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63.
Voll Furcht, mir gingen Narren ab,
Hab ich durchsucht den Bettelstab, Diejenigen, die den Bettelstab tragen. Brant greift in diesem Kapitel ein besonders verbreitetes Unwesen der Zeit an, das in zahlreichen Schriften des 15. und 16. Jh. angeprangert wird.
Wenig Weisheit ich gefunden hab.

Von Bettlern

Der Bettel hat auch Narren viel,
Man schafft sich Geld durch Bettelspiel
Und will mit Betteln sich ernähren.
Mönchsorden, Pfaffen sich beschweren,
Daß sie, die Reichsten, wären arm.
Ach, Bettel, daß sich Gott erbarm!
Bist für die Armut auserdacht
Und hast viel Geld zusammenbracht.
Doch schreit der Prior: »Mehr ins Haus!«
Dem Sack, dem ist der Boden aus.
Desgleichen tun die Heiltumführer, Reliquienträger.
Die Stirnenstoßer, Wohl Pilger, die sich beim Beten vor die Stirne stoßen, um besonders fromm zu scheinen. Stationierer, Von Ort zu Ort ziehende Verkäufer von Heiligenbildern und Reliquien.
Die keiner Kirmes vorübergehn,
Wo sie nicht öffentlich ausstehn
Und schrein, sie führten in dem Sack
Das Heu, das tief vergraben lag
Unter der Krippe zu Bettelheim, Für Bethlehem.
Oder von Bileams Esel ein Bein,
Eine Feder aus Sankt Michels Flügel
Und von Sankt Jörgens Roß den Zügel
Oder die Bundschuh von Sankt Claren.
Mancher treibt Bettel in solchen Jahren,
Wo jung er ist, stark und gesund
Und werken könnte jede Stund,
Nur daß er sich nicht gern mag bücken,
Ihm steckt ein Schelmenbein im Rücken.
Seine Kinder müssens jung verstehn,
Ohn Unterlaß zum Bettel gehn
Und lernen wohl den Bettelschrei,
Sonst brach er ihnen den Arm entzwei
Oder ätzte ihnen Wunden und Beulen,
Damit sie könnten schrein und heulen.
Ihrer sitzen vierundzwanzig noch
Zu Straßburg in dem Dummenloch, Eine enge Straße, in der die Pockenkranken lagen.
Und weitere im Waisenkasten. In den Findelhäusern..
Aber Bettler pflegen selten zu fasten:
Zu Basel auf dem Kohlenberg Ein verrufener Stadtteil, der als Freistätte der Bettler diente.
Da treiben sie ihr Bubenwerk.
Ihr Rotwelsch Gaunersprache, aus der die folgenden Ausdrücke stammen. sie im Terich haben,
Ernährn bequem sich von den Gaben;
Jeder Stabil Brotsammler. ein Hornlüten Zuhälterin. hat,
Die foppt, färbt, ditzet Lügen, betrügen, sich krank stellen. durch die Stadt,
Wie sie dem Predger Bettler, Pracher. Geld gewinne,
Der lugt, wo sei der Joham grimme, Wo der Wein gut sei
Und läuft durch alle Schöchelboß, Wirtshäuser.
Wo Rübling junen Würfel spielen. ist recht los;
Hat er besevelt Betrogen, beschissen. hier und dort,
So schwänzt Macht sich davon. er sich dann wieder fort,
Veralchend Wandernd, sich fortpackend. über den Breithart, Ins Weite, über die Heide.
Stiehlt er die Breitfüß Gänse, Enten. und Flughart, Hühner.
Damit er sie flößle Ertränke, töte. und Lüßling Ohr, Kragen, Hals. abschneide;
Grantner, Klantvetzer Bettler, die Krankheiten vortäuschen, und Kirchweihstrolche. geben ihm Geleite.
Gar wunderlich gehts jetzt in der Welt:
Wie trachtet man doch so nach Geld!
Herolde, Sprecher, Parzivante, Persevanten (franz. poursuivant), d. h. Herolde unteren Grades ohne Wappenrock.
Tadelten einstmals öffentlich Schande
Und hatten dadurch Ehre viel;
Jetzt jeder Narr laut sprechen will
Und tragen Stäblein rauh und glatt, Wie sie die Herolde als Zeichen ihres Amtes tragen.
Damit er werde vom Bettel satt.
Einem wärs leid, wenn heil das Gewand –
Bettler bescheißen jetzt alle Land –,
Aber sein Kelch muß silbern sein,
Gehn täglich sieben Maß hinein;
Der geht auf Krücken im Tageslicht,
Wenn er allein ist, braucht er sie nicht;
Dieser kann fallen D. h. versteht es, sich epileptisch zu stellen. vor den Leuten,
Daß jedermann möcht auf ihn deuten;
Der borget andern die Kinder ab,
Daß er einen großen Haufen hab,
Belädt einen Esel mit Körben schwer,
Als wenn er Sankt Jakobs St. Jakobus von Compostella in Spanien, als fernster Wallfahrtsort genannt. Pilger wär.
Der geht hinkend, der muß sich bücken,
Der bindet sich ein Bein auf Krücken
Oder ein Totenbein unters Wams.
Wenn man recht schaute nach den Wunden,
Säh man, wie das wär angebunden.
Noch bin ich nicht am Bettelziel, Zuom bättel loß ich mir der wile, d. h., hierbei will ich etwas ausführlicher verweilen, ich lasse mir Zeit.
Denn es sind leider Bettler viel
Und werden stets noch mehr und mehr,
Denn Betteln – das schmerzt niemand sehr,
Nur den, der es aus Not muß treiben;
Sonst ists gar gut ein Bettler bleiben:
Vom Bettelwerk verdirbt man nit,
Viel schaffen Weißbrot sich damit
Und trinken nicht den schlichten Wein:
Es muß Reinfall, Schwerer süßer Wein von Rivoglio in Istrien; auch der Elsässer stand in besonders gutem Rufe., Elsässer sein.
Gar mancher verläßt auf Betteln sich,
Der spielt, hurt, hält sich üppiglich;
Denn hat er verschlemmt sein Gut und Hab,
Schlägt man ihm Betteln doch nicht ab:
Ihm ist erlaubt der Bettelstab. Die Bettler trugen weiße Stäbe.
Mit Betteln nähren viele sich,
Die reicher sind als du und ich!


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