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92.
Wer Hoffart liebt und tut sich loben
Und sitzen will allein hoch oben,
Den setzt der Teufel auf den Kloben. Ein gespaltener Stock zum Vogelfang, auf den man den Lockvogel setzte.

Überhebung der Hoffart

Der macht ein Feuer auf strohernem Dach,
Wer auf der Welt Ruhm setzt sein Sach
Und alles tut um zeitliche Ehr;
Dem wird zuletzt nichts andres mehr,
Als daß sein Wahn ihn hat betrogen,
Wie einer baut auf Regenbogen.
Wer wölbt auf eine Tannensäule,
Des Anschlag zeigt vorzeitig Fäule;
Wer Ehr und Weltruhm hier begehrt,
Erwart' nicht, daß ihm dort mehr werd.
Manch Narr von Hochmut ist entbrannt,
Weil er gekommen aus welschem Land
Und man auf Schulen ihn unterwies
Zu Bononi, Bologna. Pavia und Paris
Und zu Hoch-Sien Siena. in der Sapienz In der Weisheit.
Und in der Schule zu Orliens,
Daß er den Roraffen gesehen hätt
Und Meister Peter von Conniget. Meter pyrr de Conniget, d. h. Maître Pierre de Conniget, zweideutiger Name eines fiktiven Gelehrten; nach Goedekes Vermutung eine Übersetzung des Peter von Brunndrut, vgl. Anm. 6 zu Kap. 76.
Als ob nicht auch in deutscher Art
Vernunft und Sinn noch sei bewahrt,
Daß man Weisheit und Kunst könnt lehren,
Ohn fern auf Schulen sie zu hören. Im Original: Als ob nit auch jnn tütscher art / Noch wer vernunfft / synn / houbter zart / Do mit man wißheyt kunst möcht leren / Nit not I so verr zuo schuolen keren.
Wer lernen will in seinem Land,
Der findet jetzt Bücher allerhand,
Daß niemand kann entschuldigen sich,
Er wolle denn lügen lästerlich.
Man meinte einstmals, es gab keine Lehre
Als zu Athenas überm Meere,
Darnach man sie in Welschland fand:
Jetzt blüht sie auch im deutschen Land,
Und nichts gebräch uns – wär nicht der Wein,
Und daß wir Deutsche voll wollen sein Das in jener Zeit von italienischen und französischen Schriftstellern oft satirisch dargestellte Nationallaster der Deutschen: Des hat man uns im welschen lant / Die vollen tütschen süw genant (Murner).
Und hätten gern ohn Arbeit Lohn.
Wohl dem, der hat einen weisen Sohn!
Nicht acht ichs, daß man Wissenschaft
Hoffärtig treibt, nach Vorteil gafft
Und will dadurch sein stolz und klug:
Wer weise ist, der kann genug.
Wer lernt um Hoffart nur und Geld,
Der spiegelt sich allein der Welt,
Wie eine Närrin, die sich putzt
Und spiegelt und die Welt verdutzt, der welt zuo tutz, d. h. zum Anstoß, um Verwunderung oder Verwirrung zu stiften (heute: ver-dutzen); die späteren Ausgaben drucken zu trutz.
Wenn sie spannt auf des Teufels Garn
Und läßt viel Seelen zur Hölle fahrn.
Das ist das Käuzlein Eine Eule wurde häufig als Lockvogel benutzt. und der Klobe,
Wodurch der Teufel sucht nach Lobe,
Und hat geführet manchen hin,
Der klug sich hielt in seinem Sinn.
Einst Bileam Balach Rat ersann,
Daß Israel Gottes Zorn gewann
Und nicht sollt in dem Kampf bestehn,
Zu dem um Frauen es mußt gehen. Vgl. 4. Mose 31, 16 (gemeint ist die Verführung der Kinder Israels durch die medianitischen Weiber).
Hätt Judith Judith 10 (übrigens eine bemerkenswerte Ausdeutung des Exemplums, da Judith sich schmückte, um ihr Volk zu befreien). sich nicht schön geziert,
War Holofernes nicht verführt;
Jesabel 2. Könige 9, 30 ff. strich sich Farben voll,
Als sie wollt Jehu gefallen wohl.
Der Weise Jesus Sirach 9, 8. spricht: »Kehr dich geschwind!
Der Frauen Blick reizt dich zur Sünd!«
Denn Närrinnen sind oft so geil,
Daß sie ihr Antlitz bieten feil
Und meinen, es soll schaden nicht,
Schaun sie dem Narrn ins Angesicht,
Doch bringt ein Blick schon auf schlechte Gedank',
Setzt manchen rasch auf die Narrenbank,
Der nicht eher wieder heimgegangen,
Als bis er den Häher hat eingefangen.
Hätt Bersabe 2. Samuel 11. ihren Leib bedeckt,
Sie wäre durch Ehbruch nicht befleckt;
Nach fremdem Mann hat Dina 1. Mose 34, 1. 2 (auch hier formt Brant die Erzählung um, da Dina nur die Töchter des Landes sehen wollte). gegafft,
Bis sie verlor die Jungfernschaft.
Eine demütige Frau ist ehrenwert
Und würdig, daß sie werde geehrt,
Die aber Hoffart nimmt zu Händen,
Deren Hoffart wird auch nimmer enden,
Die will auch allzeit vornan dran,
Daß niemand mit ihr leben kann.
Die größte Weisheit ist auf der Welt:
Zu tun verstehen, was jedem gefällt;
Und wenn man das für gut nicht nimmt:
Zu tun verstehen, was jedem ziemt.
Wer aber Frauen tun will recht,
Sei stärker als ein Kriegesknecht,
Denn sie erreichen durch Blödigkeit In der älteren Bedeutung: durch Schwachheit.
Oft mehr als wie durch Listigkeit.
Die Hoffart, die Gott haßt so sehr,
Steigt stetig auf, je mehr und mehr,
Und fällt zuletzt zu Boden doch
Zu Luzifer ins Höllenloch.
Hör, Hoffart, es kommt dir die Stunde,
Wo du vernimmst aus eignem Munde: Vgl. Weisheit Salomonis 5, 8. 9.
»Was bringt mein Hochmut mir für Freude,
Wenn ich hier sitz in trübem Leide?
Was hilft mir Geld, Gut, Eigentum,
Was hilft der Welt Ehr, Lob und Ruhm?
Es war nichts als ein Schattenspiel
Und findet bald ein jähes Ziel!«
Wohl dem, der alles dies verachtet
Und Ewiges allein betrachtet.
Für einen Narrn ist nichts zu hoch,
Es fällt mit ihm zum letzten doch,
Zumal die schändliche Hoffart,
Die hat an sich Natur und Art,
Daß sie den höchsten Engel stieß
Vom Himmel fort und auch nicht ließ
Im Paradies den ersten Mann;
Auf Erden sie bestehn nicht kann,
Sie muß stets suchen ihren Stuhl;
Bei Luzifer im Höllenpfuhl
Sucht sie sich den, der sie erdacht: Luzifer soll aus Hochmut gefallen sein.
Hoffart ist bald zur Hölle gebracht.
Durch Hoffart ward Hagar Vgl. 1. Mose 16, 4-6. von Haus
Mit ihrem Kind getrieben aus;
Durch Hoffart Pharao 2. Mose 5, 2. verdarb,
Korah mit seiner Rotte starb;
Der Herr ward zürnend aufgebracht,
Als man in Hoffart den Turm Den babylonischen Turm; vgl. 1. Mose 11, 1-9. erdacht;
Als David ließ aus Hoffart zählen
Das Volk, mußt eine Plag' er wählen; 2. Samuel 24, 12 ff.
Herodes Apostelgeschichte 12, 21 ff. prunkte voll Hoffart,
Als ob sein Wesen göttlicher Art;
Er wollt auch haben göttliche Ehr
Und ward vom Engel geschlagen sehr.
Hoffart erniedrigt Gottes Rat,
Demut er stets erhöhet hat. Im Original: Wer hochfart tribt / den nydert got / Demuot er allzyt gehöheret hat; vgl. Jakobus 4, 6 (= 1. Petrus 5, 5).


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