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77.
Viel sind aufs Spielen so versessen,
Daß andre Kurzweil sie vergessen,
Künftgen Verlust auch kaum ermessen.

Von Spielern

Noch find ich närrischer Narren viel,
Die haben Freude nur am Spiel
Und wähnen, sie könnten leben nit,
Sollten sie nicht umgehn damit
Und spielen Tag und Nacht im Saus
Mit Karten und Würfeln in vollem Braus;
Die ganze Nacht hindurch sie säßen,
Daß sie nicht schliefen und nicht äßen,
Aber ein Trunk muß sein zur Hand,
Denn Spielen setzt die Leber in Brand,
So daß man ausdörrt, Durstes voll.
Des Morgens drauf spürt man das wohl:
Einer welken Birn gleicht des einen Gesicht,
Der andre hinter der Türe sich bricht,
Ein Dritter hat solche Farb angenommen,
Als sei er aus dem Grab just gekommen,
Oder erglänzt im Antlitz recht
Wie morgens früh ein Schmiedeknecht. vor tag, d. h. bevor er sich gewaschen hat.
So eingenommen ist ihm sein Kopf –
Den ganzen Tag muß gähnen der Tropf,
Als ob er Fliegen fangen wollt;
Wenn einer verdienen könnt viel Gold,
Indem er bei einer Predigt säße
Eine Stunde und des Schlafs vergäße –
Er hüllte den Kopf tief in die Geren, In die Rockschöße.
Als sollte der Prediger aufhören.
Aber sitzt man lange beim Spiel,
Dann achtet man des Schlafs nicht viel!
Viel Frauen, die sind auch so blind,
Daß sie vergessen, wer sie sind,
Und, was verbietet jedes Recht, das verbietten alle recht, hier im Sinne von Sitte, Herkommen.
Sie mischen sich mit anderm Geschlecht;
Sie sitzen bei den Männern frei,
Zuchtlos und ohne natürliche Scheu,
Und spielen, würfeln früh und spät,
Was doch den Frauen übel steht.
Sie sollten an der Kunkel Am Spinnrocken, wobei man wohl den Faden netzte. lecken
Und nicht im Spiel bei Männern stecken.
Wenn jeder spielt mit seinesgleichen,
So braucht ihn Scham nicht zu beschleichen.
Als Alexanders Vater wollte,
Daß der um Preise laufen sollte,
Dieweil der Knabe schnell im Lauf,
Sprach er zu seinem Vater drauf; Nach Plutarch, Leben Alexanders cap. 4.
»Zwar billig wäre, daß ich täte,
Was mich mein Vater hieß und bäte,
Und gewißlich gern ich laufen wollte,
Wenn ich mit Königen es sollte;
Man brauchte mich darum nicht bitten,
Wenn unter Gleichen würd gestritten!«
Doch ist es dahin gekommen jetzt,
Daß Pfaffe, Adel, Bürger sich setzt
An einen Tisch zu Köppelknaben, Baderknechte, d. h. Leute Die schwerlich gleiches Ansehn haben. niedrigsten Standes, die sich außerdem in den öffentlichen Bädern als Kuppler betätigten, wie aus zeitgenössischen Holzschnitten hervorgeht. Locher übersetzt: cum nebulonibus et lenonibus, d. h. mit Windbeuteln und Kupplern.
Zumal die Pfaffen sollten nicht viel
Mit Laien treiben gemeinsames Spiel,
Wenn sie nur würden bedenken, daß
Zwischen ihnen stets war Groll und Haß,
Der Neidhart, der in ihrer Brust,
Regt bei Gewinn sich und Verlust,
Zumal da ihnen verboten ist
Würfeln und Spielen zu jeder Frist.
Wer mit sich selber spielen kann,
Den geht man nicht um Spielschuld an,
Der bleibt ohne Sorg, daß er verliere
Und daß ihn treffen Fluch und Schwüre.
Wenn ich nun aber sagen soll,
Was ziemt einem rechten Spieler wohl,
So will Virgilium Nämlich das ihm fälschlich zugeschriebene Gedicht De ludo, aus dem die folgenden Verse stammen. ich beibringen,
Der also redet von solchen Dingen:
»Veracht' das Spiel zu aller Zeit,
Daß dich nicht trübe Gier und Neid,
Denn Spiel entstammt unsinnger Begier,
Die alle Vernunft zerstört in dir.
Ihr Braven, hütet eure Ehre,
Daß euch das Spiel die nicht versehre!
Ein Spieler muß haben Geld und Mut,
Und wenn er verliert, es halten für gut,
Darf nicht ausbrechen in Zorn, Fluch, Schwur.
Wer Geld hat, harr der Schanze Chance. nur,
Denn mancher kommt zum Spiele schwer,
Der doch zur Tür hinausgeht leer.
Wer spielt allein um großen Gewinn,
Dem geht es selten nach dem Sinn.
Wer gar nicht spielt, hat seinen Frieden,
Wer spielt, dem ist Verlust beschieden. der müß uff setzen mitt, d. h., der muß beim Geldeinsatz mithalten.
Wer in allen Schenken setzen will
Und suchen Glück bei jedem Spiel,
Der muß viel einzusetzen haben
Und oft ohn Geld nach Hause traben.
Hat einer drei Seuchen und trachtet nach mir,
Der hat bald böser Schwestern vier!«
Spiel kann wohl niemals sein ohn Sünd,
Ein Spieler ist nicht Gottes Kind:
Denn Spieler all des Teufels sind!


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