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73.
Mancher trachtet nach Geistlichkeit,
Nach Pfaffen- und nach Klosterkleid,
Dann reut es ihn und wird ihm leid.

Vom Geistlichwerden

Noch anderes wird jetzt gelehrt,
Das auch ins Narrenschiff gehört,
Des jedermann bedient sich gern:
Jeder Bauer will einen geistlichen Herrn, D. h. in seiner Familie haben.
Der sich mit Müßiggang ernähr',
Ohn Arbeit leb' und sei ein Herr.
Nicht, daß er dies aus Andacht wähle,
Oder aus Achtung fürs Heil der Seele,
Sondern er möchte nur einen Herrn,
Der die Geschwister kann ernährn.
Er läßt ihn wenig sehn ins Buch,
Man spricht: »Er weiß dazu genug!
Braucht nicht auf größre Kunst zu sinnen,
Kann er nur eine Pfründe gewinnen!«
Man schätzt die Priesterschaft gering,
Als ob sie sei ein leichtes Ding.
Drum gibt es jetzt viel junge Pfaffen,
Die so viel können wie die Affen,
Und Seelsorg sieht man treiben die,
Denen man vertraute kaum ein Vieh;
Sie wissen so viel vom Kirchenregieren,
Als Müllers Esel kann quintieren. Auf der Quinterna (= Gitarre, Laute) spielen.
Die Bischöfe sind schuld daran,
Die sollten nehmen zum Ordensmann
Oder für die Seelsorg auslesen
Nur einen Mann von tüchtgem Wesen, gantz dapferlüt, d. h. wackere Leute
Daß einer sei ein weiser Hirt,
Der seine Schafe nicht verführt.
Aber jetzt wähnen die jungen Laffen,
Wenn sie nur einmal wären Pfaffen,
So hätt ihrer jeder, was er wollt.
Doch ist fürwahr nicht alles Gold,
Was man am Sattel gleißen sieht,
Mancher beschmutzt die Hände damit
Und läßt sich jung zum Priester weihn,
Um später sich selbst zu maledein, Verfluchen.
Daß er nicht länger hat geharrt;
Gar mancher von ihnen Bettler ward.
Wenn er eine rechte Pfründe gewann,
Eh er die Priesterschaft nahm an,
Er war so weit gekommen nit – Bezieht sich auf die Unsitte, die Priesterweihe zu nehmen, ehe man Amt und Einkommen hatte.
Viel weiht man um der Herren Bitt'
Oder auf dieses und jenes Tisch, Auf Bitte vornehmer Herren oder auf sogenannte Tischpfründen hin.
Davon er doch ißt wenig Fisch.
Man borget Brief' Bestallungen. einander ab,
Damit man einen Titel hab,
Und wähnt den Bischof zu betrügen,
Um ins Verderben sich zu lügen.
Kein ärmer Vieh auf Erden ist
Als Priesterschaft, der Brot gebrist:
Sie hat schon Abzüge überall:
Vikar, Bischof mitsamt Fiskal,
Der Lehnsherr, dann die Freunde sein,
Die Wirtschafterin, die Kinder klein,
Die geben ihm erst rechte Püff,
Daß er komm in das Narrenschiff
Und damit aller Freude vergesse.
Ach Gott, es hält gar mancher Messe,
Dem besser wär, er dächt nicht dran
Und rührte den Altar nimmer an;
Denn Gott gedenkt des Opfers nicht,
Das in Sünden und mit Sünden geschieht.
Einst hörte Moses Vgl. 2. Mose 19, 12, 13. Gott den Herrn:
»Ein jedes Tier, das halt sich fern
Und komm dem heilgen Berg nicht nah,
Daß es nicht Plage treffe da!«
Wo angerühret Usas Hand
Die Arche, Die Bundeslade; vgl. 2. Samuel 6, 7. – dort den Tod er fand;
Mit Dathan starb und Abiran
Korah, Vgl. 4. Mose 16. der's Weihrauchfaß rührt' an.
Geweihtes Fleisch D. h. Klosterkost. scheint oft nicht teuer;
Es wärmt sich gern am Klosterfeuer,
Dem doch zuletzt wird Höllenglut.
Man predigt klugen Leuten gut! Verstanden lüten ist predigen guot, d. h., Narren wollen doch nicht hören.
Jetzt stößt manch Kind man in den Orden,
Eh es ein Mensch noch ist geworden;
Eh es versteht, ob ihm das sei
Gut oder bös, steckt es im Brei.
Wenn auch Gewohnheit viel vermag,
Reut es doch viele manchen Tag,
Die fluchen denen aller Orten,
Die Ursach des Gelübdes worden.
Gar wenig jetzt ins Kloster gehn
Zu solcher Zeit, wo sie's verstehn;
Gar wenig kommen um Gottes Willen,
Die meisten um ihren Hunger zu stillen.
Des Standes haben sie nicht acht
Und tuen alles ohn Andacht,
Zumeist in all den Orden ganz,
Wo man nicht hält die Observanz. Die strenge Ordensregel.
Solch Klosterkatzen sind gar geil,
Das macht, es bindet sie kein Seil.
Doch besser gehört keinem Orden an,
Als daß unrecht tut ein Ordensmann.


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