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Der römische Tod

Von Albert Henche

In Faenza traf Anno 1167 Graf Heinrich von Nassau mit dem Mainzer Erzbischof Christian und Reinald von Köln, dem hitzigen Feldherrn des Rotbarts, ein Abkommen, daß Nassauer Knechte den Kaiser nach Rom geleiten sollten – und so zogen sie mit in die heilige Stadt und standen Wache vor der Peterskirche, als am 1. August Paschalis III. dem Deutschen die Krone aufs Haupt und seiner Gemahlin Beatrix ebenfalls das ungefüge Geschmeide in ihr Blondhaar drückte, ein Machtglanz und ein Marterreif.

Am Abend des Krönungstages saß Heinrich von Nassau zur Rechten des Kölner Erzbischofs und links von Barbarossa, und ward ihm solche Ehre zuteil ob der Heldentaten in der Engelsburg, wo er des Kaisers Majestät gerettet hatte vor welscher Hinterlist. Und der Rotbart war gnädig zu dem Nassauer und löste seine Vogtei Ems aus dem Lehnsverband des Trierer Erzbischofs, der sich fern hielt von den deutschen Abenteuern in Italien.

Heinrich aber trank die Gesundheit des Kaisers in edlem Falerner und die seiner Herrin im alten Genueser Firnewein und war ein fröhlicher Zecher und ein lustiger Graf diesen Abend am Tiber, fern der Heimat an der stillen Lahn.

Und während Papst Alexander nach Benevent entfloh, hielt der Rotbart herrlich Quartier in der Stadt; und seine Getreuen wußten sich wohl zu lassen bei den schönen Römerinnen und den stolzen Römern zugleich. Heinrich aber war einer der Lustigsten unter ihnen, und doch stand der Tod hinter ihm ...

Wo die via dolorosa in den dunklen Wänden verlief, wohnte Donna Lucrezia Ricci, ein Edelfräulein des päpstlichen Rom, und hatte des Nachts den Riegel nicht vor ihrer Kammertür und war dem Grafen der Barbaren nicht spröde. Und die Sommernächte der heiligen Stadt waren unheilig wie anderswo, und die Mädchenherzen töricht wie sonst in der Welt – und die Ritter die gleichen wie nördlich der Alpen; was soll's der Gerüchte: Rom ward ein Dorado der Liebe zwischen Nord und Süd, zwischen blonden Jünglingslocken und wirrem Schwarzhaar; und die heißen Augustnächte waren voll Glut und Verlangens und seliger Sünde, seit der Papst entwichen war und mit ihm das gute oder böse Gewissen der Stadt – wie man will.

Eines Tages trat der Tod näher in den Kreis der frohen Gesellen und sandte den stärksten seiner Gehilfen, ob auf der Pfaffen Gebet oder aus eigenem Übelwollen ist nicht auszumachen, da keines der Opfer zurückkam aus der Hölle, in welche sie die Pest vertrieb.

Mit den heißen Dünsten der Fieber aus der Campagna zog sie herauf gegen die Stadt, und Herzog Friedrich von Schwaben fiel zuerst bei üppigem Mahl besinnungslos zu Boden, und war nicht des Weines wegen.

Es ergriff nun nach und nach die Seuche das ganze Heer, und fielen die Ritter an 6000 bei Zahl, und in Lucca, dem römischen Bad, füllte sich der Friedhof in acht Tagen mit 2000 Rittergräbern, weil die Lust hier größer gewesen war als anderswo.

Da starb Rainald von Dassel, der gewaltige Erzbischof, in seidener Bettstatt, und Graf Konrad von Merenberg fiel vom Rosse wie eine Fliege von der Wand.

Nun trat auch Herrn Heinrich der Tod an: doch des fröhlichen Nassauers Herz erzitterte ihm ebensowenig wie damals an der Engelsburg. Er gedachte vielmehr, wie ein rechter Rittersmann das Geschick zu ertragen im südlichen Lande, und rüstete ein Gastmahl und ließ Wein kommen und Spielleute und nachtlockige Dirnen. Und waren lustig wie zum Krönungsmahl sie nicht höher gewesen waren ...

Als aber der Rotbart über die Zugbrücke der Engelsburg die schreckliche Stadt verließ, am 7. August, just um dieselbe Stunde klopfte Gevatter Tod dem Nassauer auf die Schulter, und als der sich umdrehte, das Glas Falerner in erhobener Hand, blieb ihm der Kopf stehen und sein Lächeln ebenfalls – auf einem blassen Gesicht.

So trugen sie denn Heinrich ins kühle Grab im heißen Lande, und auf der Nassauer Stammburg hoch droben an der Lahn flaggte die Fahne noch halbmast, als des Nassauers Grab geschändet war von welscher Hand.

Donna Lucrezia Ricci hatte den Geiern das Aas gezeigt. –


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