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I.A. Lasinsky, Tempel auf dem Niederwald (1828).
Der Blütenwald des Stromtals überzweigte
      
 Den blutigen Ball, daß mein berauschtes Auge
      
 Zum erstenmal das Weh des Kriegs vergaß;
      
 Und wie ein Schmetterling die Flügel spannt,
      
 Erhob ich mich und stieg den Berg hinan,
      
 Gelockt vom Blau – wer weiß: in wunder Flucht
      
 Vor dem Betrug sich spiegelnder Blütenhänge,
      
 Die jenen Höllenreiter mir entfernten ...
      
 Allein – je mehr ich aufstieg im Gebirge,
      
 An kahlen Rebenlehnen, zwischen Schnee
      
 Der Hecken, unterm ersten tropfenden Grün
      
 Der Buchenhallen, über Steingeröll,
      
 Wo Eidechsen im Sonnenbrande flitzen,
      
 Je tiefer war der Frieden um mich her –
      
 Bis mich der ebene Rasenplatz des Gipfels
      
 Aber dem gläsernen Meer der Waldeswogen
      
 Wie eine seidne Wolke schweben ließ ...
      
 Das Eichhorn lief am Fuß des Stamms zur Erde,
      
 Die überstickt mit Schlüsselblumen war;
      
 Des Spechtes dunkler Trommelwirbel hallte
      
 Von einem knospenden Hochwald klar herauf;
      
 Die süßen Düfte warmgeglühter Tannen,
      
 Denen das märchenblaue Harz entquillt,
      
 Schwankten in flimmernder Luft, und auf dem Steilhang
      
 Der hohen Holzung träumten Samenbäume
      
 Mit lichtgelöstem Wipfel in die Bläue ...
      
 Da – drang auf einmal in die sichere Stille
      
 Der singenden Höhe ganz von fern ein Ton,
      
 Der erst nur war wie Stampfen meines Bluts,
      
 Doch dann mit dumpf-gewaltigem Stoße deutlich
      
 Die pralle Luft erschütterte, bis endlich
      
 Das wunde Ohr den grausig-ängstigen Takt
      
 Todspeiender Mörserriesen unterschied –
      
 Vom ersten Bombenschlag und Doppeldonner
      
 Aufflackernder Duelle bis zum rollend
      
 Losbrechenden Höllensturm der Trommelfeuer ... 
      
Ja, in den Paarungsruf der wilden Tauben,
      
 Die Anemonenunschuld alles Blühns,
      
 Die Birkenwiesen dieses weltentrückten
      
 Spielgrunds der Winde und der Gipfelschatten
      
 – Gedämpft durch ungeheuere Länderweite –
      
 Brüllte der mörderische Krieg der Welt,
      
 Daß aus dem Innersten der Boden bebte,
      
 Die Waldhummel ihr zugerieseltes
      
 Schlupfloch nicht fand und steuerlose Falter
      
 Ins Laub geschlagen wurden von dem Ruck
      
 Des Raums ...
Und dieses hört der Frühling Nacht und Tag!
      
 Bei unbewegter Luft wehen die Maien
      
 Im ewigen Todeswind ... 
      
 
F. Grant, Burg Ehrenfels.