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Doch zu ihrer eignen Verwunderung verließ Donna Isabella die Villa ihres Vaters in einer andern Gemütseinstellung, als sie sie betreten hatte. Ihre Absicht war es gewesen, der Stiefmutter mit heuchlerischer Freundlichkeit zu begegnen, sie auszuholen und aufs Glatteis der Lächerlichkeit zu führen, um in ihrem nächsten Brief dem Kardinal Medici eine geistreiche, herzlose und lustige Beschreibung von ihr zu machen; aber sie wurde gegen ihren Willen durch den körperlichen und geistigen Verfall ihres Vaters sowie durch die hilflose Kindlichkeit Cammillas völlig umgestimmt.

An einem Jaspistisch auf einer von Rebengerank überschatteten, von Lorbeerbäumen umgrünten Terrasse empfing Cosmo seine stolze Tochter, setzte ihr Obst, Malvasiertrauben, Konfitüren und Vino Santo vor. Während er mit schwerer Zunge und allzu eingehend ihre Frage nach seinem Befinden beantwortete, kam, begleitet von ihren vier Ehrendamen, Cammilla auf die Terrasse und begrüßte befangen-demütig ihr hochgewachsenes, sie um Kopfeslänge überragendes Stiefkind. Ängstlich nahm sie am Tisch, Isabella gegenüber, Platz, biß mit ihren schneeweißen Zähnen in eine Orange und hörte nicht auf, vor Verlegenheit lachend, ihre schneeigen Zähne zu blecken. Grellrot wie ihr Mund waren ihr Mieder und ihr Rock; und dazu hatte sie bauschige Ärmel aus grasgrüner Seide. Auf ihrem linken Arm aber saß ein Chamäleon; (einem aus Syrien heimgekommenen Pilger hatte Cosmo das Tierchen abgekauft und es ihr geschenkt). Das Chamäleon trug ein goldenes Halsband und daran war ein dünnes Goldkettchen befestigt, dessen Ende Cammilla in der Hand hielt.

Ein Gespräch mit Cammilla anzuknüpfen, gelang Isabella nicht. Was sie auch fragen mochte, sie erhielt ein scheues Lachen zur Antwort und bestenfalls ein knappes Ja oder Nein; und sogleich fuhr Cammilla fort, sich mit der kuriosen Echse zu beschäftigen, sie nachzuäffen, wenn sie mit einem Auge aufwärts und mit dem andern Auge abwärts blickte oder die lange Zunge ausstreckte; sie erröten zu machen, indem sie sie auf ihr rotes Mieder setzte, und sie wieder grün werden zu lassen auf dem grasgrünen Ärmel ... Eine unsägliche Traurigkeit überkam Isabella –: wie hatte ihr Vater sich weggeworfen an diese Blöde! Sie besaß ja nicht mehr Verstand als das Tier auf ihrem Arm, war selbst kaum mehr als ein Tierchen, ein zähnefletschendes Äffchen, wenn auch zauberhaft schön ... Wie nah mußte ihr Vater sein Stündlein wissen, daß er solch eine Vorbereitung für die Reise ins Jenseits traf, für die Begegnung mit dem höchsten Richter! Aus Reue und um einem kirchlichen Gebot zu genügen, hatte er die Ehe mit dem letzten Opfer seiner Sinnlichkeit geschlossen, – nicht aus Liebe! Auf Semiramide war Isabella eifersüchtig gewesen, – auf Cammilla war sie es nicht. Mitleid empfand sie mit ihr und ihrem Vater. Sie hatte nie (auch nicht, als sie seine Feindin wurde) aufgehört, ihn zu lieben. Mit heißem Kuß nahm sie Abschied von ihm; und aufrichtig herzlich war der Kuß, den sie Cammilla auf die Wange drückte.

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Den ersten Schlaganfall erlitt Cosmo am Morgen nach Donna Isabellas Besuch. Waren ihm Spaziergänge in die Umgegend untersagt, so ließ er sich's doch nicht nehmen, jeden Morgen, auf einen Krückstock und auf den Arm Cammillas gestützt, durch den Garten seiner Villa zu humpeln, wo er seltene Blumen aus aller Herren Ländern angepflanzt hatte. Diesmal war sein Rundgang schon beinahe beendet, als ihm dicht bei der Gartenmauer ein in einem Lilienbeet liegender Futtersack auffiel. Von der Landstraße aus mußte wohl jemand während der Nacht das schwere Ding über die Gartenmauer geworfen haben. Cosmo ließ sich von Cammilla den mit Hafer gefüllten Sack reichen. Ein Zettel war daran befestigt. Schwarz wurde es ihm vor den Augen, als er las, was auf dem Papier geschrieben stand –: ›Liebe Cammilla, gib den Hafersack Deinem ehelichen Gemahl, dem Esel!‹

So weit also war es mit dem großen Cosmo gekommen, daß solches gewagt werden konnte! Von wem ...? Hätten seine Sinne sich nicht verwirrt, so hätte er sich sagen müssen, daß keinem seiner Kinder – sogar Don Pietro nicht – eine so geschmacklose Gemeinheit zuzutrauen war. Doch das Schicksal ließ Cosmo nicht Zeit zum Nachdenken und schleuderte ihn wie blitzgetroffen zu Boden – gerade im Moment, als der Anblick des Zettels ihm den falschen Verdacht durchs Gehirn wirbelte. So kam es, daß er die Vorstellung einer Rachetat seiner Kinder mithinübernahm in seine Bewußtlosigkeit, wo sie sich festsetzte und Wurzel trieb.

Er wurde in die Villa getragen, zu Bett gebracht. Seine rechte Seite blieb fortan gelähmt. Als er – nach Wochen – vom Krankenlager aufstehn durfte, war er ein mühsam lallender Krüppel, ein Wrack. Zur Sprachstörung gesellte sich eine Trübung des Geistes: er hielt sich für den regierenden König von Etrurien.

Mit viel Geheimniskrämerei entsandte er die verläßlichsten seiner Diener nach allen Richtungen der Windrose und verbot ihnen bei Lebensstrafe, Ziel und Zweck ihrer Reisen zu verraten. Auf die Dauer indes konnte es nicht verborgen bleiben, daß er gegen seine undankbaren Kinder einen vernichtenden Schlag zu führen gedachte und deshalb in ganz Italien nach einem Verschollenen fahnden ließ ...«

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Der Bericht Traiano Bobbas war oftmals durch Zwischenfragen und Zwischenreden seines Zuhörers unterbrochen worden. Auch jetzt unterbrach ihn Giuliano:

»Ihr nanntet den Namen des Verschollenen nicht. Suchte er nach mir? Habe ich richtig geraten?«

»Es war nicht schwer zu erraten, Messer Giuliano.«

»Zu was Ende bedurfte er meiner?«

»Um zu Gunsten eines wiedergefundenen Kindes seine andern Kinder enterben zu können.«

Lächelnd knüpfte Giuliano sein Gewand am Halse auf und zeigte auf ein kleines goldelfenbeinernes Gehänge.

»Schaut, Cavalière, dies Amulett nahm mir die Fürstin Lodovica und sandte es an Cosmo; und der gab es mir, bevor ich von ihm schied, zurück: es sei, sagte er, entwertet als Erkennungszeichen durch die Aussage Cellinis, der drei völlig gleiche Amulette schuf ... Damals hatte Cosmo seine fünf Sinne noch.«

»Gewiß, Messer Giuliano. Doch der Wahnsinn kann außermenschliehe Sinne und Erkenntnisse haben, die uns abgehn. So z.B. hatten zweifellos die geistig Gesunden unrecht und der Geisteskranke recht mit seiner Behauptung, Ihr wäret noch am Leben und müßtet auffindbar sein. Seltsamerweise ging gerade in jenen Tagen das Gerücht um, Ihr wäret als Mönch in Monte Cassino gestorben. Den König von Etrurien focht das nicht an, – ein Traum hatte ihm Euch lebend gezeigt ... Kein Traum und kein Irrwahn war aber die Ankunft eines englischen Grafen in Florenz, der Cosmo aufsuchte, ihm eine Euch betreffende Mitteilung zu machen.«

»Welche?«

»Das ahnte kein Mensch, – bis sterbend Cosmo es bekanntgab.«

»Erzählt, Cavaliere! Wie starb er? ...«

Und nun setzte Traiano Bobba seinen Bericht fort.


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