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»Ihre unerwiderte Liebe, Messer Giuliano, wurde ihr zum Verhängnis ... Sie beging die Unvorsichtigkeit, dem andalusischen Rappen – den Cosmo ihr geschenkt hatte – den Namen ›König Pfauhahn‹ zu geben. Ihrem Gatten Don Pietro fiel die Benennung des Pferdes nicht auf, denn Donna Faustina besaß ihren eignen Stall, den er nie betrat; und selbst wenn er den Namen gehört hätte, hätte er sich nichts dabei denken können, da er nicht zugegen gewesen war, als Ihr, Messer Giuliano, im Boboligarten vom schwarzen Hengst des englischen Grafen und vom Schiffbruch an der cyprischen Küste erzähltet.

Täglich ritt Donna Faustina auf König Pfauhahn aus, täglich wurde ihr das Beisammensein mit dem Tier unentbehrlicher. Die Wahnvorstellung nahm von ihr Besitz, daß der Name ein mystisches Band sei zwischen ihr und Euch.

Und es geschah das Wundersame, daß sie sich leidenschaftlich in ihr Pferd verliebte. Zum Abgott wurde ihr der herrliche Rappe, zum Sinnbild des verlorenen Geliebten, ja schließlich zum Geliebten selbst. Mit silbernen Hufeisen ließ sie König Pfauhahn beschlagen, ließ seine Zügel mit Gold und Edelsteinen verzieren. Sie raunte ihm Liebesworte ins Ohr, sie umarmte und küßte ihn wie ein menschliches Wesen ...

Ein Jahr ungefähr war seit Cosmos Tod vergangen, da erlauschte zufällig Messer Carlo de'Panciátichi, während er einem Hahnenkampf zuschaute, wie zwei Stallbuben sich über das absonderliche Gehaben Donna Faustinas unterhielten. Carlo haßte seinen Freund Pietro, den er in Semiramides Bett hatte verschonen müssen und von dem ihm bekannt war, daß er – trotz der Klostermauern – der Galan der Nonne Semiramide war und nach wie vor mit ihr sündigte. Immerzu darauf aus, sich an Don Pietro zu rächen, teilte er ihm das belauschte Gespräch mit und tat das Seinige dazu, die Nachricht phantastisch aufzubauschen. Faustina, behauptete er, sei eine Pasiphae und werde demnächst einen Kentauren gebären. Und nachdem er des Freundes Wut zum Sieden gebracht hatte, öffnete er ihm schließlich die Augen über die Bedeutung des Namens ›König Pfauhahn‹ –: das bedeute nicht nur das Pferd Norfolks und den Teufel, – es bedeute vor allem Giuliano selbst, der von der Fürstin Lodovica Malaspina so genannt wurde. Wenn also Faustina das Pferd küsse, so küsse sie in Wahrheit ihren Geliebten Giuliano!

Da Pietro die Lügenhaftigkeit Carlos kannte, wollte er sich erst mit eigenen Augen und Ohren von der entsetzlichen Wahrheit überzeugen. Er schlich sich in Faustinas Pferdestall ein und verbarg sich in einem Stand. Als Faustina bald darauf den Stall betrat, konnte sie nicht ahnen, daß ihr ärgster Feind auf der Lauer lag, die Liebesszene zwischen Frau und Tier zu beobachten. Während sie, glühende Liebesworte murmelnd, ihr Gesicht in die Rappenmähne barg, kam auf den Zehen, leise wie ein Dieb, Don Pietro heran und erschoß den König Pfauhahn. Er hätte vielleicht auch Donna Faustina erschossen, – doch der Knall seines Pistolenschusses lockte Stallknechte herbei, von denen er nicht gern dort gesehn sein wollte ...

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Das sagte ich Euch schon, daß ich gleich nach Cosmos Tod meinen Beruf gewechselt habe und Seidenhändler geworden bin. In unser Seidengeschäft kam eines Tages Donna Faustina, machte Einkäufe und trat mit mir in eine Fensternische, wo sie unbelauscht mit mir sprechen konnte. Sie bat mich, Benvenuto Cellini aufzusuchen und ihm die kleine Marmorskulptur abzukaufen, welche sie gemeinsam mit Cosmo bei ihm bewundert hatte – – – «

»Wenn ich Euch recht verstanden habe«, unterbrach Giullano, »so hatte Cellini mich auf der Statuette dargestellt?«

»Ja, einen Jüngling mit Euren Gesichtszügen neben einem hochauf sich bäumenden Pferd. Donna Faustina trug mir auf, die Statuette Cellini für jeden Preis, den er fordern würde, abzukaufen.

Ich begab mich also zu Cellini. Unwirsch wollte er mich abweisen. Als er aber hörte, ich sei von Donna Faustina beauftragt, ließ er sich das kleine Kunstwerk für tausend Scudi abhandeln.

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Zu dem in der Via Lamarmora gelegenen Palazzo, den Pietro und Faustina bewohnten, gehörte ein ziemlich großer, ganz verwilderter Garten. Über eine von Cosmo einstmals getane Äußerung – es sei bedauerlich, daß sein Sohn sich selbst zu viel mit Lacrimae Christi und seinen Garten zu wenig mit Wasser begieße – war Don Pietro derart in Harnisch geraten, daß er alle seine Gärtner zum Teufel gejagt und neue seitdem nicht mehr angestellt hatte. Seit mehr als einem Jahrzehnt den ungehemmten Begierden der Fruchtbarkeit und Selbstbehauptung überlassen, wucherten urwaldhaft Blumen und Stauden, Halme und Gestrüpp; und uralte Bäume streckten ihre Äste ins Geäst benachbarter Bäume, rangen miteinander, um den Segen des Sonnenlichtes zu erkämpfen. Von Schlingpflanzen und rankenden Rosen überwachsen, stand im schattigsten Teil des Gartens ein verfallener Pavillon.

Schadhaft war das Dach: an Regentagen tropfte es herein und kleine Pfützen bildeten sich auf dem Fußboden. Grüner Schimmel feuchtete die einst rotbraun gefärbten, sich schwärzenden Wände. Aus dem staubgrauen Glas der Fenster waren handgroße Scherben herausgebrochen. Keinerlei Möbel wies der Raum auf außer einem altersschwachen morschen Gartentisch.

Ohne Wissen und Begleitung ihrer Ehrendamen hatte Donna Faustina, an einem glühenden Hochsommertage nach Schattenkühle suchend, diesen abgelegenen Pavillon entdeckt und ihn ausersehn, ihr als Tempel zu dienen. Den Tisch machte sie zum Altar, indem sie ihn mit einem Brokattuch bedeckte und Cellinis Statuette darauf stellte, mit flimmernden Kerzen sie umgebend, als wäre sie eine heilige Monstranz oder ein Götzenbild. Und in der Tat war es ja ihr Idol, mit dem sie einen heidnischen Kult trieb, – denn Ihr, Messer Giuliano, wart es: Ihr und Norfolks Pferd hattet Meister Cellini vorgeschwebt, als er die Statuette bildete. Jeden Tag schlich Donna Faustina zu ihrem Tempel, zündete die Wachslichter an und kniete vor König Pfauhahn ...

50

Der Kleine Walfisch hatte Cosmo bloß drei Jahre überlebt: der Kummer um Cammillas Los schaufelte ihm sein Grab. Nach seinem Tode versank Cammilla völlig in aschgrauen Tiefsinn. Während Donna Semiramide auch als Nonne mit Don Pietro und andern Liebhabern ihre Zelle zum Freudenhaus machte und uneheliche Kinder gebar, hatte Cammilla immer nur als einzigen Besucher ihren Vater empfangen, den zu sehn das spärliche Glück ihrer Klostertrübsal war. Seitdem sein Tod ihn hinderte, zu ihr zu kommen, wandelte sich ihre Blödheit in unverkennbaren Wahnsinn. Kardinal Medici schrieb seinem Bruder Francesco: der Papst mißbillige die Einsperrung der armen Kranken. Daraufhin durfte Cammilla das Kloster verlassen.

Nun pflegte sie singend durch die Gassen zu gehn, begleitet von einer großen Schar kleiner Kinder. Weder durch Schelte noch durch Bitten konnten die Eltern den Kindern, ihr zu folgen, verbieten; – unbegreiflich war es, wie sehr die Kleinen die Wahnsinnige liebten.

Eines Tages kam Cammilla mit ihrem Kindergefolge am hintern Zaun jenes verwilderten Gartens vorbei. Sie wußte nicht, daß der Garten Donna Faustina gehörte; doch da es überaus heiß war, wurde sie von der Schattenkühle der alten Bäume angelockt, und da sie die Zaunpforte unverschlossen fand, ging sie mit ihren Kindern hinein. Nachdem sie alle eine Weile im Schatten gesessen und Blumen gepflückt und sich mit Blumenkränzen das Haar geschmückt hatten, wanderten sie umher und gelangten so zum Pavillon. Auch dessen Tür stand offen. Als sie aber geräuschlos eingetreten waren, erblickten sie Donna Faustina, die auf den Knien lag vor ihrem Idol.

Kaum hatte Faustina die Anwesenheit Cammillas und der Kinder bemerkt, verfärbte sie sich, erhob sich, ging auf Cammilla zu und bat um Verschwiegenheit. Und ebenso bat sie jedes einzelne der Kinder, niemand zu sagen, was sie sahen. Darauf begleitete sie alle bis zur Straße und kehrte allein in ihren Tempel zurück. Sie hätte die Statuette, die Kerzen und das Brokattuch beseitigen können, – denn an die Verschwiegenheit, um die sie gebeten hatte, glaubte sie im Tiefinnersten ihres Herzens ja doch nicht. Doch sie war zu stolz, zu leidensmüde, zu seelenkrank, um – falls die Kinder es ausplauderten –, sich aufs Leugnen zu verlegen. War sie verloren, – nun gut, so starb sie um ihrer Liebe willen ...

Den nächsten Tag, zur selben Stunde, war sie wieder im Pavillon, steckte die Kerzen an und kniete nieder. Und während sie kniete, fühlte sie, daß jemand eingetreten war und dicht hinter ihr stand. Sie wußte, daß es ihr Gatte Pietro war, und sie erwartete den Todesstreich von seiner Hand. Doch da er zögerte, wandte sie sich jählings nach ihm um, sprang empor und schrie ihm ins Gesicht, wie sehr sie ihn hasse und wie sehr sie Euch, Messer Giuliano, liebe ... ›Du Hure!‹ brüllend, stach er mit seinem Dolch blindlings auf sie ein, wohl ein dutzendmal ...

Allein und hilflos lag Faustina am Boden und blutete sich zu Tode. Als ihr die Sinne schon beinahe ganz geschwunden waren, kamen – Blumenkränze in den Händen tragend – Cammilla und die kleinen Kinder herein. Die Wahnsinnige begriff, daß die Prinzessin verloren war. Sie stimmte ein lateinisches Kirchenlied an und legte die Blumen, die sie in der Hand hielt, auf die Sterbende, ihre Wunden damit zuzudecken. Und das Beispiel Cammillas ahmten die kleinen Kinder nach: sie alle warfen ihre Blumen auf Donna Faustina. ›Da hast du viele Totenkränzlein!‹ sagte Cammilla.

Ein seliges Lächeln kam auf Faustinas Lippen. Ausgesöhnt mit ihrem Geschick schloß sie die Augen, – denn sie starb für ihren Geliebten, für Euch, Messer Giuliano!«


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