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66

Kaum hat sich die Haustür geschlossen, stößt Giuliano einen Blutschrei aus, reißt den Degen aus der Scheide und dringt auf Don Pietro ein.

Sie fechten. Beide sind hervorragende Fechter und beide schäumen vor Haß. Doch Giuliano ist der Geschmeidigere. Er schlägt dem Prinzen die Klinge aus der Hand und verwundet ihn an der Brust.

In die Arme seiner Kumpane Carlo und Santi taumelt Don Pietro, Knöpfe abreißend an Wams und Halskrause schafft er sich Luft, hält ein Spitzentuch ans sickernde Blut. Und er rafft sich zusammen, steht aufrecht. Da erst gewahrt er, daß während des Zweikampfes der Bargello und zwanzig Sbirren herangekommen sind. Sie haben – indem sie das Volk mit gesenkten Hellebarden zurückdrängten – um die Fechtenden sich im Kreise aufgestellt. Jetzt verengert sich zusehends der Kreis. Und kein Traum ist's, was Don Pietro weiter gewahrt: seinem Gegner Giuliano werden Handschellen angelegt! Mit unbändiger Freude gewahrt er das, seine Niederlage macht es ihm wett.

»Recht so, Signor Bargello, Ihr träufelt Balsam auf meine Wunde! Brav so, – führt den Hundsfott ab, der sich erfrecht hat, mein prinzliches Blut zu vergießen! ...«

Der Bargello entgegnet nichts. Er hebt aus dem Schnee den Degen Don Pietros auf.

»Das ist mein Degen, Signor Bargello. Ich weiß nicht, welch ein Planet heute kulminiert, daß mein Degen Flügel bekommen hat wie ein Spatz ... Gebt her!« Und Don Pietro streckt die Hand aus nach der Waffe.

»Verzeiht mir, Hoheit, ich habe Befehl, Euch den Degen abzunehmen.«

»Mir – dem Sohn des Duca? ... Seid Ihr toll?«

»Ich bin das Werkzeug eines höheren Willens. Beauftragt bin ich, Euch Handschellen anzulegen.«

»Hat die Februarhitze dir das Gehirn geschmolzen, mein Goldjunge? ... Das ist ja wahnwitzig! ... Wer befahl das?«

»Euer Vater, Seine Eccellenza der Duca.«

»Weshalb? ... Weil ich ein Duell focht?«

»Weil auf Euch, Hoheit – ebenso wie auf Messer Giuliano – der Verdacht lastet, die Kurtisane ermordet zu haben.«

Wie ein Fisch an Land, schnappt Don Pietro nach Worten. Da beginnt, ganz unerwartet, Giuliano zu sprechen.

»Wäre meine Hand frei, so würde ich sie Euch reichen, Don Pietro. Wir sind Leidensbrüder geworden. Mein Haß fiel von mir ab, weil ich sehe, daß – so grausam Ihr wart – das Schicksal noch viel grausamer mit Euch verfährt. Weit härter, als Ihr es verdient, züchtigt Euch das Schicksal. Doch laßt darum den Kopf nicht hängen. Seht, ich bin voll Zuversicht, daß wir alle beide uns vom Verdacht werden reinigen können und daß dieses Leid Eure Seele reinigen wird.«

Obgleich durch Blutverlust geschwächt, gerät Don Pietro in Tollwut. Er möchte dem Rex Seraphicus an die Gurgel springen, er möchte an ihm und am Bargello und an seinem Vater die Raserei auslassen. Doch noch ehe eine einzige der in ihm aufbrodelnden Beschimpfungen seine Lippen verläßt, wandelt sich seine Tollwut in Todesangst, die ihm eisig durch alle Adern rieselt und ihm die Kiefer klappern macht. Denn jählings hat er die Unlösbarkeit der Schicksalsverknotung begriffen: sein eigener Vater liefert ihn dem Blutgericht aus! – und er hat von seinem Vater ein Erbarmen so wenig zu erwarten wie von Faustina! ...

Die Lippen entfärbt, die Wangen leichenweiß, steht er von Schrecken geschüttelt da, schließt die Augen, sinnt.

Und dies ist, was er sinnt: Mich reinigen? Ich mich? Niemand außer Faustina kann mich vom Mordverdacht reinwaschen. Und darum bin ich verloren. Denn nie und nimmer wird Faustina öffentlich vor einem Gerichtshof zugeben, daß sie mit dem azurnen Schmetterling bemalt wurde. Aus Schamgefühl wird sie lügen und erst recht, weil sie mich haßt ...

Don Pietro öffnet die Augen, und ein feuchter Glanz blinkt an den Wimpern. Carlo, Noffo und Santi haben die Degen gezogen; wohl weiß er, daß sie für ihn sterben würden, falls er's verlangte ... Es wäre zwecklos, – rings senken sich zwanzig Hellebarden. Er winkt den Freunden ab.

Widerstandslos läßt er sich fesseln und zusammen mit Giuliano in die Torre di Nona, den Kerker der Schwerverbrecher, abführen.


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