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29.
Wer sich für fromm hält ganz allein
Und andre richtet als schlecht und klein,
Der stößt sich oft an hartem Stein.

Von selbstgerechten Narren

Der ander lut urteilt, über andere Leute zu Gericht sitzt.

Ein Narr sich auf den Trost verläßt
Und meint, er sei der Allerbest,
Und weiß nicht, daß in einer Stunde einmal, in kurzer Zeit.
Die Seel ihm fährt zum Höllengrunde.
Denn diesen Trost hat jeder Narr,
Er meint, noch fern zu sein der Bahr;
Sieht andre er im Sterbekleid,
Hat einen Grund er bald bereit
Und sagt dann wohl: » Der lebte so!
Der war zu wild; der selten froh!
Der hat dies und der jenes getan,
Drum tat ihm Gott das Sterben an!« Dar umb hatt jn gott sterben lan.
Er richtet den nach seinem Tod,
Der Gnade fand vielleicht bei Gott,
Während er in größern Sünden lebt,
Wider Gott und seinen Nächsten strebt
Und scheut nicht Strafe drum noch Buß
Und weiß doch, daß er sterben muß.
Wo, wann und wie? ist ihm nicht kund,
Bis ihm die Seel fährt aus dem Mund;
Doch glaubt er nicht an eine Hölle,
Bis er kommt über ihre Schwelle,
Dann wird ihm wohl der Sinn aufgehn,
Wird er inmitten der Flammen stehn!
Einen jeden dünkt sein Leben gut,
Das Herz allein Gott kennen tut;
Für schlecht hält man oft manchen Mann,
Den Gott doch kennt und liebgewann.
Auf Erden mancher wird geehrt,
Der nach dem Tod zur Hölle fährt.
Ein Narr ist, wer es wagt und spricht,
Er sei befleckt von Sünden nicht:
Doch jedem Narren das gebrist,
Daß er nicht sein will, was er ist. Das er nit syn will / das er ist eines der grundlegenden Kennzeichen des Narrentums bei Brant, das in Kap. 76 mit Umkehrung der letzten Zeile aufgenommen wird ( Das er wil sin / das er nit ist).


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