Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

9. Kapitel

Kmiziz war keine leichte Aufgabe geworden, als der König ihm aufgetragen hatte, durch Preußen nach Litauen vorzudringen, denn schon bei Sierozk stand die schwedische Hauptmacht. Karl Gustav hatte ihr absichtlich seiner Zeit jene Stellung angewiesen, um eine Belagerung Warschaus zu verhindern, doch da inzwischen die Hauptstadt bereits eingenommen war, so hatte die Armee augenblicklich nichts anderes zu thun, als die Abteilungen, welche Johann Kasimir etwa nach Litauen oder Preußen auszuschicken gesonnen war, aufzuhalten. An ihrer Spitze standen Douglas, ein gewandter Krieger, welcher es wie keiner der anderen schwedischen Generale verstand, im Kleinkrieg zu operieren, und die zwei polnischen Ueberläufer Radziejowski und Radziwill. Sie führten zweitausend auserlesene Fußsoldaten, ebensoviele Reiter und Artillerie bei sich. Als diese Führer von der Expedition nach Litauen hörten, an deren Spitze Kmiziz stand, stellten sie, um ihn zu fangen, ein weites Netz, besonders, da es ihnen nötig schien, selbst wieder der litauischen Grenze näher zu kommen, um das aufs neue von den Masuren und Podlachiern belagerte Tykozin zu retten. Dieses Netz umfaßte das Dreieck zwischen dem Bug und der Narew, demnach zwischen Sierozk einerseits, Slotorya andererseits mit Ostrolenka an der Spitze.

Sie wußten, daß Kmiziz durch dieses Dreieck kommen mußte, da er es eilig hatte, nach Litauen zu kommen und der nächste Weg hier durchführte. Kmiziz bemerkte auch bald, daß man ihm eine Falle gestellt hatte, doch gewöhnt, auf diese Art Krieg zu führen, schreckte ihn diese Wahrnehmung nicht allzusehr. Er taxierte, daß das Netz zu sehr ausgedehnt worden war und rechnete darauf, daß er in der höchsten Not durch eine der weiten Maschen derselben würde entschlüpfen können. Noch mehr: So sorgfältig man auch Jagd auf ihn machte, so verstand er nicht nur immer geschickt zu entschlüpfen, sondern er jagte selbst mit. Zuerst überschritt er den Bug hinter Sierozk, zog sich am Ufer desselben bis Wyschkowo. In Bromschtschyk schlug er dreihundert Reiter, welche man als Vortrab ausgesendet, so vollständig, daß, wie der Fürst an Sakowitsch geschrieben hatte, nicht ein Mann übrig geblieben war. In Dlugoschodle überfiel ihn Douglas selbst plötzlich, aber er versprengte die Abteilung, kam ihr in den Rücken, und anstatt zu fliehen, ging er vor ihren Augen bis an die Narew, welche er mit seinen Leuten durchschwamm. Douglas blieb am Ufer zurück und wartete auf die Prahme, welche man herbeischaffen sollte, doch ehe dieselbe zur Stelle war, hatte Kmiziz im Dunkel der Nacht an einer anderen Stelle den Fluß wieder durchschwommen, die schwedischen Wachposten angegriffen und Panik und Verwirrung in die ganze Division Douglas gebracht.

Dieses Vorgehen versetzte den alten General in unaussprechliches Staunen; sein Staunen aber wurde noch größer, als er am Morgen erfuhr, daß Kmiziz die Armee umgangen hatte, zu der Stelle zurückgekehrt war, wo man ihn überfallen und in Bromschtschyk die dem schwedischen Heere folgenden Wagen samt den Beutestücken und der Kriegskasse mitgenommen hatte.

Darauf vergingen zuweilen ganze Tage, an welchen die Schweden seine Tartaren am Horizont sich tummeln sahen, ohne daß sie dieselben hätten erreichen können. Dafür rupfte Herr Andreas den Feind bald hier, bald dort. Die schwedischen Soldaten ermüdeten und den polnischen Fahnen, welche noch zu Radziejowski hielten oder aus Dissidenten zusammengestellt waren, konnte man nicht mehr recht trauen. Dagegen diente die Bevölkerung mit Begeisterung dem berühmten Partisanen. Er kannte durch sie jede Bewegung des Feindes, erfuhr von jedem noch so kleinen Vortrab, der ausgesandt werden sollte, wußte von jedem Wagen, der vorausgeschickt wurde oder zurückbleiben mußte. Es war, als trieb er mit den Schweden ein Spiel, aber es war das Spiel eines Tigers mit seinem Opfer. Die Gefangenen wurden gleich getötet; er ließ sie von den Tartaren aufhängen, da die Schweden mit den Polen ein Gleiches thaten. Zuweilen schien ihn eine unbezähmbare Wut zu befallen, denn er stürzte sich blindlings auf die Uebermacht einer Truppe.

»Ein Wahnsinniger kommandiert die Abteilung,« sprach Douglas.

»Oder ein tollwütiger Hund!« entgegnete Radziejowski.

Boguslaw war der Ansicht, daß er beides sei, dabei aber ein ausgezeichneter Soldat. Mit Genugthuung erzählte er auch den Generälen, daß er diesen Kavalier mit eigener Hand zweimal niedergeschlagen hätte.

Augenblicklich hatte es Kmiziz besonders auf ihn abgesehen; er suchte ihn und schien der Verfolger, nicht der Verfolgte.

Douglas erriet, daß hier eine Privatangelegenheit im Spiele sei, ein grenzenloser Haß.

Der Fürst verneinte nicht, obgleich er nähere Aufklärung nicht geben wollte. Er wollte den Babinitsch mit gleicher Münze heimzahlen, denn dem Beispiele Chowanski folgend, setzte er einen Preis auf seinen Kopf, und als das nicht half, ihn in die Hände zu bekommen, wollte er versuchen, eben diesen Haß Babinitschs als Waffe gegen ihn zu benutzen.

»Es ist eine Schande für uns, daß wir uns so lange mit diesem Räuber herumzerren,« sagte der Fürst eines Tages zu Douglas und Radziejowski.

»Er kriecht um uns herum, wie der Wolf um den Schafstall und entschlüpft uns immer. Ich will mit einer kleinen Abteilung mich ihm als Lockvogel stellen und ihn, wenn er mich angreift, so lange hinhalten, bis Ew. Durchlaucht herbeikommen, dann lassen wir den Fisch nicht mehr aus dem Netz.«

Douglas, welcher der gegenseitigen Jagd längst überdrüssig war, setzte dem Vorschlage nur geringen Widerstand entgegen, indem er anführte, daß er das Leben eines so hohen Würdenträgers und Verwandten von Königen nicht auf das Spiel setzen könne. Doch da der Fürst darauf bestand, war er schließlich einverstanden.

Man beschloß also, daß der Fürst mit einer Abteilung von nur fünfhundert Reitern ausrücken sollte; jeder Reiter aber sollte einen Füsilier mit der Muskete hinter sich auf das Pferd nehmen. Diese List sollte dazu dienen, Babinitsch irre zu führen.

»Er wird es nicht aushalten können; wenn er hört, daß ich nur fünfhundert Reiter bei mir habe, wird er mich angreifen,« sagte der Fürst. »Wenn ihnen nun plötzlich die Füsiliere in das Gesicht springen, werden die Tartaren auseinanderstieben wie Sand ... er wird entweder fallen oder wir nehmen ihn lebendig ...«

Dieser Plan wurde schnell und mit Sorgfalt durchgeführt. Zwei Tage vorher verbreitete man absichtlich die Nachricht, daß ein Vortrab von fünfhundert Reitern unter Boguslaw ausrücken werde. Die Generäle rechneten mit Bestimmtheit darauf, daß die Landbevölkerung diese Neuigkeit dem Babinitsch gleich zutragen werde, was auch geschah.

Der Fürst rückte mitten in der finsteren Nacht nach Wonsowo und Jelon zu aus, überschritt bei Tscherwin den Fluß, und während er die Reiter im blanken Felde ließ, versteckte er die Füsiliere in den anstoßenden Schonungen, damit sie unversehens hervorbrechen konnten. Unterdessen sollte Douglas am Ufer der Narew entlang ziehen und vorgeben, daß er auf Ostrolenka zu marschiere. Radziejowski sollte mit den leichten Fahnen von Kschenschopol her anrücken.

Alle drei Führer konnten nicht in Erfahrung bringen, wo Babinitsch sich gegenwärtig aufhalte, denn aus den Bauern war nichts herauszubringen und die schweren Reiter verstanden nicht, einen Tartaren einzufangen. Douglas vermutete nur, daß Babinitsch mit dem größten Teil seiner Truppe in Schniadowo stand; dort wollte er ihn einschließen, um ihm, wenn Babinitsch den Fürsten angriff, von der Grenze Litauens her den Weg zu verlegen.

Alles schien gut zu gehen. Kmiziz befand sich thatsächlich in Schniadowo, und sobald er vernommen, daß Boguslaw mit einem Vortrab unterwegs nach Tscherwin sei, schlug er sich sofort in die Wälder, um plötzlich unerwartet in Tscherwin zu erscheinen.

Douglas, welcher etwas von der Narew abgelenkt hatte, stieß nach einigen Tagen auf Spuren des Tartarenzuges und folgte dieser Spur, befand sich also im Rücken derselben. Die Sonnenhitze quälte die mit Eisenblech bepanzerten Menschen und Pferde entsetzlich, aber der General drängte vorwärts ungeachtet dieser Hindernisse, vollkommen überzeugt davon, daß er die Tartarenhorde unversehens im Augenblick des Zusammenstoßes mit Boguslaw erreichen werde.

Endlich, nach weiteren zwei Tagen war er so nahe an Tscherwin gekommen, daß man den Rauch aus den Hütten aufsteigen sehen konnte. Da hielt er an. Er besetzte alle Uebergänge, auch die schmalsten Fußwege, und wartete.

Einige Offiziere wollten freiwillig auf Rekognoszierung ausreiten, doch er hielt sie zurück, indem er sagte:

»Babinitsch muß nach dem Zusammenstoß mit dem Fürsten, wenn er erkannt haben wird, daß er es nicht nur mit Reitern, sondern mit Fußsoldaten zu thun hat, sich zurückziehen ... Er kann nur auf dem Wege zurück, auf dem er gekommen ist ... Dann muß er uns in die Arme laufen.«

Es blieb also nur übrig, zu horchen, wann das erste Tartarengeheul und die ersten Musketenschüsse ertönen würden.

Aber es verfloß ein ganzer Tag, ohne daß die Stille in den Wäldern unterbrochen worden wäre; es war, als hätte nie ein Soldatenfuß diesen Boden betreten.

Douglas wurde ungeduldig, gegen Abend schickte er eine Patrouille aus, welche den Befehl hatte, die größte Vorsicht zu gebrauchen.

Die Patrouille kehrte tief in der Nacht zurück; sie hatte nichts gesehen noch gehört. Mit dem Morgengrauen zog Douglas mit allen seinen Leuten weiter.

Nachdem sie einige Stunden marschiert waren, kamen sie an ein Feld, auf welchem eine Menge Spuren eines Biwaks sich befanden. Man fand Ueberreste von Zwieback, zerschlagenes Glas, Fetzen von einem Anzuge, einen Gurt mit Munition gefüllt, wie ihn die schwedischen Infanteristen zu tragen pflegten. Zweifellos hatten hier die Füsiliere Boguslaws gerastet, sie selbst waren nirgends zu sehen. Etwas weiter entdeckte auf einer nassen Wiese der Vortrab Douglas' eine Menge Hufspuren schwerer Pferde, am Rande derselben Spuren der leichten Tartarenklepper, etwas weiter lag der Kadaver eines Pferdes, aus welchem die Wölfe soeben die Eingeweide gezogen hatten. Ein Gewände weit davon fand man den abgebrochenen Pfeil eines Tartaren, doch mit ganzem Bolzen.

Boguslaw mußte also den Rückzug angetreten haben und Babinitsch ihm folgen.

Douglas begriff, daß etwas Außergewöhnliches vorliegen mußte. Aber was? Er wußte keine Erklärung dafür und versank in Nachdenken. Plötzlich wurde sein Grübeln durch einen Offizier der vorderen Wache unterbrochen.

»Erlaucht!« sagte er. »Zwischen dem Buschwerk dort steht ein Häuflein Männer. Es scheinen Wachtposten zu sein, denn sie bewegen sich nicht. Ich habe den Vortrab aufgehalten, um Erlaucht das zu melden.«

»Sind es Reiter oder Fußsoldaten?«

»Es sind Füsiliere, vier oder fünf auf einem Haufen; man kann sie nicht genau zählen, die Aeste sind zu dicht. Es leuchtet aber gelb durch die Zweige, wie die Uniformen unserer Musketiere.«

Douglas spornte sein Pferd, ritt vor bis zum Vortrab, stellte sich an die Spitze desselben und trabte vorwärts. Bald erblickte er durch die lichter werdenden Aeste der Schonung eine unbewegliche Gruppe Soldaten, welche vor einem Baume zu stehen schienen.

»Es sind die Unsrigen!« sagte Douglas. »Der Fürst muß in der Nähe sein.«

»Wunderbar!« bemerkte nach einer Weile der Offizier. »Sie stehen Wache, doch keiner ruft uns an, obgleich wir doch ziemlich geräuschvoll vorgehen.«

Jetzt kamen sie an das Ende der Schonung, der Wald hatte dort kein Unterholz mehr. Die Herannahenden sahen vier dicht nebeneinander stehende Musketiere, welche etwas am Boden zu suchen schienen. Vom Halse aus zog sich bei jedem von ihnen ein schwarzer Streifen gerade in die Höhe.

»Erlaucht!« rief plötzlich der Offizier. »Jene dort hängen.«

»Es ist so!« erwiderte Douglas.

Sie trieben die Pferde zur Eile an und befanden sich bald neben den Leichen. Vier Füsiliere hingen beisammen wie ein Bündel Drosseln, kaum einen Zoll breit über der Erde, da die Aeste niedrig waren.

Douglas ließ den Blick gleichgültig über sie hinschweifen; dabei murmelte er vor sich hin:

»Nun wissen wir bestimmt, daß der Fürst und Babinitsch hier vorüber gezogen sind.«

Er wurde nachdenklich. Sollte er diesen Waldweg weiter verfolgen, oder die Landstraße nach Ostrolenka einschlagen. Er wußte selbst nicht, was zu thun war. Eine halbe Stunde später entdeckten sie wieder zwei Leichen. Diese schienen Marodeure oder zurückgebliebene Kranke zu sein, welche die Tartaren des Babinitsch aufgegriffen haben mußten.

Aber warum hatte der Fürst sich zurückgezogen?

Douglas kannte ihn, d. h. seinen Wagemut wie seine Erfahrung in Ausübung seiner Kriegsführung, zu gut, um nicht anzunehmen, daß nur wichtige Gründe ihn dazu veranlaßt haben mußten. Was konnte also vorgefallen sein?

Am folgenden Tage erst klärte sich die Angelegenheit auf. Herr Bies-Kornia, kam mit einem Vortrab von dreißig Pferden mit der Nachricht, daß der König Johann Kasimir den Feldhauptmann Goschewski mit sechstausend litauischen und Tartarenreitern über den Bug geschickt habe, um Douglas anzugreifen.

»Wir haben davon erfahren, noch ehe Babinitsch uns einholte,« sagte Herr Bies, »denn er bewegte sich vorsichtig vorwärts und hielt oft Rast, daher folgte er uns langsam. Herr Goschewski steht vier oder fünf Meilen von hier. Als der Fürst die Nachricht empfing, mußte er sich eiligst zurückziehen, um sich mit Herrn Radziejowski zu vereinigen, welcher sonst leicht hätte überfallen werden können. Es gelang uns auch, uns glücklich mit ihm zu vereinigen. Der Fürst hat dann sogleich Vorschübe nach allen Seiten hin ausgeschickt, um Ew. Erlaucht in Kenntnis zu setzen. Es wird mancher von ihnen den Tartaren in die Hände gefallen sein, das hilft aber nichts.«

»Wo befinden sich jetzt der Fürst und Herr Radziejowski?«

»Zwei Meilen von hier, am Ufer des Flusses.«

»Hat der Fürst alle seine Truppen durchgebracht?«

»Er mußte die Füsiliere zurücklassen: dieselben müssen sich durch das Dickicht der Wälder hindurchstehlen, um sich vor den Tartaren zu schützen.«

»Eine Truppe, wie die Tartaren, versteht mit ihren Pferden auch durch das dichteste Waldesdickicht zu dringen. Ich fürchte, daß wir keinen Mann der Füsiliere wiedersehen werden. Es kann niemanden die Schuld treffen; der Fürst hat gehandelt wie ein erfahrener Kriegsmann.«

»Der Fürst hat einen starken Vortrab nach Ostrolenka ausgeschickt, um den Herrn Unterkämmerer von Litauen irre zu führen. Derselbe marschiert jedenfalls unverzüglich dorthin, im Glauben, daß unsere ganze Armee die Richtung nach Ostrolenka eingeschlagen hat.«

»Das ist gut!« sagte Douglas erfreut. »Auf diese Weise werden wir den Herrn Unterkämmerer schon bezwingen.«

Ohne länger zu zaudern, befahl er den Aufbruch, um sich mit dem Fürsten und Herrn Radziejowski zu vereinigen. Das Zusammentreffen erfolgte auch noch an demselben Tage zur großen Freude Radziejowskis, welcher seine Gefangennahme mehr fürchtete als den Tod. Wußte er doch sehr gut, daß man über ihn, den Verräter und den Veranlasser alles Unglücks, welches die Republik betroffen hatte, die schwersten Strafen verhängen werde.

Nun jedoch, nach der Vereinigung mit Douglas, betrug die schwedische Armee über viertausend Mann, mit welchen man es mit dem Herrn Feldhauptmann wohl aufnehmen konnte. Derselbe verfügte zwar über sechstausend Reiter, doch die Tartaren, ausgenommen diejenigen des Herrn Babinitsch, konnten als Angriffstruppe keine Verwendung finden, und Herr Goschewski selbst, obgleich ein geschickter General, verstand nicht wie Tscharniezki, die Truppen zu jener Begeisterung zu entflammen, die alles mit sich fortreißt.

Douglas grübelte darüber, zu welchem Zweck Johann Kasimir den Feldhauptmann über den Fluß gesandt hatte. Der König von Schweden zog mit dem Kurfürsten nach Warschau zu; die Entscheidungsschlacht mußte dort früher oder später fallen und wenngleich Johann Kasimir über eine Macht verfügte, welche die schwedische und brandenburgische an Zahl bei weitem übertraf, so bildeten doch sechstausend tapfere Reiter eine große Stütze, deren man sich freiwillig nicht ohne zwingende Gründe entäußerte.

Es mochte immerhin sein, daß Goschewski den Herrn Babinitsch aus der Klemme helfen sollte, dazu bedurfte es doch aber keiner ganzen Division. Es mußte daher mit diesem Feldzuge irgend eine versteckte Absicht verbunden sein, welche er trotz allem Scharfsinn nicht zu erraten vermochte.

In dem Briefe, welchen eine Woche später der König von Schweden an ihn richtete, sprach sich eine große Unruhe und Aengstlichkeit in Bezug auf diesen Feldzug aus. Nach der Ansicht Karl Gustavs war der Feldhauptmann nicht ins Feld geschickt worden, um Douglas anzugreifen oder um Litauen zu schützen, welches ohnehin von den Schweden nicht mehr gehalten werden konnte, sondern, um in das von allen Truppen entblößte Preußen einzufallen.

Der Brief schloß mit dem Auftrage, mit Aufwand aller Kräfte den Eintritt des Feldhauptmanns in Preußen zu verhindern, da, wenn derselbe binnen einer Woche die Grenze noch nicht überschritten habe, er zweifellos nach Warschau zurückkehren müsse.

Douglas sagte sich, daß die Aufgabe, welche ihm gestellt worden, seine Kräfte nicht überstieg. Hatte er doch noch unlängst mit einem gewissen Erfolge dem Herrn Tscharniezki die Stirn geboten. Daher fürchtete er Goschewski nicht. Wenn er auch nicht erwarten konnte, die ganze Division zu besiegen, so durfte er doch hoffen, sie festzulegen und ihre Bewegungen zu hindern.

Nun begann ein sehr geschicktes Manöverieren der beiden Armeen gegeneinander, welche sich bemühten, einander zu umgehen, dabei aber den offenen Angriff sorgfältigst vermieden. Beide Führer wetteiferten miteinander an List und Geschicklichkeit, doch blieb Douglas insofern der Ueberlegene, weil er den Herrn Feldhauptmann nicht über Ostrolenka hinaus kommen ließ.

Der von dem Angriff durch Boguslaw nunmehr behütete Babinitsch hatte es gar nicht eilig, mit der litauischen Division zusammenzustoßen; er beschäftigte sich eifrig mit den Füsilieren, welche Boguslaw bei seinem eiligen Abmarsch zurücklassen mußte. Seine Tartaren schlichen, geführt von den Waldläufern, ihnen unablässig nach und töteten sie, wo sie nur irgend Unvorsichtige antrafen. Mangel an Lebensmitteln zwang die Schweden zuletzt, sich in kleinere Abteilungen zu trennen, weil sie so leichter sich ernähren konnten, und darauf hatte Kmiziz nur gewartet.

Nachdem er seine Horde in drei Kolonnen geteilt hatte, unter Akbah-Ulan, Soroka und ihm selbst, begann er eine förmliche Treibjagd auf die Armee. Unter Musketenknallen, Lärmen, Zurufen und Krachen der Büsche, war bald das ganze Regiment dem Tode geweiht.

Weit und breit wurde der Name Babinitsch unter den Masuren genannt und geehrt. Die drei Kolonnen vereinigten sich erst dann mit Herrn Goschewski dicht bei Ostrolenka, als der Herr Feldhauptmann, dessen ganze Manipulation nur eine Demonstration gewesen war, schon den Befehl des Königs hatte, wieder nach Warschau zurückzukehren. Nur kurz war die Freude des Wiedersehens mit den Bekannten, besonders mit Herrn Sagloba und Wolodyjowski, welche mit der Laudaer Fahne den Feldhauptmann begleitet hatten. Sie begrüßten sich sehr herzlich, denn es hatte sich bereits eine große freundschaftliche Vertraulichkeit zwischen ihnen entwickelt. Beide junge Hauptleute beklagten sehr, daß sie für dieses Mal nichts gegen Boguslaw hatten unternehmen können, doch Sagloba versuchte sie zu trösten, und während er ihnen die Gläser von neuem füllte, sagte er:

»Das macht nichts! Mein Gehirn arbeitet schon seit dem Mai unaufhörlich über einem Plan, ihm beizukommen und es hat noch nie umsonst gearbeitet. Ich habe schon etwas fertig, nur kann man jetzt nicht an die Ausführung denken, wir müssen das bis Warschau lassen, wohin wir alle zusammen gehen.«

»Ich muß nach Preußen!« entgegnete Babinitsch, »und kann deshalb die Schlacht bei Warschau nicht mitmachen.«

»Wirst du denn hinübergelangen können?« frug Wolodyjowski.

»Das werde ich mit Gottes Hilfe. Ich verspreche es euch heilig, daß ich da drüben einen Bigos für meine Tartaren herrichten will, der nicht schlecht sein soll. ›Schwelge, Seele!‹ Sie lauern schon lange auf eine ordentliche Beute, ich halte sie mir immer zu fest im Zügel. Dort aber sollen sie freies Feld haben, denn wir sind dort in Feindesland! Warum sollte ich nicht hinüber gelangen? Bei euch war es etwas anderes; denn es ist leichter, eine große Armee aufzuhalten, als ein kleines Kommando, mit welchem man leicht einen Unterschlupf findet. Wir haben oft im Röhricht gesteckt, während Douglas mit seinen Truppen dicht an uns vorüberzog, ohne es zu wissen. Douglas wird übrigens euch folgen müssen, dann habe ich hier freies Feld.«

»Du hast ihn, wie ich hörte, tüchtig abgehetzt!« sagte Wolodyjowski mit Genugthuung.

»Der Schelm!« setzte Herr Sagloba hinzu. »Er schwitzte so, daß er täglich ein frisches Hemd anziehen mußte. Ihr konntet es mit Chowanski auch nicht besser gemacht haben und ich bekenne gern, daß ich an eurer Stelle es auch nicht besser könnte, obgleich schon Herr Koniezpolski gesagt hat, daß einen Streifzug zu führen keiner besser versteht als Sagloba.«

»Ich glaube, daß Douglas, wenn er zurück muß, den Radziwill hierlassen wird, damit er dir den Weg verlegt,« sagte Wolodyjowski zu Kmiziz.

»O, wenn das wahr wäre! Ich will es hoffen,« entgegnete Kmiziz lebhaft.

»Wenn wir uns gegenseitig suchen, müssen wir uns doch endlich finden. Ein drittes Mal kriegt er mich nicht unter und thut er es dennoch, dann bleibe ich für immer liegen. Ich bin deiner Lehren noch eingedenk und alle deine Lubniower Kunstgriffe sind mir noch geläufig. Ich übe sie täglich mit Soroka, um die Hand sicher zu machen.«

»Was nützen die Kunstgriffe,« rief Wolodyjowski. »Der Säbel ist doch die Hauptsache.«

Herr Sagloba fühlte sich etwas durch diese Maxime betroffen, deshalb sagte er schnell:

»Jede Windmühle denkt, daß die Hauptsache die ist, die Flügel zu drehen, und wißt ihr warum, Michalek? Denn sie hat Spreu unter dem Dache, das heißt Spreu im Kopfe. Die Kriegskunst beruht ebenfalls auf Kunstgriffen: wäre dem nicht so, dann könnte Rochus Großhetman sein, während du es nur zum Feldhauptmann brächtest.«

»Wie befindet sich Herr Kowalski?« frug Kmiziz.

»Herr Kowalski? Der trägt schon den eisernen Helm auf dem Kopfe und das mit Recht, denn der Kohl schmeckt immer am besten aus dem Tiegel. Er hat sich in Warschau ein edles Gefolge angeschafft, denn er ist zu den Husaren übergegangen, dient unter dem Knäs Polubinski und das alles darum, damit er mit gesenkter Lanze auf den König Karolus losziehen kann. Er kommt alle Tage unter unser Zelt und schmeißt mit den Augen umher, ob nicht irgendwo unter dem Stroh der dicke Bauch einer Weinflasche hervorlugt. Ich kann dem Jungen das Saufen nicht abgewöhnen. Bei dem hilft das gute Beispiel nichts. Ich habe ihm schon prophezeit, daß die Untreue, mit der er die Laudaer Fahne verlassen hat, ihm nichts gutes bringen wird. Der undankbare Schelm! Für so viele Wohlthaten, die ich ihm erwiesen, lohnt er mir damit, daß er mich verläßt um einer Lanze willen!«

»Ihr habt ihn also erzogen?«

»Macht mich nicht zum Bärenführer, Ew. Herrlichkeit! Dem Herrn Sapieha, welcher mir dieselbe Frage vorlegte, habe ich gesagt, daß Rochus und er, denselben Präzeptor gehabt hat, welcher ich jedoch nicht war; denn ich war in meinen jungen Jahren Böttcher und verstand ausgezeichnet die Faßdauben zusammenzusetzen.«

»Erstens, ihr würdet gar nicht wagen, dem Herrn Sapieha so etwas zu sagen,« warf Herr Wolodyjowski ein. »Zweitens scheltet ihr den Kowalski und dennoch ist er euer Augapfel.«

»Das ist wahr! Ich liebe ihn mehr als euch, Herr Michael, da ich Maikäfer niemals gelitten habe, ebensowenig wie verliebte Gelbschnäbel, die beim Anblick des ersten besten Mädchens gleich Purzelbäume schießen.«

»Oder wie jene Affen im Palais Kasanowski in Warschau, mit denen ihr kämpfen mußtet.«

»Lacht nur, lacht! Ein anderes Mal könnt ihr Warschau allein einnehmen!«

»Also habt ihr es etwa eingenommen?«

»Wer sonst hat das Krakauer Thor erobert? Wer hat den Gedanken gefaßt, die Generale in Gefangenschaft zu setzen? Sie sitzen jetzt bei Wasser und Brot in Samoschtsch und so oft Wittemberg den Wrangel ansieht, sagt er: ›Sagloba hat uns hierher gesetzt!‹ – und dann brechen beide in Thränen aus. Wenn Herr Sagloba nicht krank wäre, wollte er euch schon sagen, wer den Schweden aus Warschau getrieben hat.«

»Um Gotteswillen! Thut mir den Gefallen und gebt mir Nachricht über die Schlacht, welche sich jetzt bei Warschau vorbereitet. Ich werde die Tage und Nächte zählen und nicht eher Ruhe finden, bis ich etwas Bestimmtes weiß,« bat Kmiziz.

Sagloba legte den Zeigefinger an die Stirn.

»Hört einmal, was ich für eine Idee habe,« sagte er. »Das, was ich sagen werde, wird so gewiß in Erfüllung gehen, wie es gewiß ist, daß dieses Glas hier vor mir steht ... Oder steht es etwa nicht? Wie?«

»Es steht da! Sprecht nur!«

»Diese Entscheidungsschlacht werden wir entweder gewinnen oder verlieren ...«

»Das wissen wir alle!« versetzte Wolodyjowski.

»Ihr thätet besser, zu schweigen und zu lernen, Herr Michael. – Angenommen, wir verlieren die Schlacht, was dann? Seht ihr, das wißt ihr schon nicht, denn ihr zuckt mit euren Barthaaren hin und her, wie ein Hase ... Also! ich sage euch – nichts wird sein!«

Kmiziz, welcher immer sehr lebhaft war, sprang auf, stieß mit dem Glase auf den Tisch und rief ungeduldig:

»Ihr faselt!«

»Ich sage nur, daß nichts sein wird!« entgegnete Sagloba. »Ihr Jungen versteht das nicht, daß, wie jetzt die Sachen liegen, unser König, unsere Armee, unser liebes Vaterland, fünfzig Schlachten nach einander liefern können, ohne Schaden zu leiden ... Denn wie ehedem wird der Krieg fortgeführt werden, der Adel wird zusammentreten und die niederen Stände ... und siegen wir einmal nicht, dann siegen wir ein anderes Mal, solange bis die feindliche Macht zusammenschmilzt. Wenn aber die Schweden verlieren, dann sind sie rettungslos verloren.«

Hier wurde Sagloba lebhaft; er trank sein Glas aus, stieß es auf den Tisch auf, daß es klirrte und fuhr fort:

»Hört mich an! Es spricht nicht irgend einer zu euch, denn nicht jeder versteht die Dinge richtig zu sehen. Manch einer denkt: Was alles wartet unser noch? Wie viele Schlachten, wie viel Elend und Thränen? wie viel Blut wird noch fließen? Und manch einer zweifelt an der Barmherzigkeit Gottes und lästert die heilige Jungfrau ... Aber ich sage euch: Wißt ihr, was dieser feindlichen Vandalen wartet? – die Niederlage! Wißt ihr, was unser wartet? – der Sieg! Laßt sie uns noch hundertmal besiegen, gut ... wir aber werden die hundertunderste Schlacht liefern, dann ist das Ende des Krieges.«

Während der letzten Worte hatte Herr Sagloba die Augen geschlossen, nun öffnete er sie wieder, sah leuchtenden Blickes vor sich hin, und rief dann aus voller Brust:

»Sieg! Sieg!«

Kmiziz errötete vor Freude.

»Wahrhaftig, er hat Recht! Wahrhaftig, es ist wahr, was er sagt! So muß, so wird das Ende sein!«

»Man muß schon eingestehen, daß es euch hier nicht fehlt!« sagte Wolodyjowski, sich an die Stirn schlagend. »Man kann die Republik wohl einnehmen, doch sie festzuhalten ist nicht leicht ... zuletzt müssen sie sich hinausscheren.«

»Ha! Was? Es fehlt mir nicht!« rief Sagloba von dem Lobe erfreut.

»Wenn ihr das meint, will ich euch weiter prophezeien. Gott ist mit den Gerechten! Ihr – hier wandte er sich an Kmiziz – werdet den Radziwill überwinden, ihr werdet nach Tauroggen gehen, euer Mädchen holen, sie ehelichen und Nachkommenschaft groß ziehen ... Meine Zunge soll den Pips bekommen, wenn sich das nicht erfüllt, was ich sage ... Um Gotteswillen erdrückt mich nur nicht!«

Herr Sagloba hatte Ursache, sich zu wehren, denn Kmiziz hatte den Alten in die Arme genommen, emporgehoben und preßte ihn nun so an sich, daß ihm die Augen aus dem Kopfe traten. Doch kaum hatte dieser ihn niedergestellt, kaum hatte er nach Luft geschnappt, faßte ihn Wolodyjowski an der Hand und rief lustig:

»Jetzt ist die Reihe an mir! Sprecht, was steht mir bevor?«

»Gott segnet euch, Herr Michael! ... Eure zarte Lerche führt euch ein ganzes Volk aus dem Neste ... aber fürchtet euch nicht. Uff!«

»Vivat!« schrie Wolodyjowski.

»Doch zuvor treiben wir die Schweden hinaus!« setzte Sagloba hinzu.

»Das wollen wir thun! Das wollen wir thun!« riefen die beiden Hauptleute, mit den Säbeln klirrend.

»Vivat! Der Sieg!«


 << zurück weiter >>