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Beim Frühstück war der kaiserliche Herr recht aufgeräumt gewesen. Seine Worte hatten so munter geleuchtet wie seine Augen, denn ein lieber Freund saß ihm am Tisch und machte gutes Wetter in allen Herzenskammern.
Als die beiden alten Herren dann ins Arbeitszimmer gegangen waren und mit angezündeten Zigarren einander gegenübersaßen, da wollte dem älteren freilich wieder ein wenig bang ums Herz werden beim Anblick des Briefes, der oben auf dem Poststoß lag.
»Lesen Sie!« sagte er, indem er dem Freunde das Blatt reichte.
Es war eine schwarzumränderte Mitteilung. »Graf Bismarck-Bohlen«, sagte Roon, »der lustige Bismarck-Bohlen … so jung.«
»Wenn die Alten sterben, so ist es mir nicht so schlimm. Das muß sein … aber wenn der Tod über uns hinüber nach den Jungen greift, da spüre ich seinen Schatten auf mir und frage mich, ob ich meine Jahre gut angebracht habe und nicht als ungetreuer Knecht zur Rechenschaft gezogen werde. Länger leben zu dürfen als andere legt besondere Pflichten auf. Übrigens - der junge Mensch hat sich selbst - in Venedig … ich weiß noch nicht warum. Aber gibt es irgend etwas, was uns aus dem Leben zwingen dürfte? Dieses junge Geschlecht hat seine Verantwortung vor Gott nicht begriffen.«
»In Venedig …«, sagte Roon wehmütig, und da fuhr er auch schon in einer Gondel auf einem dunkeln Wasser, das im Grunde einer Schlucht von Häusern regungslos stockte. Die eine Wand war grell im Mond mit dem steinernen Zierwerk, das alabastern und bunt um Fenster und Balken gewunden war, die andere stand wie geronnene Finsternis. »Sie sollten nach dem Süden, Majestät, Ihre Gesundheit könnte ein wenig Sonne und Freiheit vertragen.«
»Ich?« verwunderte sich der Kaiser über diesen Anruf eines höchst jugendlichen Leichtsinns, »wohin wollen Sie mich verlocken? Was denken Sie? Jetzt, wo hier die größten Affären bevorstehen. Bismarck wird sich die europäischen Staaten invitieren, um ihnen die Knoten aufzulösen, die sie sich in ihre Fäden gemacht haben. Es ist sehr ehrenvoll, den Schiedsrichter abzugeben, aber wir werden uns die Nägel dabei abbrechen. Die Welt hat nun einmal den Eigensinn, an den ehrlichen Kulissier nicht zu glauben. Und sonst … sehen Sie nur …«, er ließ die flache Hand auf den Stoß von Akten und Briefen fallen, »mein Tagespensum …«
Er nahm das Blatt auf, das zuoberst lag, und mit der Geschwindigkeit des Vielbeschäftigten ließ er den Blick darüberlaufen. Dann aber begann er es noch einmal und sehr bedächtig von vorn, als der treue und gewissenhafte Arbeiter, der er war, und dem kein Wort zu klein und dürftig schien, um es nicht zu wenden, wie sein Futter aussähe. Es war ein Akt mit dem Vorschlag für die Aufschrift im Giebelfelde der Nationalgalerie. »Sie wollen hinsetzen: ›König Wilhelm der deutschen Kunst‹ und die Enkel werden dann mit den Fingern zeigen: ›Was der alte Herr schon von der Kunst verstanden hat.‹ Nee, was meinen Sie, Roon, der Kunst soll man keinen Ring durch die Nase ziehen und sie partout tanzen lassen wie den Bären auf dem Jahrmarkt. Ich verstehe nichts davon, die Knöpfe sollen richtig an den Uniformen sitzen, das bitte ich mir in der Ruhmeshalle aus, wenn die Begebenheiten auf die Wand gepinselt werden, aber sonst mag die Kunst sehen, wo sie bleibt.«
Roon, durch einen Blick befragt, hatte gleichfalls nichts dagegen, daß die Kunst selber sehe, wo sie bleibe, und daß man ihr seine Gönner- und Vormundschaft nicht aufdränge; so kratzte denn der Gänsekiel gefräßig über das Papier und nahm den König Wilhelm fort. Es blieb bloß der deutschen Kunst dritter Fall übrig mit einem großen D am Anfang, also, daß mit keinem Wort gesagt war, wer als der Spender gelten wolle. Die Weihe des Ungenannten blieb über dem Widmungswort.
Hierauf trennte der Kaiser das letzte leere Blatt des Bogens sorgsam ab und legte es beiseite zu einem Häuflein, das von Tag zu Tag als Erspartes wuchs und zu gelegentlicher Verwendung bereit war. Es war die Methode eines guten Hausvaters, der nichts ungenützt verderben lassen will und vor dem unscheinbarsten Ding fragt, ob es nicht noch irgendwie zu Ehren kommen könne.
Dann wurde der Akt vom Stoß gehoben und in die Mappe getan, ein anderer kam zum Vorschein, und der hatte etwas von des Lebens Heiterkeit an sich, als schwänzele nach der ernsten Kunst ein satirisches Schweiflein einher. »Ach«, sagte der Kaiser, »unser Karl Meier Baron von Rothschild hat schon wieder den Ordensbandwurm. Das ist eine Krankheit, die bei ihm periodisch auftritt, wie die Regenzeit oder der Monsun in den Tropen. Was soll man tun? Den Brillantenen Stern zweiter des Roten Adlers hat er schon. Er macht ja enorm viel durch seine Frau für die Wohltätigkeit … sie hat das Verdienstkreuz bereits akquiriert, er muß aber wohl auch dekoriert werden, es ist ja sein Geld. Wie denken Sie über das Komturkreuz des Hohenzollern-Ordens? Hat einen sehr schönen sechseckigen Stern … was meinen Sie, Roon?«
Roon war nicht im Zweifel darüber, daß dieser sechseckige Stern den bereits auf der Rothschildschen Ordensbrust aufgegangenen Sternenhimmel höchst angemessen ergänzen werde. Ein paar Worte flohen schief über den Rand des Bogens; plötzlich hielt der Kaiser inne und schob den Akt weit von sich. Es war ihm eingefallen, daß er im Begriff war, sich an die Arbeit zu verlieren, als wäre er allein wie sonst. »Da kommen Sie zu mir auf Besuch, und ich tue, als wären Sie noch im Dienst und nicht der freie Mann, der Sie sind.«
Das wäre die Gewohnheit der Pflichterfüllung, meinte Roon, die laufe in ihren Stunden dahin, wie die Eisenbahn auf ihren Schienen, und wenn die Fahrzeiten nicht eingehalten würden, gäbe es Verspätungen und Verwirrungen im Verkehr. Der Kaiser hatte ein anderes Bild für dieselbe Sache, die Gewohnheit setze sich im menschlichen Leben ab, wie der Kalk im Leib gewisser Meerestierchen, bis schließlich das ganze Tier nichts sei als ein Kalkgerüst, an dem nichts geändert und umgebaut werden könne, und schließlich stürbe das Tier daran. Das war eine wissenschaftliche Erläuterung noch von Anno Humboldt her, der seinerzeit den königlichen Hof einschließlich der Prinzen und der Hofbeamten durch beharrliche Darlegung seiner Ansichten über die Natur gepiesackt hatte; wenn man aber den Raum betrachtete, in dem sich die Arbeit des Kaisers vollzog, so mochte man eher geneigt sein, seiner eigenen bildhaften Meinung vor der des Freundes den Vorzug zu geben. Denn von stürmischem Dahinbrausen war hier nichts sichtbar, wohl aber von einer Verkrustung des Lebens, von der Schichtung der Jahre und vom Satz der Erinnerungen. Die Zeit hatte die kleinen Kalkteilchen des Daseins herangeführt und sorgsam abgelagert in Gestalt von Bildern, von Büsten, von Fahnen, Schleifen und Kränzen, von Statuen und Statuetten, von Briefbeschwerern und Rauchzeugen. Das starre Gehäuse war gewachsen, an den Wänden hingen die viereckigen und runden Ölbildnisse von Angehörigen des königlichen Hauses, kleinere Bildchen hatten sich auf dem Schreibtisch gehäuft; Nachbildungen von allen Denkmälern berühmter Feldherren oder von Monumenten kriegerischer Begebenheiten im allgemeinen nahmen die Sockel und Tischchen ein, so daß schließlich für den lebenden Inwohner nur ein knapper Platz am Schreibtisch übriggeblieben war und zur Bewegung fast nur der Schritt von dort zum Eckfenster. Unfähig, die kleinste Erinnerung eines Patriarchenlebens als wertlos abzutun, hielt der Kaiser dieser Bedrängnis stand und entnahm ihr das Gefühl der Enge, das seinem arbeitsamen Tag Bedürfnis und Vorteil war. Man war alt im Reichtum dieser Gedächtnisschichten und war doch auch wieder jung, weil sie die entlegensten Erinnerungen gegenwärtig hielten. Irgendwie hing es mit solchen Gedanken zusammen, daß der Kaiser jetzt das Bildnis des erstgeborenen Enkels vor den Freund hinschob. »Den hab' ich nun selbst beim ersten Garderegiment eingeführt, und er soll mir ein guter Soldat werden, wie er ein flotter Student gewesen ist. Man rühmt ihm ein Redetalent nach, das ist keine schlechte Gabe, ein gutes und besonnenes Wort am rechten Platz kann Wunder tun.«
»Majestät haben ja einen zu Diensten, der Wunder im Worte tut. Ich habe Bismarck nicht auf allen seinen Wegen folgen können, aber was er da im Februar über Rußland, Österreich und uns gesagt hat, das war groß in Klarheit und Kraft.«
Roon hatte keine Höflingsgeschicklichkeit, und wenn er auch nicht so abseits von den Erdbebenherden der Politik lebte, daß er die großen Erschütterungen nicht verspürt hätte, so wußte er doch nichts von den geheimen, aber um so gefährlicheren Schwankungen und Spannungen unter der Oberfläche, die nur von den genauen Instrumenten verzeichnet und gedeutet wurden. Nachdem er so geradenwegs auf den besonderen Kummer des kaiserlichen Herrn losgegangen war, wich dieser auch nicht weiter aus, sondern legte die Hand auf Roons Arm und senkte den Blick in den seinen.
Ja, mit Bismarck hatte es seinen grimmen Haken, und der Kaiser war glücklich, mit Roon darüber zu sprechen, da er bei Augusta nicht daran rühren durfte, ohne daß sie mit »Siehst du wohl« und »Ich hab' es immer gesagt« gleich meilenweit über das Ziel hinausschoß. Das aber war gewiß und unabstreitbar, daß Bismarck aus einem treuen Paladin zu einem gewalttätigen Hausmeister geworden war, und zwar zu einem recht eigensinnigen und reizbaren, der bei jedem Widerspruch und Mißlingen gleich Schlüssel und Orden, und was sonst als Abzeichen seiner Würde gelten mochte, hinwarf und mit Abgang drohte. »Ich muß mich wehren«, sagte der Kaiser bekümmert, »daß er mich nicht zum Niemand herabdrückt. Das geht doch nicht, daß er Dinge hinter meinem Rücken und über meinen Kopf hinweg tut, als wäre ich einfach nicht mehr da oder schwachsinnig geworden. Da hätte er mir unlängst beinahe Bennigsen ins Ministerium gebracht; ich habe mich tüchtig auf die Hinterbeine stellen müssen. Nun ist es ausgemacht, daß mir diese Laus nicht in den Pelz gesetzt wird, aber Bismarck hat die Verhandlungen bloß aufgehoben, trotzdem er weiß, daß nichts daraus werden darf, und so hält er die Nationalliberalen immer noch am Band. Ist das noch ehrliche Politik? Überhaupt, wie hat er mir die Parteien durcheinandergebracht, durch Versprechungen und halbe Wendungen und Schwanken von heute auf morgen, so daß sich kein Mensch mehr in ihm auskennt.«
»Mit den Konservativen ist es schwer, die sind gänzlich verdorrt und drehen sich mit ihrer Staatsidee im Kreis«, sagte Roon, und das konnte der Kaiser von einem unverdrossenen Parteigänger immerhin annehmen, zumal er hinzusetzte: »aber mit den Liberalen geht es ebensowenig.«
Genau betrachtet war der Bismarcksche Haken gar kein einzelnes und einfaches Ding, sondern ein ganzes Bündel von widerwärtigen Verbogenheiten mit den krummsten Spitzen der Welt. Da waren diese kämpferischen Maigesetze, die Ehe und Schule und Vermögensverwaltung der Kirche und weiß Gott was sonst noch unter dem Vorwand des Ausstaubens und Lüftens auf den Kopf gestellt hatten. Und überhaupt, dieser unnötige Aufwand von Bewegung allerorten, dieser beständige Wechsel von Personen, dieser Wirbel um Bismarck, in dem das neue Gesicht, an das man sich kaum gewöhnt hatte, gleich wieder unterging.
Der schlimmste aller Bismarckschen Haken aber war dieser neue, der von ihm ausgeworfen worden war, um Österreich daran zu sich herüberzuziehen.
»Darüber muß die Freundschaft mit Rußland in die Brüche gehen, denn die beiden sind niemals unter einen Hut zu bringen. Wir haben zwischen den beiden zu entscheiden, und ich denke nicht, die Freundschaft, die mich vom Vater her mit dem Zaren als corde sensible verbindet, aufzuopfern.«
In diesem Punkte freilich war Roon anderer Meinung als der kaiserliche Freund, und vorsichtig stellte er seinen Widerspruch ans Licht, daß Rußland doch keineswegs diese Treue zu schätzen wisse; es hätte vielmehr recht unzweideutig mit Frankreich angeknüpft und halte immer den Dolch gegen den Rücken Deutschlands gezückt.
»Hören Sie mir auf«, sagte der Kaiser mißtrauisch, »hat er Ihnen auch das österreichische Tränklein eingegeben? Aber mich soll er nicht damit benebeln, diesmal leiste ich Widerstand bis zum Ende.«
Da schwiegen nun die beiden alten Herren gegeneinander, um nicht mehr sagen zu müssen, was der Freundschaft unliebsam gewesen wäre; und wie immer, wenn der Kaiser Kraft zu Entschlüssen und Stärkung seines Willens brauchte, gingen seine Gedanken zu Gott und kehrten von dort mit der Fracht gläubiger Zuversicht zurück, freilich nur, um dann desto deutlicher zu erkennen, was der Menschheit alles an wahrer Gotteskindschaft gebreche. »Wir leben in einer irren und wirren Zeit«, sagte er seufzend, »es fehlt uns am rechten religiösen Erlebnis. Anstatt sich hinzugeben, preisen sie die Selbstbehauptung, und aus der wächst die Selbstherrlichkeit. Und selbst die Kirche ist von dem neuen Geist erfüllt. Hat da nicht unlängst so ein aufgeklärter Herr in der Jakobikirche von der Kanzel gepredigt, daß die Evangelien Menschenwerk seien, und der Heiland sei nicht Gott-Mensch, sondern nur ein von Gott besonders begnadeter Mensch? Soll man sich dann wundern, wenn mit der Gottesleugnung auch der Geist des Aufruhrs wächst, die rote Gefahr, die Hand in Hand mit dem Unglauben geht?«
Der Christenglaube Roons war etwas wie ein altes Erbstück von Väterzeiten her, ein Möbelstück, auf das man sich einfach verließ, weil sich die Vorfahren darauf verlassen hatten, ohne es sonderlich in den Alltagsdienst zu ziehen und insbesondere ohne nachzusehen, was in den einzelnen Schubfächern enthalten sei, oder über ihre Zweckmäßigkeit nachzudenken. Um so mehr hatte er über das neue Möbel nachgedacht, über den Christentumersatz der Sozialdemokratie, die ja bisweilen sich so aufzuspielen liebte, als hätte sie die Gedanken- und Gefühlswelt von Pauli und der Katakomben Zeiten her frisch aufpoliert und wieder gebrauchsfertig gemacht; zum wenigsten so, daß es herauskam, als müßten die Sozialdemokraten zwar nicht Christen sein, aber als wären die ersten Christen nur mangelhaft unterrichtete Sozialdemokraten gewesen. »Ich habe den Eindruck«, sagte Roon behutsam, »als wäre die Sozialdemokratie etwas, das eigens gegen Deutschland erfunden worden ist. Die anderen Länder haben ja auch ihre Internationalen, aber während diese ihre Phrasen brüllen, verständigen sie sich als die guten Auguren, die sie sind, mit einem Augenzwinkern, daß sie es gar nicht so meinen. Nur unsere guten Deutschen glauben alle diese Manifeste und Kundgebungen aufs Wort und lassen sich das Messer in die Hand drücken, um gegen den Staat Amok zu laufen. Wessen Geschäfte besorgen sie wohl? Sie sind einmal für den ewigen Frieden, dann aber gebärden sie sich manchmal so wüst, als wären sie vom Ausland bezahlt, um uns in einen Krieg zu hetzen. Laufen da nicht Fäden nach Paris und nach London, wo Herr Karl Marx ein behagliches Dasein führt, man weiß nicht von wessen Gnaden? Die wahre Gefahr für uns wird dann eintreten, wenn das Reich in einen Krieg verwickelt wird und die Sozialdemokraten stark genug sind, um sich an unser Schwert zu hängen.«
Mit geneigtem Kopf hatte der Kaiser zugehört; nun kam dem Allgemeinen plötzlich eine besondere Frage in den Weg: »Haben Sie die ›Berliner Freie Presse‹ an meinem Geburtstag gesehen? Können Sie mir sagen, warum das Sozialistenblatt an diesem Tag mit schwarzem Trauerrand erschienen ist?«
Obzwar Roon das vielbemerkte Ereignis gleichfalls nicht unbeachtet gelassen hatte und auch im Besitz eigener Gedanken darüber war, zögerte er mit einer Antwort, der er in der Geschwindigkeit nicht die nötige Rundung hätte geben können. Aber der Kaiser ersparte ihm die Drechslerarbeit, indem er selbst gleich an seine Frage die eigene Antwort hängte: »Ist es nicht, als ob sie andeuten wollten, daß sie dieses beginnende Jahr als mein Todesjahr ansehen möchten? Wollen Sie mir den Abgang ansagen? Steht vielleicht schon einer bereit, um auf mich zu schießen, wie auf Bismarck? Ist das wirklich die Stimme meines Volkes?«
Aber in diesem Augenblick kam eine andere Stimme, die auf einem längst wahrnehmbar gewesenen dumpfen Orgelpunkt plötzlich mit einem Geknatter von Trommeln und Gequieke von Pfeifen einsetzte. Die überschlugen sich so voll übermütigster Unternehmungslust in der klaren Mailuft, daß es war, als müßten die dünnen Wände der Lichtglocke über dem Palais und der Schloßwache und den Linden zerspringen. Die Standuhr auf dem Schreibtisch tickte in den Lärm zwölf silberne Schläge, da erhob sich der Kaiser und trat an sein Fenster. Die Schloßwache zog auf, aber der militärische Spektakel bewegte sich keineswegs abgeschlossen und wurzellos durch den Mittag, sondern war von einer breiten, wimmelnden Bürgerlichkeit gesäumt und getragen, die nun, da sie den Kaiser an seinem Fenster sah, mit unzähligen Hüten zu winken und zu rudern begann.
Der Kaiser, wenige Schritte von den Nächsten entfernt und nur ein Geringes über die Menge erhöht, winkte zurück, und das war alles zum Glück nicht im mindesten feierlich, sondern eine Art Volksfest und Wallfahrt, bei der die Lustbarkeit eine Hauptsache ist. So grüßten der Kaiser und der Berliner einander, und die alte französische Kanone drüben beim Zeughaus wünschte sich einen Zentner Baumwolle in die Windungen, um dieses unliebsame Getöse nicht hören zu müssen.