wieder friedlich im letzten Abendglanz vor ihnen lag, waren Lina Seiz und Adolf Honsell verlobt.
*
Als er glücklich nach der heimatlichen Insel ruderte, schlugen die Ruder den Takt zu den fröhlichen Worten: »Und ich hab' sie doch gekriegt!«