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Das Reichsfest beim Mechtildisstuhl

Erbenheim bei Wiesbaden.

Von Eduard Heyck

Auf der Höhe tatsächlicher Siege, die die Zeit ihm noch mehr in den Schoß warf, als er sie erkämpfte, hat Friedrich Barbarossa an Pfingsten 1184 die Schwertleite seiner Söhne Friedrich und Heinrich begangen, die sich zu einem großartigen, noch niemals derart gewesenen nationalen Feste gestaltete.

Allerdings hatte so etwas noch niemals da sein können, weil es erst seit kurzem ein mittleres Laientum gab, welches sich exklusiv nach unten gegen die Bauern abgrenzte und sowohl in seiner äußeren Lebensführung, wie in seiner inneren Freude am Unterwegssein, an festlichen Zusammenkünften und Gastereien, aber doch auch in seinen mehr oder minder tiefgehenden Bedürfnissen nach geistigen Anregungen und Genüssen gegen die frühere rustikale Einfachheit von Grund aus verwandelt war. Andere Mittelpunkte für dieses bewegte Leben des Adels und des Ritterstandes konnte es aber nicht geben, als die Höfe und voran natürlich den kaiserlichen. Der zeitbeherrschende Ordo equester, der Zusammenschluß aller ritterbürtigen Klassen von den Fürsten bis zu den Ministerialen zu einem ideellen Ritterorden, gipfelte seiner ungeschriebenen Verfassung, wie seinen Anschauungen nach im staufischen Hofe. Und dort waren Geselligkeit, Waffenspiel und vornehme Herrinnen, welche Frauendienst dankten, waren Sänger und Dichter, hörte man von Aventüre und Heldenmär, ward man geehrt, kam zu Lehen und Geschenken; dort war, was mit die Hauptsache für diese Schaulustigen war, der große Markt der Eitelkeit geworden, wo alles, was sich auf den Hoftagen traf, wetteiferte, einander in Pracht der Pferde und Rüstungen, in der Menge wohlgekleideter Mannen und Knechte und allem sonstigen Modewesen des Zeitalters zu übertreffen.

Schon zur Zeit der Verhandlungen von Konstanz hatte Kaiser Friedrich das Reich zu jener Schwertleite geladen, und als nun 1184 das Fest im grünen Maien herannahte, da ritt so ziemlich der ganze Fürstenstand des Reiches in die hölzerne und linnene Feststadt ein, die zwischen Mainz und dem Taunus im freudenreichen Rheingau entstand und sich fortwährend vergrößerte. Die Herzöge von Schwaben, von Zähringen, von Bayern, von Österreich, von Böhmen (dieser allein mit 2000 Rittern), der Askanier von Sachsen, die von Nieder- und Oberlothringen, der Pfalzgraf Konrad, der uralte Wolf, die Markgrafen, die Erzbischöfe und Bischöfe deutscher Zunge, aber auch die von Besançon oder aus den Grenzgebieten wie Kambrijk, Verdun, Toul, und der burgundische Oheim der Kaiserin Beatrix waren erschienen. Am meisten Luxus entfaltete der Graf von Hennegau, der dafür aber auch geehrt wurde, das Schwert des Kaisers zu tragen. Die ritterbürtigen Anwesenden allein wurden auf 70 000 geschätzt. Dazu kamen die vielen, vielen Kleriker, die fahrenden Sänger, unter denen man Heinrich von Veldeke, aus der Maastrichter Gegend, den Sänger der Eneit, und berühmte Franzosen erblickte, Doetes von Troyes und Guiot von Truins, der letztere, wenn kein Bearbeiter des Parzival, so doch von den gutgläubigen Deutschen dafür genommen. Ferner fehlte natürlich nicht sonstiges »gerende diet«, wie der Veldeker sagt, das begehrende Volk der geringen Spielleute, der üblichen Gaukler und Gauklerinnen, und schließlich waren unermeßlich viel Zuschauer gekommen aus der zur Reise auf Feste stets entschlossenen Bevölkerung stromauf und stromab am fröhlichen Rhein. Das alles flutete um die bretterne Kaiserpfalz auf dem Festplatz, um die zugehörige Kirche und die große bretterne Festhalle. Eine Versammlung so vieler vornehmer und sonstiger Deutscher geht nie ganz ohne Rangstreitigkeiten und allerlei Reibereien ab, manche kamen auch schon von Hause mit der Absicht, den Hoftag mit ihren Beschwerden zu erfüllen. Auch Unglücksfälle fehlten bei solcher Menge nicht, und ein heftiger Wind warf die Festkirche mit ein paar sonstigen Holzgebäuden um, wobei 15 Menschen erschlagen wurden. So gab es auch ernste Stimmungen, und am ergreifendsten mochte es sein, als mitten in dem rheinischen Jubel ein Mann erschien, der jetzt Geleit und Schutz bitten mußte, um unter Deutschen zu sein: Heinrich der Löwe. Kaiserfeste mitzufeiern kann seine Sache nicht gewesen sein; aber falls er in der allgemeinen freudigen Einhelligkeit etwas für sich hat erreichen wollen, so ist er zunächst doch noch wieder in die Elende verabschiedet worden.

Am Pfingstsonntag, dem 20. Mai, trugen Kaiser und Kaiserin die Krone, was immer ein besonderes Ereignis bei wichtigen oder hochfestlichen Anlässen war; am Montag wurden der junge Herzog und sein Bruder, der König Heinrich, mit dem Schwerte gegürtet und leisteten das Rittergelübde. An den nachfolgenden Turnieren nahmen zwanzigtausend Ritter, auch der Kaiser persönlich, teil. Vom Mittwoch an begann man den Festort mit seinen für die Herren sehr kostspieligen Freuden allmählich wieder zu verlassen, doch gingen die Ausläufer des glänzenden Treibens, des Tafelns und rheingauischer Weinlust noch durch die folgenden Tage.

»Da von sprach man do witen.« Allgemein blieb der Eindruck einer Herrlichkeit dieses Kaisertums, die seit den Hoftagen Alexanders des Großen und des Königs Artus nicht geschaut worden sei. Heinrich von Veldeke hatte damals seine Umdichtung der Äneide schon seit Jahren ziemlich fertig, aber sie war ihm schnöde von einem Thüringer gestohlen worden, als er bei der Hochzeit der Gräfin von Kleve mit dem Landgrafen von Thüringen anwesend war. Später hat Heinrich sein Manuskript wieder bekommen und nachträglich für die Hochzeitsfeier des Äneas und der Lavinia die farbigen Bilder des miterlebten Mainzer Festes verwendet. Hundert Jahre, so traute er sich zu meinen, werde von diesem noch gesagt und geschrieben werden.


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