Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Emser Depesche

Von Wilhelm Schäfer

Durch Eisen und Blut sollten die Dinge geschehen: Bruderblut war um den Norddeutschen Bund in Böhmen und Franken geflossen; um das Reich mußte Krieg sein mit dem Erbfeind im Westen.

Denn immer noch lag der Schatten des Rheinbunds quer vor den kommenden Dingen: bei dem Schiedsrichter der Tuilerien hatten die süddeutschen Fürsten Schutz gesucht gegen Preußen; Österreich war, Sadowa zu rächen, im Bündnis mit Frankreich.

Sollte ein einiges Vaterland werden, so mußte die welsche Hand aus dem Spiel sein; Bismarck, der eiserne Kanzler, war tollkühn genug, den Schlag gegen den Kaiser von Frankreich zu wagen.

Als sich der Kaiser danach um Luxemburg mühte, sagten die Spötter in Frankreich: Napoleon habe das Wild von Sadowa gefehlt und wolle nun rasch einen Hasen vom Händler heimbringen; aber der Sieger von Gastein brachte ihn auch um den Hasen.

Alles verdarb der Dämon in Preußen dem grämlichen Kaiser, bis ihm der spanische Handel das rote Tuch war, seinen Zorn unklug zu machen.

Isabella, die spanische Königin, war nach Frankreich geflüchtet; die Großen des Landes boten die Krone dem Eidam des Königs von Portugal an, der selber dem Kaiser verwandt, aber ein Hohenzoller war.

Seitdem der Burggraf von Nürnberg nach Brandenburg kam und die fränkische Sippe der Zollern in Preußen ihr Glück machte, hatte der schwäbische Stamm bescheiden im Dunkel gesessen, bis Napoleon selber den Prinzen Carol auf den rumänischen Thron brachte.

Nun sollte sein Bruder König von Spanien werden; das aber rief den Franzosen die Furcht der spanischen Weltherrschaft wach: was einmal Habsburg vermochte, sollte den Zollern nicht wieder gelingen.

Der Zorn von Sadowa schrie Rache; Kaiser und Kammer in Frankreich, noch eben im Streit, sahen den Tag der Vergeltung und sprangen dem Kanzler hinein in die klug gestellte Verblendung.

Einen Krieg über Deutschland zu bringen, vermochte der Prinz Leopold nicht; als der Sturm in Paris schon Donner und Blitz zuckte, meldete er seinen Verzicht.

Wir haben gewonnen! rief der Minister von Frankreich; aber so billig wollte der gallische Zorn nicht verrauchen: diesmal sollte der König von Preußen das fränkische Siegerrecht fühlen.

Der König von Preußen war schon ein Greis; er machte in Ems seine Kur, als der Gesandte von Frankreich, Venedetti, ihm morgens über den Weg kam: er solle dem Kaiser versprechen, daß niemals mit seinem Willen ein Hohenzoller in Spanien König würde.

Das konnte kein König versprechen; und als der Gesandte den höflichen Greis am selben Tage weiter bedrängte, ließ er ihn wissen: der König von Preußen habe ihm nichts mehr zu sagen!

Durch Eisen und Blut sollten die Dinge geschehen! Nun war die Stunde gekommen, da Deutschland dem Kanzler einstehen mußte für sein geharnischtes Wort.

Was keiner zu denken kühn genug war, das vermochte die Emser Depesche; sie war nur ein rascher Bericht nach Berlin; der Kanzler kürzte und klärte den Ton und gab ihn der Zeitung: da las der Deutsche mit Zorn und mit Stolz, wessen sich ein Gesandter von Frankreich vermaß, und wie ein deutscher König die Würde bewahrte.

Sie fühlten in Frankreich den Hieb, und rot brach die Flamme aus ihrem rauchenden Zorn: der Kanzler wollte den Krieg haben, sie wichen ihm nicht zurück und wollten die Antwort bald nach Berlin bringen.

Aber die Völker im Reich verstanden die Stunde: jetzt oder nie mußte das Vaterland sein! und was an den Höfen der Fürsten noch hemmte und zagte, war durch den brausenden Willen gezwungen.


 << zurück weiter >>