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XXXIX.
Eheproblem.

Es ist eigenartig, wie jemand, der Männern gegenüber gute Menschenkenntnis besitzt, Frauen gegenüber diese gänzlich vermissen lassen kann. Horace hatte seine Ehe für eine freundschaftliche Partnerschaft gehalten, zu der er das Gehirn und seine Frau das Geld beisteuerte. Dass er der Kopf des daraus erwachsenden Unternehmens zu sein hatte und dass sein Juniorpartner, indem dieser seine Überlegenheit anerkannte, sich, ohne zu murren, seinen Entscheidungen fügte, hatte für ihn nie zur Diskussion gestanden.

Am Ende des ersten Monats seines verheirateten Lebens war er jedenfalls trauriger – und klüger. Seine gelassene und kultivierte Kate, die so überaus bezaubernd sein konnte, wenn sie wollte, entwickelte auch die korrelierende Fähigkeit, nicht bezaubernd zu sein, wenn es ihrem Vergnügen dienlich war. Sie zeigte nicht unbedingt eine Vorliebe für letztere Verhaltensweise, belastete ihn jedoch beständig mit der Störung ihrer erfreulichen Beziehungen. Sie beanspruchte seine Zeit, sie beanspruchte sein Denken und seine Dienste auf hundert Arten; aber sie stellte ihre Ansprüche höflich, wenn auch mit jener klar gemeißelten Nettigkeit, die ihn ärgerte, obwohl er es besser wusste.

Er fragte sich zwanzig Mal am Tag, ob er zur Stellung des Geschäftsführers seiner Frau abgesunken sei. Sie besaß als selbständige Rechtsperson ein Dutzend Häuser in New York, sowohl in aristokratischen wie auch in plebejischen Gegenden, und als die Mietverträge ausliefen, wurden ein Briefwechsel mit den Agenten und häufige Reisen zur Stadt nötig, um die Verwaltung des Eigentums zu betreuen. Abgesehen davon besaß Kate Eisenbahn- und Staatsobligationen, ständig wurden Zinsen fällig, Geld musste angelegt werden und Investitionen verlangten genaue Beobachtung.

Lediglich ihr Ehemann zu sein, reichte hin, Zeit und Denken eines Mannes vollständig auszufüllen. Sie besaß selbst einen bemerkenswert kühlen Kopf und guten Geschäftssinn, überließ Horace aber dem schmeichelhaften Glauben, er könne dies besser. Er musste, ob er wollte oder nicht, seine Arbeit in der Legislative hintan stellen; und so entglitt die Gelegenheit, seine Kraft und seinen Einfluss im Senat geltend zu machen, seinen Händen, bevor er dessen gewahr wurde. Es zeichnete sich noch vor Ende der Sitzungsperiode ab, dass man ihn als reichen Mann betrachtete, der Politik nur zum Spiel betrieb.

Kate hatte eine entschiedene, vorgefasste Einstellung zur Ehe; und obwohl sie durchaus von den Vorstellungen ihres Gatten abwich, schaffte sie es, ihn zu einem Eheleben nach ihrem Ideal zu bringen. Wenn sie dieses hätte definieren sollen, so hätte sie gesagt, dass die Ehe eine vernünftige und kultivierte Kameradschaft zwischen zwei Leuten sei, die sich selbst und ihre jeweiligen Ziele mit vereinten Kräften fördern könnten. Dabei ging sie von der festen Überzeugung aus, dass ihre Ziele bei weitem vernünftiger und wichtiger seien als seine, und dass es gegenwärtig seine Pflicht sei, seine eigenen Interessen den ihrigen unterzuordnen. Wenn ein Mann eine Frau ihres Vermögens, ihrer Position und ganz allgemein von ihrer Überlegenheit heiratete, war es nur rechtens, von ihm eine gewisse Wertschätzung seines Glücks zu verlangen. Er sollte zumindest seine eigenen Angelegenheiten ruhen lassen und den ihren Vorrang gewähren.

Falls Mrs. Larkin eine solche Ehetheorie formuliert und ihrem Ehemann vorgetragen hätte, würde er sich mit Sicherheit dagegen aufgelehnt haben. Aber sie war zu gerissen, um sich so einen Schnitzer zu erlauben. Sie nahm ihn in aller Ruhe in Beschlag und bemächtigte sich seiner, selbstverständlich ohne dabei seine Vorlieben zu berücksichtigen. Sie behandelte ihn mit Respekt und einer Art freundlicher camaraderie, die es ihm unmöglich machte, ihr eine Abfuhr zu erteilen.

Sie unterhielt sich gern mit ihm, wenn er, wie sie es nannte, ›seine vernünftige Laune‹ hatte; sie ließ ihn gern die Positionen der Parteien zu Tagesereignissen erläutern und stellte dann intelligente Fragen, die bewiesen, dass sie ihn vollständig verstanden hatte. Wenn allerdings, wie es bisweilen geschah, seine Bewunderung für sie zu Zärtlichkeiten ausartete, wurde sie kühl und reserviert, was ihm jedesmal einen Korb eintrug. Sobald er die Vergeblichkeit solcher Annäherungsversuche erkannt und seine Schüchternheit bezwungen hatte, die mit einer zurückgewiesenen Liebkosung einher ging, vergab sie ihm freimütig und setzte ihre Diskussion gleichmütig fort.

Hätte jemand Horace Larkin ein Jahr zuvor erzählt, dass er sich so beflissen um die Gunst eines sterblichen Geschöpfs bemühen würde, so hätte er ihn ausgelacht. Aber wenn er den Mut gehabt hätte, seine Lage klar zu analysieren, hätte er der Schlussfolgerung nicht ausweichen können, dass er auf sanfte, höfliche Art unter dem Pantoffel stand. Seine Frau wurde für ihn mit jedem Monat, der ins Land zog, immer respekteinflößender und gleichzeitig bewundernswerter. Nur bei einer einzigen Gelegenheit errang er einen Sieg über sie; und da zog sie sich, wie ein kluger General, lediglich aus einer nicht mehr verteidigungsfähigen Stellung zurück.

Rechnungen hatten sich im Haus in einem alarmierenden Umfang aufgehäuft, und es verging ein Monat, bevor Kate Schritte unternahm, sie zu begleichen. Horace war von einer Scheu befangen, ihre Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken, weil von Rechts wegen er der Schuldner war und es ihm so vorkam, als danke er, wenn er ihr gestatte, die Rechnungen zu bezahlen, als Oberhaupt der Familie ab und akzeptiere eine untergeordnete Stellung wie ein Untergebener. Allerdings besaß er nicht das Geld, um die verschwenderischen Ausgaben, auf die sie sich eingelassen hatte, zu bestreiten, insbesondere da der Bau seines Hauses in Torryville seine Quellen gewaltig austrocknete. Es bedeutete daher für ihn eine große Erleichterung, als Kate ihm eines Morgens nach dem Frühstück ein Scheckheft aushändigte und ihn bat, alle Rechnungen zu bezahlen.

»Aber ich habe kein Guthaben in der Second National Bank,« bemerkte er, als er sah, dass das Scheckbuch von diesem Institut stammte.

»Aber ich,« antwortete sie; »du stellst nur die Schecks aus und ich werde sie dann unterzeichnen.«

»Du musst entschuldigen,« sagte er fest; »aber dieser Vereinbarung kann ich nicht zustimmen.«

»Darf ich fragen, warum du etwas dagegen hast?«

»Gesetzlich ist der Mann das Oberhaupt der Hausgemeinschaft. Ich möchte wenigstens den Anschein dieser Eigenschaft aufrecht erhalten.«

»Ich will dich ihrer ja nicht berauben. Aber ich muss auf meinem Recht bestehen, mit meinem Eigentum zu tun, was ich will.«

»Gewiss; nur ist es gar nicht nötig, darauf zu bestehen.«

»Worum geht es dann eigentlich bei unserer Meinungsverschiedenheit?«

»Ich möchte nicht meine Rechnungen mit deinen Schecks bezahlen.«

»Ich habe nichts dagegen, wenn du es vorziehst, sie mit deinen eigenen zu bezahlen.«

Ein Hauch Sarkasmus lag in dieser Bemerkung, die ihn zusammen zucken ließ. Zorn begann langsam in seinen Organen zu glimmen und drohte, in Flammen auszubrechen. Sie hatte dem Anschein nach das beste Argument auf ihrer Seite, und doch fühlte er sich im Recht. Nichts kann einen Mann so erzürnen, als von seiner Frau durch Argumente geschlagen zu werden. Horace konnte es sich nicht leisten, sich vom Kampfplatz zurück zu ziehen, es sei denn mit Glanz und Gloria.

»Mrs. Larkin,« sagte er in scharf schneidender Tonlage, »ich werde die Rechnungen bezahlen, wie du angedeutet hast. Aber ich muss darauf bestehen, dass du fortan das Ausmaß deines Aufwandes und Lebensstils meinem Einkommen anpasst.«

Er reichte ihr das Scheckbuch und ging langsam aus dem Raum. Sein Gemüt war völlig aufgewühlt; unterdrückte Wut erschütterte seine kraftvolle Gestalt. War es dahin gekommen, dass er seine Frau wegen Taschengelds angehen und der Welt seine Abhängigkeit von ihr zu erkennen geben musste, während er ihr zur selben Zeit seine Karriere und seinen achtbaren Ehrgeiz opferte? Nein, er würde diese Angelegenheit jetzt und hier bereinigen; und er würde keinen Zoll weichen. Sie mussten sich auf einen modus vivendi einigen; sonst wäre das Leben unerträglich.

Er war noch leidenschaftlich in diese Überlegung vertieft, als er die Kammer des Senats betrat und sich auf seinen Sitz warf. Ein Page kam und händigte ihm ein Dutzend Briefe aus. Er riss sie auf, einen nach dem anderen, und starrte auf die Unterschriften, konnte sich aber nicht auf ihren Inhalt konzentrieren. Ein Gesetzentwurf wurde lustlos debattiert, bei dem es darum ging, dass alle Schutzmaßnahmen gegen Betrug bei der Vergabe von Kanalisationsverträgen beseitigt werden sollten. Die Vertreter von Canal Ring waren vollzählig anwesend, und ihre Mietlinge im Senat hatten anscheinend völlig freies Feld.

Horace hörte mit einiger Verärgerung ihren kaum verschleierten Argumenten zu Gunsten von Korruption zu, und es machte ihn mit einem Mal betroffen, auf was für ein elendes Niveau die Demokratie herunter gekommen war, wenn geschäftstüchtige Halunken im vollen Licht der Öffentlichkeit aufstehen und mit Vorspiegelungen, die niemanden täuschten, Pläne von Dieben und Plünderern durchziehen konnten.

Seine innere Wut über diese Tiraden, denen er zuhören musste, lenkte ihn allmählich von seinem persönlichen Ärger ab; es juckte ihn, diesen schamlosen Kerlen eins d'rüber zu ziehen. Ohne sich einen Augenblick zu bedenken, erhob er sich von seinem Platz und wandte sich an den Vorsitzenden.

Ein Raunen des Interesses lief durch die Versammlung beim Klang dieser Stimme. Er hatte aus dem Parlament Ansehen mit gebracht, aber im Senat bisher noch nichts getan, es zu rechtfertigen. Ein mitreißendes Schmettern ertönte in seiner Stimme, wenn er tief bewegt war; noch ehe er fünf Minuten gesprochen hatte, waren keine Unterhaltungen mehr zu hören, und diejenigen Mitglieder, die Briefe geschrieben hatten, legten ihre Stifte fort und spitzten die Ohren.

Dieses eine Mal in seinem Leben schlug er jede Taktik in den Wind und sprach aus der Tiefe seiner Überzeugung, schlug nach rechts und nach links und kümmerte sich nicht darum, wer zu Boden ging. Er übertraf sich selbst in der Kraft und der Kühnheit seiner Vorschlaghammereloquenz, zeigte den Zweck der Gesetzesvorlage auf, entrüstete sich über deren Widerrechtlichkeit und zerfledderte die Argumente ihrer Verteidiger mit grimmigem, rachsüchtigem Genuss.

Die Machenschaften von Canal Ring, deren Struktur und gesamte innere Geschichte waren ihm seit vielen Jahren vertraut, aber irgendwie hatten sie bis heute nie seinen Zorn erregt. Über die Korridore verbreitete sich das Gerücht, dass der Ehrenwerte Horace Larkin einen Anschlag auf die Lobby verübe, und in Windeseile füllten sich die Galerien mit alarmierten Mitgliedern der dritten Kammer.

Als nach einer Stunde der Ehrenwerte Gentleman wieder Platz nahm, war, soweit es ihn betraf, das Universum wieder im Lot. Er hatte sich in seinen Augen wiedergefunden. In der Welt war er noch immer eine Macht, was er auch sonst in seinem eigenen Haushalt sein mochte. Die Luft um ihn schien elektrisch aufgeladen. Die Reporter schrieben um ihr Leben und sandten telegraphische Depeschen in alle Winkel des Kontinents. Kein Einziger wagte seine Stimme zu Gunsten der Gesetzesvorlage zu erheben, nachdem sie eine so unwiderlegbare Enthüllung erfahren hatte.

Bei der anschließenden Abstimmung erreichte sie zugegebener Maßen trotzdem eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Der Senat vertagte sich auf Antrag eines ländlichen Solon, der arg verängstigt wirkte; und Horace schlenderte hinaus, wurde aber in der Empfangshalle von zwei sogenannten »Kumpel-Mitgliedern« aus New York überholt, die vor lauter Glückwünschen geradezu überflossen. Dennoch machte ihn ihr Eifer, ihn als Bruder im Reformwerk zu reklamieren, eher verlegen. Er war keineswegs sicher, dass sein Pfad in diese Richtung führte, und er hatte es nicht eilig, sich auf irgend etwas fest zu legen.

Horace kam nicht in den Sinn, dass seine Rede auch nur die geringste Auswirkung auf sein Eheproblem haben könnte. Der Gedanke an ein Zusammentreffen mit seiner Frau machte ihm keine Freude. Hauptsächlich um diese schlimme Stunde hinaus zu schieben, lief er durch die Stadt und befand sich schließlich auf dem offenen Land unter dem hellen, kalten Himmel mit braunen Feldern zu jeder Seite.

Da hörte er den festen, rhythmischen Hufschlag von Pferden und das Rollen von Wagenrädern auf der ebenen Landstraße. Das metallische Klicken des Gurtzeugs klang nah, und im nächsten Moment gab es einen großen Spritzer, als die Pferde durch eine Pfütze auf der Straße liefen; und bevor er sich umdrehen konnte, fühlte er, wie ihm ihm der Schlamm ins Gesicht und um die Ohren flog.

Wütend blieb er stehen und wollte gerade den Kutscher anschreien, verharrte aber schweigend, als er an der erhabenen Würde seines Rückens diesen großen Helden erkannte. Flüchtig nahm er auch noch Mrs. Larkin wahr, die sich, eingewickelt in ihre kostbaren Pelze, in der Ecke ihres Wagens räkelte und ihre Miene von unbestimmbarer Missbilligung der Welt im Allgemeinen aufgesetzt hatte.

»Großer Gott,« murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen, als er seine Faust dem weiter fahrenden Wagen hinterher schüttelte, »wenn ich's noch nicht 'mal mit dir hinkriege …«

Er betrachtete seine mit Matsch bespritzte Gestalt und stieß, bloß um seinen überbordenden Gefühlen Luft zu verschaffen, einen langen, gewaltigen Fluch aus. Dann holte er sein Taschentuch hervor, rieb sich sein Gesicht ab und klaubte den Schmutz aus seinem Schnurrbart.

Ein erbitterter Groll flammte in seinem Herzen auf. Und dennoch: was hatte sie getan, um in ihm solch wilde Empfindungen zu erregen? Sie hatte sicherlich nicht ihren Kutscher angewiesen, ihm ein Schlammbad zu bereiten. Sie hatte ihn einfach nicht gesehen, und wenn ihr Kutscher ihn gesehen hatte, so hatte er ihn nicht erkannt.

Und nichtsdestoweniger lag eine symbolische Bedeutung in dieser Handlung, durch die sie scheußlich wurde, ungeachtet ihrer Unabsichtlichkeit. So fuhr sie durchs Leben: gelassen und gebieterisch, bar jeglichen Mitgefühls für andere, und bespritzte dabei rücksichtslos den zufälligen Wanderer mit dem Schlamm ihrer Wagenräder. Er hatte gehofft, den leeren Sitz an ihrer Seite einnehmen zu können, aber irgendwie fehlte ihm die Schamlosigkeit, dies mit Anstand zu tun; ein demokratischer Wesenszug lag ihm im Blut, der ihn trotz seiner Reit- und Wagenführungskünste zum Fußgänger machte.

Im Schutz des Zwielichts kam er heim und traf Anstalten für die Abendmahlzeit. Mrs. Larkin hatte Anzug und weiße Krawatte zur Pflicht erhoben; und obwohl er sich gegen eine solche leere Zeremonie auflehnte, fehlte ihm der Mut, sich in ihren Augen als Plebejer zu bekennen. Er beschloss, als er die Treppe hinabstieg, auf den Vorfall keinen Bezug zu nehmen und die Feindseligkeit zu unterdrücken, die in ihm aufgestiegen war, denn er war vernünftig genug einzusehen, dass in der Ehe kleine Ursachen lange, verheerende Auswirkungen haben mochten. Nachdem er diese Frau auf Gedeih und Verderb genommen und sie als unwiderrufliche Tatsache in seinem Leben anerkannt hatte, würde er sich nur selbst bestrafen, wenn er Gefühle in ihr aufkommen ließ, die ihren Umgang noch schwieriger machen würde.

So begrüßte er sie beim Eintreten ins Wohnzimmer mit der zeremoniellen Steifheit, die sie liebte, bot ihr seinen Arm und geleitete sie zur Tafel. Er hatte das Gefühl, dass er damit weit genug gegangen war, und unternahm keine weitere Anstrengung, sich beliebt zu machen.

»Ich habe bedauert, dass du nicht früh genug heim gekommen bist, um eine Ausfahrt mit mir zu unternehmen,« sagte sie, ihr consommé kostend, »ich hatte viel Spaß dabei.«

»Ich auch,« antwortete er mit sardonischem Grinsen.

»Ach. Dann bist du auch ausgefahren?«

»Nein, ich ging zu Fuß.«

Der Ton dieser Antworten überzeugte Kate, dass ihre Liebenswürdigkeit verschwendet war, und sie zog rasch ihre Antenne zurück in den Panzer ihrer eisigen Reserviertheit. Und so saßen sie ein langes Dinner von einem halben Dutzend Gängen einander gegenüber, schauten sich verstohlen an, während sie ihre köstlichen Delikatessen ohne die geringste Wertschätzung ihrer gewählten Aromen verspeisten. Horace war unglücklich aus Wut, Kate war unglücklich, weil sie beleidigt war und das Gefühl hatte, dass ihre Würde es niemals zulassen könne, einem solchen Flegel wie ihrem Ehemann noch einmal entgegen zu kommen. Als die Mahlzeit endlich zu Ende war, entschuldigte er sich und zog sich in die Bibliothek zurück, wo er rauchend bis Mitternacht über sein Elend grübelte.

Am nächsten Morgen wiederholte sich beim Frühstück dasselbe vergnügliche Spiel, und die Situation schien doppelt unerträglich. Horace spürte, dass eine Krise bevorstand und war entschlossen, sie zu beschleunigen, indem er seine Drohung in Bezug auf die Rechnungen wahr machte, überflüssiges Personal entließ und Disziplin ohne Rücksicht auf Konsequenzen durchsetzte. Er verbrachte den Morgen in der Bibliothek, unterzeichnete Schecks und schrieb Briefe.

Gerade wollte er sich zum Capitol begeben, als Kate unangekündigt eintrat und sich in einen Lehnstuhl in die Nähe seines Schreibtischs setzte. Er bemerkte mit einigem Erstaunen, dass sie zwei New Yorker Zeitungen in der Hand hatte und dass die Strenge ihres sonstigen Gesichtsausdrucks sehr entspannt wirkte.

»Hast du das gelesen?« fragte sie und legte eine der Zeitungen vor ihn auf den Tisch; »ich dachte, das würdest du gern anschauen.«

Er nahm die Zeitung und las eine Reportage über seine gestrige Rede und einen Kommentar, in dem die Leistung und die Couragiertheit seines Auftritts hoch gepriesen wurden. Man handelte ihn als den kommende Mann seiner Partei und prophezeite ihm eine große Zukunft.

»Warum hast du mir davon nichts erzählt?« fragte sie mit ernster Freundlichkeit.

»Ich dachte nicht, dass dich das interessieren würde,« antwortete er verbissen.

»Dann kennst du mich nicht, Mr. Larkin; nichts würde mich mehr interessieren.«

»Du glaubst, das würde den Präsidenten veranlassen, mich in den Court of St. James Ambassador to the Court of St James's (Botschafter am Hof von St. James) ist der offizielle Titel der ausländischen Botschafter am britischen Königshof, dem Court of St James's. zu schicken?« fragte er, sich in seinem Stuhl zurücklehnend, mit sarkastischem Lächeln.

»Nicht sofort,« erwiderte sie in unbeirrbarer Gelassenheit; »wir können es uns leisten zu warten.«

Er war stark versucht, seine Schreibarbeit wieder aufzunehmen und ihre Gegenwart zu ignorieren. Seine Würde schien danach zu verlangen, dass er sie brüskierte; aber entweder fehlte es ihm an Tapferkeit oder er war nicht grob genug, um diesem Impuls nachzugeben; denn sie war einfach eine enorme Tatsache, diese gleichmütige, schöne Frau mit ihren klaren Brauen, ihrer feinsinnigen Intelligenz und ihren festen, entschiedenen Zielsetzungen. Wie konnte er anders als sie bewundern? Sie war genau der Typus von Frau, die er a priori als die bewundernswerteste beurteilt hätte. Und dennoch rief sie den alten Adam in ihm mit entsetzlicher Beharrlichkeit wach und ließ ihn fürchten, dass er, bevor er mit ihr fertig war, noch dahin kommen würde, auf sie einzuprügeln.

Falls Kate etwas von dem, was in ihrem Mann vorging, mitbekommen hatte, ließ sie sich davon jedenfalls nicht stören. Einen Großteil von Unerfreulichem konnte sie, nachdem sie jenen überzeugenden Beweis erhalten hatte, dass sie in ihrem Urteil über ihn nicht falsch lag, zwar nicht vergeben, aber immerhin ignorieren.

»Mr. Larkin,« sagte sie, während sie aufstand und sich mit der Hand am Schreibtisch abstützte, »würdest du mich freundlicher Weise wissen lassen, welches Verfahren dich in der Frage unserer gemeinsamen Ausgaben zufrieden stellen würde?«

Die Plötzlichkeit dieser Frage kam für ihn überraschend. Er war zu begriffsstutzig, um sogleich die Verbindung zwischen diesem Kapitulationsangebot und den Prophezeiungen der New Yorker Zeitung zu erkennen.

»Was soll es dir nützen, das zu wissen?« fragte er; »ich möchte keine zweite Zurückweisung erleben.«

»Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du es mir sagst.«

»Also gut. Mein Vorschlag geht dahin, dass du mir zu Beginn des Jahres oder jedes halbe Jahr einen Betrag aushändigst, den du als Beitrag zur Finanzierung unseres Haushalts für geeignet hältst. Dessen Verwaltung muss in meinem Namen erfolgen und in meinen Händen liegen. Wenn du Vorschläge zu machen hast, werde ich sie mit Vergnügen anhören, aber das ausschlaggebende Stimmrecht muss mir zukommen.«

Sie starrte ihn eine Weile schweigend an, und ihre Züge erhellten sich mit einem Ausdruck stolzer Dankbarkeit.

»Würdest du mir erlauben,« erkundigte sie sich mit äußerster Höflichkeit, »deinen Platz am Schreibtisch für einen Augenblick einzunehmen?«

Er erhob etwas verwirrt und bot ihr seinen Stuhl an.

»Ich fress' 'n Besen, wenn ich weiß, was sie jetzt im Schilde führt,« kommentierte er in Gedanken. Er betrachtete ihre Bewegungen mit jener interessierten Neugier, mit der man die Gesten eines Zauberkünstlers beobachtet, ob das, was man sich vorgestellt hat, heraus kommen wird.

Sie nahm einen Stift, probierte ihn auf der Rückseite eines Umschlags, und zog ihr kleines Scheckbuch aus ihrer Tasche, um einen Scheck auszustellen. Es wäre schwer zu erklären, warum Horace an diesem Punkt mit erkennbar aufgesetzter Gleichgültigkeit fort schaute. Er schlenderte ein wenig herum, schaute aus dem Fenster und fing leise an zu pfeifen. Als er diese kleine Farçe zu seiner eigenen Genugtuung beendet hatte, stand seine Frau vor ihm.

»Würdest du dies freundlicher Weise als meinen ersten Beitrag annehmen?« sagte sie einfach, als sie ihm den Scheck überreichte; und verhalten grüßend verließ sie den Raum.

Fast sprachlos stand er da und schaute auf die Tür, dann auf das Papierstück, das er in seiner Hand hielt. Es lag nicht der Hauch von éclat oder Theatralik in ihrem Verhalten. Aber eben deren Abwesenheit, ihre königliche Schlichtheit in Wort und Tat, ließen einen erwartungsvoll auf den orchestralen Tusch lauschen, der einem Höhepunkt der Dramenhandlung zu folgen pflegt.

» Zu zahlen an Horace Larkin oder Überbringer fünfzigtausend Dollar – 50 000 $ – Catherine Van Schaak Larkin« – lauteten die Worte, die er las … und immer wieder las, bis sie ihn schwindlig machten. Er begriff allmählich, was sie bedeuteten. Er war tatsächlich ein Sieger, aber trotzdem fühlte er sich geschlagen. Es war ein Pyrrhus-Sieg.



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