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24

Von neuem stockt das Gespräch, weil Achmed melden kommt, Guerzolo habe schon vor längerer Zeit das Castello verlassen und sei unauffindbar. Nichts darauf erwidernd, entläßt mit einem Kopfnicken Lodovica den Neger. Dann fragt sie:

»Kannte dich der Mörder?«

»Als ich ein Pastetenverkäufer, ein König von Narrenland, war, wohnte er nicht weit vom cyprischen Koch und sah mich täglich. Im Froschpfuhl kennen die Frösche einander, Principessa. Ich mochte schon damals sein keckes Gequake nicht und bedauerte die Zwergin Donna Faustinas – wie heißt sie gleich? ...«

»Rentinola.«

»Ja, die. Ich bedauerte sie, daß sie sich mit dem wurmstichigen Bengel verlobt hatte.«

»Wenn du ihn mit so finstern Brauen angeschaut hast, so verstehe ich, daß er das Weite gesucht hat.«

Auch Giuliano glaubt zu verstehn, – anderes und mehr allerdings zu verstehn, als die Fürstin vermutet. Sie will, sinnt er, Don Pietro und Cosmo keinen Dienst erweisen – der leise Auftrag an den Neger kann auch eine Warnung, ein Wink für Guerzolo gewesen sein ...

»Von den zwei Nüssen, die Prinz Karneval uns zu beißen aufgab, ist also die eine Nuß – das Mordgeheimnis – aufgeknackt. Die härtere Nuß aber ist deine Herkunft ... Nun, ich hoffe, daß heute das Rätsel gelöst werden wird. Die Zwischenzeit – seit Fastnacht – habe ich genutzt, um Nachforschungen anzustellen ... Rate – wo!«

»Wo?«

»Auf Cypern. Ich hatte erfahren, daß General Bragadino dir die Todesstrafe erlassen und dich wie einen Königssohn behandelt hat. Seine geschiedene Frau, die Marchesa Isotta, soll, während du bereits zum Hochgericht geführt wurdest, dem General ein Schriftstück gezeigt haben, das sie in der Tasche eines ertrunkenen Engländers gefunden hatte. Stimmt das?«

»Ja, Principessa. Daß mich das Eingreifen der Marchesa vor dem Galgen gerettet hat, ist wahr. Doch ob im Schriftstück die Wahrheit über mich stand, kann ich nicht sagen, denn ich habe das Schriftstück nicht gesehn.«

»Eben darum, weil weder du noch sonst jemand in Italien hierüber Auskunft geben kann, habe ich auf Cypern nachgeforscht. Einer meiner Vettern, der genuesische Admiral Conte Scipione Fieschi, segelte vorigen März mit einer kleinen Kriegsflotte nach der Levante ab, und ich ließ mich von ihm mitnehmen.«

»Habt Ihr den General Bragadino gesprochen?«

»Nein. Als wir Cypern erreichten, hatten die Türken die Insel angegriffen und belagerten Bragadino in Famagosta, wo er mit seiner kleinen venezianischen Heldenschar lange Zeit Wunder der Tapferkeit vollbrachte ... Andere Häfen Cyperns anzulaufen verwehrte uns Lala Mustapha, der osmanische Befehlshaber, nicht; er sah uns als Freunde an, weil auf unsern Schiffen die genuesische Flagge wehte und weil Genua der Erzfeind Venedigs ist.«

»Wart Ihr im Bergpalast der Lusignan, Principessa? Habt Ihr die Marchesa Isotta Pasolini aufgesucht?«

»Den Bergpalast haben die Türken in einen Trümmerhaufen verwandelt. Als wir im Hafen Limasol landeten, lag dort eine Feluke vor Anker, beladen mit christlichen Sklavinnen –: den adligen Mädchen der Marchesa Isotta.«

Leichenweiß wird Giuliano. Mit flackernden Augen und bebend am ganzen Körper fragt er:

»Um Gottes Barmherzigkeit willen, Principessa ...!

Wurden die Damigellen auf dem Sklavenmarkt Konstantinopels verkauft? ...«

»Beruhige dich, totes Kind. Um ein Haar wär's geschehn. Doch weil wir als Genuesen für Freunde galten, vermochten wir das Furchtbare abzuwenden. Auf meine Bitte hin verhandelte mein Vetter Fieschi mit dem Admiral der Ungläubigen, der für eine große Geldsumme – (ich bezahlte sie) – die Damigellen auslieferte. Auch die Marchesa – sie ist entfernt verwandt mit mir, die Tochter meines Großoheims, das sagte ich dir schon –, auch sie erhielt durch mich die Freiheit.«

»Oh! Wie mich das freut, Principessa! ... Und Ihr habt sie über mich ausgefragt, über das, was in den Papieren Norfolks ...?«

»Die Marchesa war stumm, als wir sie befreiten, und sie ist stumm geblieben. Sie hatte, während die Räuber sie in die Sklaven-Feluke setzten, einen Schlaganfall erlitten. Sie ist gelähmt und der Sprache beraubt; nur durch schwache Kopfbewegungen kann sie bejahen oder verneinen ... Dennoch gelang es mir, sie auszuforschen, wer du bist.«

»Niemandes Sohn, Principessa!«

»Nein; der Sohn Lorenzinos de'Medici!«

»Ich?! ... Verzeiht mein Lächeln, Principessa. Mein Verstand ist neben dem Euren wie ein wolkiger Topas neben einem fehlerlosen Smaragde; doch mein Lächeln ist gescheiter als Euer Ernst ... Bringt Ihr nicht Euren Verstand zum Opfer, wenn Ihr solches glaubt? Da, scheint mir, könnte man mich mit gleicher Berechtigung für den Sohn eines Schuhflickers halten, – wie es neulich einer getan hat ...«

»Wer?«

»War nicht Sokrates der Sohn einer armen Hebamme? Und war doch Sokrates!«

»Der den Giftbecher trank, du Besserwisser, weil er ein Verführer war ... Bist du ein Verführer, Giuliano?«

»Spottet Ihr mein, weil ich kein Philosoph bin? ... Nein, ich habe kein Talent zu verführen, – aber auch nicht, mich verführen zu lassen.«

»Zu was?«

»Es kommt mir nicht verführerisch vor, Lorenzinos Sohn zu sein, Principessa.«

»Nicht nur Gedanken verführen, – auch schöne Mädchen!«

»Ich bin gefeit, Principessa. Mich kann kein Mädchen ins Garn locken.«

»Wir werden sehn. Ich werde dich heute prüfen. Und falls du die Probe bestehst und dich bewährst, wird es dein Schade nicht sein!«

Durch das offene Fenster tönt Pferdegewieher und Scharren von Hufen ins Zimmer. Lodovica ist ans Fenster getreten, blickt hinab und sagt:

»Geschirrt und gesattelt stehn zwei Pferde – für dich und für mich – auf dem Hof. Komm, wir reiten hinüber.«

»Wohin, Principessa?«

»In mein Lustschlößchen drüben – in die Rocca di Venere: ein köstliches Abendessen erwartet uns dort und manch seltsames Wunder. Ich versprach dir ja die Tausend-und-zweite-Nacht! ...«

25

Der mondbeschienene Weg führte den Burgberg hinab, überquerte auf uralter Teufelsbrücke den Fluß und klomm jenseits, von Parkanlagen umgeben, den andern Schloßfelsen hinauf. Nach halbstündigem Ritt war das Ziel erreicht. Das Tor der Rocca steht weit offen; jedoch kein Kastellan, kein Torwächter, kein Lakai läßt sich blicken. Im Schloßhof angelangt, steigt Lodovica vom Pferd und heißt Giuliano das gleiche tun; in zwei an der Mauer befindliche Eisenringe verknoten sie die Zügel der Pferde.

Ihren staunenden Gast durch die Hallen und Gemächer der märchenhaft schönen Burg geleitend, belehrt ihn die Fürstin:

»Du wunderst dich gewiß, Giuliano, keinen Dienern hier zu begegnen. Es ist meinen Dienern nicht gestattet, diese Räume zu betreten; du bist der einzige Mann innerhalb der Burgmauern. Nachher, wenn wir uns zu Tisch setzen, werden Dienerinnen Speisen hereintragen und Wein einschenken. Doch warne ich dich: rede sie nicht an, richte keine Frage an sie! Mit den Feen der Rocca di Venere zu sprechen ist dir streng verboten; – übertrittst du dies Verbot, so zerbrichst du den Zauber meiner Zauberwelt und bringst dich selbst in große Gefahr dadurch. Bloß falls ich dir das Siegel vom Munde nehmen sollte, dürftest du ungestraft die Traumgestalten ansprechen, die du sehen wirst ...«

Je mehr, die Zimmer durchschreitend, Giuliano zu bewundern Anlaß hat, um so mehr wundert er sich über Lodovica: wie mag es in ihrer Seele aussehn, wenn dieses von ihr zum Kunstwerk gestaltete Schloß über ihre Wünsche und Triebe Aufschluß gibt! Übervoll vom Widersprüchen müssen ja ihr Geist und ihr Herz sein, ewig im Kampf mit sich selbst liegen, da auch die Räume, bei deren Ausschmückung ihre Phantasie sich hemmungslos auslebte, im Widerspruch miteinander sind, einander Fehde ansagen, Krieg miteinander führen. So ist dort ein Zimmer mit Totenknochen und Schädeln angefüllt, Gerippe klettern an den Wänden, als wären es riesige Spinnen; daneben liegt eine Kammer, wo die seltensten Orchideen aus China, Neuspanien und Peru in Töpfen blühn; eine dritte Kammer weist die neuesten Musikinstrumente aus Deutschland (Zinken, Posaunen, Tamboure) und auch Kniegeigen aus Cremona auf; in einer vierten hängen grobe Dudelsackpfeifen; aus einer Kammer, wo auf schwarzen Sockeln Bernsteinvasen und auserlesene Majoliken aus Urbino und Faenza sowie unschätzbare Caffagiuolo-Majoliken umherstehn, gelangt man in eine Kammer, die nichts als Scherben von Murano-Gläsern enthält ... Und ebenso widerspruchsvoll, anziehend sowohl wie abstoßend, sind die Wandmalereien. Von berühmten Künstlern wurden sie gemalt, den Vorschriften der Schloßherrin gemäß, Meisterwerke, die den Seligen eine Freude sein müssen und nicht minder den Verdammten. Da gewahrt man Madonnen, so zart und dekadent, so schwermutsvoll und innig, als wären sie von Borgognones Hand; da gewahrt man aber auch obszöne Darstellungen, orgiastische und phallische Bilder von entsetzlicher, Grauen erweckender Unanständigkeit.

Kalten Blutes, seinen Ekel nicht verratend, betrachtet Giuliano in aller Ruhe die Schamlosigkeiten. Er, der Rex Seraphicus, senkt den Blick nicht; weiß er doch, daß er heute einer Prüfung unterzogen wird. Wieder und wieder stellt er sich die Frage: wie es zu erklären sei, daß die Psyche eines bedeutenden, hochgebildeten und hochbegabten Weibes sich in solche Abgründe und Höllenschlünde verirren konnte.

Und auch eine andere Frage stellt er sich: wie kommt es, daß er nicht rebelliert? Daß er gefügig sich der Prüfung unterzieht? Es stünde ihm ja frei, sich zu weigern und aus der Rocca zu fliehn. Warum läßt er sich von der Fürstin wie ein schüchterner Adept in die Mysterien des verrufenen Schlosses einweihn? Was zwingt, was bezwingt ihn? Die wilde Schönheit Lodovicas? Nein –: ihn berückt ihr Zauber nicht! ... Fürchtet er, durch Flucht sich lächerlich zu machen, oder Haß, Verfolgung, Vendetta auf sich zu ziehn? Nein –: er ist einer, der das Fürchten nie gelernt hat ... Zu erklären vermag er sich seine Fügsamkeit nicht anders als durch seine brennende Neugier und Wißbegier und Hoffnung, zu all den eigenartigen Rätseln den Schlüssel zu finden. Und auszuharren zwingt ihn ja auch der Rat Benvenuto Cellinis, mit Circes Wölfen zu heulen und mit ihren Schweinen zu grunzen, um – falls ein Anschlag geplant werden sollte – Florenz zu retten ...

26

Strahlend beleuchtet ist der Speisesaal. Mit Rosmarin und Tuberosen bestreut ist die fürstlich gedeckte Abendtafel; auf deren Damast flirren in emaillierten Armleuchtern zahllose Kerzen. Nur zwei Gedecke. Unschätzbar der aus Gold gestanzte Tafelaufsatz. Aus schwerem Gold alle Löffel, Gabeln, Messer, Teller und Pokale.

Seiner Gastgeberin, die ihn feierlich zeremoniös aufforderte, Platz zu nehmen, sitzt Giuliano erwartungsvoll gegenüber. Die absonderliche Festlichkeit, pomphaft und öde, wirkt melancholisch auf ihn ein wie Jubel ohne Jubelnde. Auf mehr Absonderliches ist er gefaßt und könnte kaum noch erschrecken, wenn unsichtbare Geisterhände zu servieren begännen.

Oder etwa Hände sichtbarer Geister? Hatte sie ihm nicht Traumgestalten angesagt?

Da geht die Tür auf und herein in den Eßsaal kommen acht völlig nackte Mädchen. Die einen tragen Schüsseln und Platten mit Speisen, die andern Elfenbeinkannen mit Wein.

In einen Dämmerzustand gerät Giuliano. Er sieht die ganze berückende Schar und sieht doch die einzelnen Mädchen nicht. Ihm ist, als träume er einen seligen Traum, und doch fühlt er sein Wachsein. Keinen Augenblick vergißt er, daß Lodovica ihn auf Herz und Nieren prüfen will. Unverwirrt erlaubt er seinen reinen Augen, sich am Anblick der wundervoll schlanken Leiber zu weiden. Die Venus Botticellis hätte er nicht wunschloser betrachten können ...

Als eben das erste der Mädchen, dicht an ihn herantretend, ihm Wildbret auf goldener Schüssel anbietet und ihm dabei versehentlich den Ärmel mit ihrer entblößten Brust streift, – zuckt er zusammen, blickt ihr ins Gesicht und stößt einen wilden Schrei aus. Die schöne Nackte neben ihm ist Raffaela, der toten Violetta Freundin!

Er ist von seinem Sitz emporgesprungen, er ist im Begriff, den Namen »Raffela!« erschüttert und erschütternd in den Saal zu gellen. Im letzten Moment jedoch bezwingt er den Wunsch, sie anzureden und zu begrüßen. Er starrt ihr Gesicht an und dann der Reihe nach die Gesichter ihrer Gefährtinnen – und alle erkennt er, – da ist Marietta! – da ist Nella! – und auch die andern alle, die einst in Isottas Bergpalast mit Violetta und ihm gehaust hatten ...

»Setz dich!« herrscht Lodovica ihn an. »Ein Glück für dich, daß du gegen die Vorschrift der Rocca nicht verstoßen hast!«

Er gehorcht, nimmt am ganzen Körper bebend seinen Platz wieder ein, ihr gegenüber.

»Schwer wird mir's, die Begrüßung zu unterlassen, Principessa! Ihr zwingt mich, unhöflich zu sein.«

»Kann man gegen Träume unhöflich sein?« spottet Lodovica und zerlegt einen Fasanenflügel.

»Wüßte ich, daß ich träume! ... Doch nein, nein, Principessa, ich weiß, daß ich wach bin! Diese sind Fleisch und Bein!«

»Nun ja, – es sind meine Sklavinnen. Ich kaufte sie den Türken ab; – und zum Dank helfen sie mir, einen Frauenstaat zu gründen, ein Amazonenreich, das Männern bloß Einlaß gewährt, wenn es gilt, ein Rosenfest zu feiern – wie heute!«

Und glockenhaft ertönt ein leises ungutes Lachen Lodovicas.

»Verachtet Ihr die Männer so sehr, Principessa?«

»Noch keinen fand ich, der angesichts entblößter Mädchen über Plato diskutieren konnte. Verlernt hat die Menschheit, natürlich zu sein, wie sie es in ihrer Kindheit gewesen, – natürlich wie die Rehe im Walde. Die Kultur hat den Menschen zuchtlos gemacht und verderbt.«

»Ich kann nicht widersprechen, Principessa; und würde es begreifen, wolltet Ihr einzelne (die es wert sind) um Euch scharen, sie zu beeinflussen, sie zu heilen von kranker Gier, sie zu bessern. Warum aber denkt Ihr an einen Frauenstaat? Ist es Euch so ernst mit der Weltverbesserung?«

»Gewiß, Giuliano! Und ich will dir auch sagen warum: weil alles Unrecht und alles Elend auf Erden begann, als die Männer den Frauen das Zepter entrissen, – als Apollo das Erbe seiner Mutter antrat und das Vaterrecht den Menschen brachte.«

»Damals, Principessa, kam die Liebe auf die Welt und mit der Liebe die Tragik ... Seiner Mutter herrlichstes Erbe war er selbst. Besseres als einen Sohn kann keine Frau hinterlassen!«

»Die cumäische Sibylle hinterließ ein Buch, totes Kind, – das tiefste Buch der Welt.«

»Ich bin nicht bewandert wie Ihr, Principessa, – doch meine ich, daß es ein Mann war, der auf Patmos die Apokalypse schrieb. Und Männer gleichfalls waren Phidias, Archimedes, Heraklit, Dante ... Könnt Ihr Euch Michelangelo als Frau denken?«

»Warte ab, Giuliano, wen meine Mädchen zur Welt bringen werden. Die amazonische Kultur hat noch nicht begonnen ... Auf die laß uns jetzt anstoßen!«

Er darf es ihr nicht verweigern. Während er vom Wein nippt, schweifen seine Augen über den Rand des Pokals zu den Damigellen hin. In gleichen Abständen von einander haben sie sich längs der Saalwand aufgestellt, regungslos wie marmorne Karyatiden schauen sie geradeaus ins Leere; doch obgleich sie ihn nicht ansehn, fühlt er die Trauer ihrer ihm geltenden Gedanken.

»Du erwähntest Patmos«, beginnt Lodovica nach einer kurzen Pause. »Ist das nicht eine Insel – irgendwo bei Kleinasien? Warst du auf Patmos, als du aus Cypern flohst?«

»Nein, Principessa. Dem Hauptmann Jacopo Malatesti lag daran, auf dem nächsten Weg Ancona zu erreichen.«

»Weswegen mußte der Hauptmann Cypern verlassen?«

»Sein jüngerer Bruder Malatesta Malatesti war bei einem Raufhandel von einem trunkenen Fähnrich erstochen worden und Jacopo hatte es auf der Stelle blutig gerächt.«

»Warum aber ließest du dich überreden, mit Jacopo zu fliehn? Dir war doch die Todesstrafe erlassen worden. Du wurdest doch von General Bragadino wie ein Prinz behandelt. Er hatte die Absicht, dich an die Signorie Venedigs zu schicken, damit sie dir zu deinem Recht verhelfe.«

»Zu welchem Recht, Principessa? Das eben war es, was mich aus Bragadinos Nähe vertrieb. Ich glaubte nicht und glaube auch heute nicht daran, daß er über mich die Wahrheit erfuhr.«

»Wie?! Er nahm dich doch wie einen Sohn in sein Haus, als er hörte, wer du bist.«

»Von Marchesa Isotta hörte er es. Undenkbar scheint mir's, daß sie, die so unmenschlich mich haßte, ihn nicht belog.«

»Dir also Gutes antat, – um dir Böses anzutun? Zu welchem Zweck? Warum das?«

»Weil mein Tod ihr eine zu geringe Sühne war.«

»Was, meinst du, könnte sie denn beabsichtigt haben?«

»Mich zum Betrüger zu machen; mich in Venedig mit königlichen Ehren überhäufen zu lassen, – um zu guter Letzt mich als Bettlersohn zu entlarven ... Ich wünschte, ich hätte damals Auge in Auge mit ihr reden können; – doch sie war sofort, nach kurzer Aussprache mit Bragadino, in ihren Bergpalast zurückgekehrt.«

»Du ahnst die Tiefe ihrer Reue nicht, Giuliano. Sie hätte auch damals dir nichts anderes gesagt, als was sie heute – (durch ein Zeichen, denn sie ist ja stumm) – dir sagen wird.«

»Wird? ...! Ist Marchesa Isotta hier?«

»Ja, – hier in der Rocca di Venere. Daß sie gelähmt und der Sprache beraubt ist, sagte ich dir schon. Sie ist eine Sterbende, Giuliano. Die Ärztin (von der sie gepflegt wird) bezweifelt, daß sie den heutigen Tag überleben kann, – den sie so dringend ersehnt hat, um dir durch ihre Blicke kundzutun, wie grenzenlos sie bereut, was sie an dir und Violetta gesündigt hat!«


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