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Und nun schrieb Cosmo einen Brief an Francesco, worin er ihn einlud, zu einer zweiten Aussprache nach Pisa zu kommen und die Malatesta-Novelle mitzubringen. Kein Wort der Entschuldigung; – deutlich genug indes war der Wunsch, die Novelle zu sehn, eine Entschuldigung, ein Schritt zur Aussöhnung. Denn bei der ersten Aussprache in Poggio a Caiano hatte Cosmo auf Semiramide nichts kommen lassen und wutschäumend erklärt: das sei ihm keine Neuigkeit, daß Semiramide in längst vergangener Zeit – (noch halbwüchsig und beeinflußt von einem schwachsinnigen Vater) – guelfisch, republikanisch und den Medici feindlich gewesen sei; das beweise für die Gesinnung der jetzigen, ihm wie ein treuer Hund anhänglichen Semiramide nicht das geringste. Und schroff hatte er es abgelehnt, auch nur einen Blick in das Manuskript zu werfen.

Francesco kam nach Pisa und brachte das corpus delicti mit ... Arme Semiramide! Nicht erst jetzt wurde der Stab über sie gebrochen, – das war schon geschehn, als Cosmo die Seiltänzerin erblickt hatte. Einer Handhabe bedurfte er, um sich Semiramides entledigen zu können; und die mit vorgefaßtem Grimm gelesene Novelle lieferte ihm den erwünschten Vorwand, versetzte ihn in die erforderliche Wut ...

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Es blieb nur noch die Frage zu lösen, wie er gegen Semiramide vorgehn sollte. Das vergnügungssüchtige Mädchen in ein Kloster zu stecken, schien ihm eine übertriebene Grausamkeit. Einen Bräutigam aus altadeligem Hause aber ausfindig zu machen – (nur ein solcher kam für die Buhle eines Duca in Betracht) – war schwierig. Francesco, mit dem er sich beriet, schlug vor: Semiramide dem Freunde und Kumpan Don Pietros, Signore Carlo degli Panciátichi, zur Frau zu geben. Demselben Carlo, der vor kurzem erst vom jungen Duca mit dem Stefans-Orden belohnt worden war, weil er an Semiramide, seiner früheren Geliebten, Rache genommen und das Vorhandensein einer Malatesta-Novelle verraten hatte.

Daß Carlo sich weigern könnte, ein Edelfräulein von schadhaftem Ruf zum Altar zu führen, war nicht anzunehmen. Der Hitzkopf hatte – seit seiner Audienz – sich in eine so verzweifelte Lage gebracht, daß er gar nicht anders konnte, als wahllos nach einem Rettungsanker zu langen, – falls sich ihm einer böte. Er hatte nämlich, bei nächtlichen Raufereien, zuerst den Diener eines angesehenen Florentiners und dann diesen selbst erstochen, war Sbirren in die Hände gefallen und vom Gericht der Acht zum Tod durch das Henkerschwert verurteilt worden. Die Acht hatten ein Exempel statuieren wollen. Doch dem jungen Duca (dessen Unterschrift unter dem Verdikt noch ausstand) war nicht ganz wohl dabei, – hatte er doch selbst vor nicht langer Zeit Bianca Cappellos Gatten, den reichen Tuchhändler, beseitigen lassen. Und da auch Sforzas Tod ungesühnt bleiben mußte, schien es Francesco wünschenswert, der drakonischen Strenge der Acht einen Dämpfer aufzusetzen. Gegen eine Hinrichtung Carlos sprach auch die Erwägung, daß die Panciátichi ein Herrschergeschlecht gewesen waren, Tyrannen in Pistoja, unumschränkt wie die Medici, straffrei und bürgerlicher Zuchtrute enthoben. Nicht gegrollt sondern zugejubelt hatten die Florentiner vor einem Vierteljahrhundert den Panciátichi, die – als Cosmos Sieg über Filippo Strozzi und Valori bekannt wurde – fünfzehn ihrer guelfischen Gegner, der Cancelieri, in den Kerkern Pistojas erdrosselten – (obgleich sowohl die Panciátichi wie die Cancelieri von einem gemeinsamen Ahn abstammten, dessen Söhne sich eines schönen Mädchens wegen entzweiten ...). Und auch das mußte Carlo zugutegehalten werden, daß sein verstorbener Vater, einer der reichsten Bankiers in Italien, während der Belagerung Sienas Cosmo eine ungeheuer große Geldsumme vorstreckte, und daß diese Geldsumme bisher nicht zurückgezahlt worden war.

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Francesco kehrte nach Florenz zurück und verkaufte Semiramide dem um sein Leben zitternden Carlo. Als Kaufpreis wurde die Rückgabe des seinerzeit geliehenen Geldes festgesetzt ... Mit einem beträchtlichen Vermögen wurde Semiramide abgefunden. Sie erhielt das Recht, darüber nach Gutdünken zu verfügen – auch über die ihr von Cosmo geschenkten Juwelen, die zu behalten man ihr gestattete. Der Versuch Carlos, sich zum Mitbesitzer dieser Reichtümer zu machen, mißglückte. Die Folge davon war, daß er Semiramides Gatte und Erpresser wurde, ihr unersättlicher Blutegel.

Aus Verzweiflung über die Heirat seiner Tochter warf Signore Luigi degli Albizzi seine berühmte Sammlung Brabanter, Buranoer und Valencienner Klöppelspitzen ins Feuer und vergiftete sich mit weißer Bleischminke. Da die anberaumte pompöse Hochzeit sich nicht aufschieben ließ, war daher Semiramide berechtigt, bei der Trauung ein schwarzes Brautkleid zu tragen und nach Herzenslust zu weinen.


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