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7. Kapitel

Zwei Wochen später wurde es lebendig in Tauroggen. Eines Tages zogen ungeordnete Haufen der Truppen Boguslaws heran; es waren meist nur dreißig bis vierzig Pferde, die samt den Reitern elend, abgerissen und abgemagert zum Skelett waren. Sie brachten die Nachricht von der Niederlage des Fürsten bei Janowo. Er hatte alles verloren, die Armee war teils erschlagen, teils versprengt, die Geschütze, Pferde, Zelte, alles war fort. Von den sechstausend Mann, die ausgezogen waren, hatte Boguslaw nur etwa vierhundert Reiter gerettet, dieselben, welche er selbst angeführt.

Von den Polen, die mit ihm waren, kehrte außer Sakowitsch nicht eine lebende Seele wieder; was von ihnen noch übrig geblieben, das war zu Herrn Sapieha übergegangen, sogar viele der fremden Söldlinge hatten vorgezogen, sich dem Sieger auf Gnade und Ungnade zu ergeben, statt mit dem Besiegten zu fliehen, und in dem Maße, in welchem die höfische Schmeichelei vorher die Feldherrntugenden Boguslaws gerühmt, in demselben Maße klagten und schalten nun alle die Schmeichler über die Unzulänglichkeit derselben. Die Uebriggebliebenen waren so erzürnt und empört gegen den Fürsten, daß sie nicht mehr zusammenhielten, sondern in ungeordneten Haufen auseinanderliefen, so daß der Fürst zu seiner persönlichen Sicherheit vorgezogen hatte, etwas zurück zu bleiben.

Beide, Sakowitsch und er, befanden sich gegenwärtig in Roschen. Haßling begab sich, als er das erfuhr, sogleich zu Olenka, um ihr Mitteilung davon zu machen.

Nachdem das Fräulein den Bericht angehört, sagte sie zu ihm:

»Die Hauptsache ist nun die, ob Herr Sapieha und Babinitsch den Fürsten verfolgen und den Kriegsschauplatz hierher verlegen wollen?«

»Man kann aus den Berichten der Flüchtlinge nicht klug werden,« antwortete der Offizier. »Der Schrecken läßt sie vieles übertreiben. So behaupten die Aengstlichsten von ihnen, daß Babinitsch ihnen dicht auf den Fersen ist. Da aber der Fürst mit Sakowitsch zurückgeblieben ist, so vermute ich, daß die Verfolgung keine so hastige sein kann.«

»Aber sie muß doch eintreten; es ist gar nicht anders anzunehmen. Wer würde nach einem Siege den Besiegten nicht verfolgen?«

»Das wird die Zeit uns lehren. Ich wollte mit euch, Herrin, von anderem reden. Der Fürst muß infolge seines Mißgeschickes und seiner Erkrankung sehr gereizt sein; er wird in der Verzweiflung noch mehr zu Gewaltthaten geneigt sein, als früher ... Trennt euch daher nicht von der Muhme und von dem Fräulein Borschobohata; laßt auch nicht zu, daß der Herr Schwertträger nach Tilsit geschickt wird, wie das vorige Mal.«

Olenka antwortete nichts. Der Schwertträger war gar nicht nach Tilsit gebracht worden, nur hatte der Fürst, um vor seinen Leuten seine grausige That zu verbergen, durch Sakowitsch das Gerücht verbreiten lassen, der Alte sei nach Tilsit gereist, während er thatsächlich infolge des Stoßes, welchen ihm der Fürst versetzt, krank darniederlag. Olenka wollte darüber nicht sprechen; sie war zu stolz, um selbst Ketling gegenüber einzugestehen, daß ein Billewitsch von jemandem wie ein Hund mißhandelt worden war.

»Ich danke euch für die Warnung,« sagte sie nach einer Pause.

»Ich hielt es für meine Pflicht ...«

Da wurde Olenka plötzlich wieder von Bitterkeit gegen Ketling erfüllt. War er doch nur allein schuld daran, daß diese neue Gefahr über ihrem Haupte schwebte; hätte er damals in ihre Flucht gewilligt, so wäre sie jetzt längst in Sicherheit.

»Herr Kavalier,« sagte sie, »es ist wahrhaft ein Glück, daß diese Warnung nicht gegen die Ehre und eure Dienstpflicht verstößt, indem der Fürst euch nicht befohlen hat, mich nicht zu warnen.«

Ketling verstand den Vorwurf sehr gut. Mit einer Würde, die sie ihm nie zugetraut hätte, erwiderte er:

»Ich erfülle das, was meine Dienstpflicht und meine Ehre mir gebieten, entweder ganz, oder ich ziehe vor zu sterben, ehe ich sie versäume. Mir bleibt nur zwischen diesem beiden die Wahl. Außerhalb meines Dienstes darf ich Nichtswürdigkeiten zu verhüten suchen. Als Privatmann also lasse ich euch diese Pistole zurück mit der Bitte: wehrt euch, wenn die Gefahr nahet, im Notfalle – tötet euch! Geschieht das, dann bin ich meiner Pflicht ledig und kann zu eurer Rettung herbeieilen.«

Während er das sagte, verneigte er sich und wandte sich der Thüre zu, Olenka aber hielt ihn zurück.

»Herr Kavalier,« bat sie, »macht euch frei von diesem Dienst, verteidigt die gute Sache, schützt die Unterdrückten; es ist schade um euch.«

Ketling unterbrach sie:

»Ich hätte mich längst frei gemacht und mein Gesuch um Entlassung eingereicht, wenn ich nicht gedacht hätte, euch, Herrin, hier nützen zu können. Heute ist es zu spät dazu. Wäre der Fürst als Sieger heimgekehrt, so hätte ich nicht einen Augenblick gezaudert; da er aber der Besiegte ist, da der Feind ihm auf den Fersen ist, so wäre es Feigheit, eher gehen zu wollen, als der Pflichttermin abgelaufen ist. Ihr werdet zu eurer Genugthuung sehen, wie viele seiner früheren Bewunderer den Besiegten feige verlassen; mich werdet ihr nicht unter ihnen finden ... Lebt wohl, Herrin! Die Pistole ist gut; sie zerschmettert leicht sogar einen Panzer.«

Mit diesen Worten entfernte sich Ketling, die Waffe zurücklassend.

Olenka verwahrte dieselbe sogleich. Glücklicherweise gingen ihre und des jungen Offiziers Befürchtungen nicht in Erfüllung.

Der Fürst kam gegen Abend in Begleitung Sakowitschs und Patersons an; er war so krank, daß er kaum zu stehen vermochte. Er wußte selbst nicht mit Gewißheit, ob Herr Sapieha selbst die Verfolgung aufgenommen oder Babinitsch mit der leichten Reiterei damit betraut haben mochte.

Boguslaw war sich zwar bewußt, den letzteren samt seinem Pferde bei der Attacke überrannt zu haben, doch wagte er nicht zu hoffen, daß er ihn dabei getötet, da ihm schien, als wäre sein Rapier an dem Visier des Verhaßten abgeprallt. War er doch selbst damals mit dem Leben davongekommen, als er ihm die Pistole direkt in das Gesicht abgeschossen hatte.

Der Gedanke, wie Babinitsch und seine Tartaren in den fürstlichen Gütern hausen würden, wenn er zu denselben gelangte, peinigte den Fürsten entsetzlich. Und er hatte nichts mehr, sie zu verteidigen, ja er wußte noch nicht einmal, wie er seine Person in Sicherheit bringen sollte, da es nicht viele solcher Söldlinge gab, wie Ketling, und anzunehmen war, daß bei der ersten Kunde vom Herannahen des Feindes auch diese ihn verlassen würden.

Der Fürst hatte die Absicht, nicht länger als zwei bis drei Tage in Tauroggen zu bleiben; er mußte sobald wie möglich zum Kurfürsten und zu Stenbock zu gelangen suchen, um neue Streitkräfte zu sammeln und diese entweder zur Verteidigung der Städte Preußens zu verwenden, oder sie dem Könige nachzusenden, welcher einen Feldzug in das Innere der Republik plante.

Er wollte in Tauroggen nur einen Offizier zurücklassen, welcher Ordnung in die versprengten Reste der Armee bringen, die bäuerlichen und adligen Patrioten im Zaune halten, die Güter beider Radziwills beschützen und die Verbindung mit der Armee Loewenhaupts, der Hauptmacht in Smudz, wieder herstellen sollte.

Zu diesem Zweck ließ der Fürst nach der ersten guten Nachtruhe Sakowitsch zu sich rufen, welcher der einzige war, dem er volles Vertrauen schenkte.

Es war ein seltsamer »guter Morgen,« den die beiden Freunde sich nach der verunglückten Expedition in Tauroggen wünschten. Sie starrten sich wortlos eine Zeitlang an. Endlich ergriff der Fürst zuerst das Wort.

»Ah! was nun! Die Teufel haben alles genommen!«

»Sie haben es!« wiederholte Sakowitsch.

»Es konnte nicht anders kommen. Hätte ich mehr leichte Reiterei gehabt, oder hätte der Henker nicht diesen Babinitsch in meinen Weg geführt ... zum zweiten Male! Er hat einen anderen Namen angenommen, der Galgenhund. Erzähle das niemandem, damit sein Ruhm nicht noch größer werde.«

»Ich werde nicht davon sprechen ... aber ich garantiere nicht, daß die anderen Offiziere es ausposaunen, denn ihr habt ihn damals zu euren Füßen ja selbst als den Fahnenträger von Orschan präsentiert.«

»Die Offiziere und die Deutschen verstehen die polnischen Namen nicht. Ihnen ist es gleich, ob Kmiziz oder Babinitsch. Ah! bei den Hörnern des Luzifer, wenn ich ihn hätte! Aber ich hatte ihn ja ... und da hat mir der Schelm die eigenen Leute zu Rebellen gemacht und die ganze Abteilung Glowbitsch weggeführt! ... Er muß ein Bastard unseres Geschlechtes sein, anders ist es nicht! ... Und ich hatte ihn ... hatte ihn ... und er ist entkommen! ... Das frißt mehr an mir, wie die ganze verunglückte Expedition.«

»Ihr hattet ihn, Durchlaucht, für den Preis meines Kopfes.«

»Jaschu! ich will ehrlich sein. Ich hätte dir ruhig das Fell über die Ohren ziehen lassen, wenn ich Kmiziz's Fell hätte gerben lassen können!«

»Ich danke, Bogusch! Mehr durfte ich von deiner Freundschaft nicht erwarten.«

Boguslaw lachte auf:

»Du hättest schön auf dem Rost Sapiehas gebraten; ich hätte dich sehen mögen. Alle deine Schelmenstücke wären da ausgeschmort.«

»Und ich wollte dich in Kmiziz's Händen sehen, in den Händen deines lieben Verwandten. Deine Gesichtszüge sind anders, aber in der Gestalt seid ihr euch gleich, eure Stiefeln haben das gleiche Maß, ihr schmachtet nach demselben Mädchen, nur daß sie in ihrer Unerfahrenheit instinktiv errät, daß jener besser und tapferer ist als du.«

»Zweie solcher, wie du, würde er wohl zwingen, doch mir kommt er nicht gleich ... Hätte ich auf der Flucht zwei Minuten Zeit gehabt, so könnte ich dir auf Ehrenwort versichern, daß mein Verwandter tot ist. Du warst immer etwas dumm, gerade darum liebte ich dich, aber in der letzten Zeit ist dein Witz ganz abhanden gekommen.«

»Du hattest deinen Witz in den Fersen, deshalb bist du so vor dem Sapieha entlaufen. Dadurch bist du mir ordentlich zuwider geworden, so, daß ich am liebsten selbst zu Sapieha ginge.«

»Um aufgehängt zu werden!«

»Wohl mit demselben Strick, mit dem man den Radziwill fesselt.«

»Genug!« sagte der Fürst.

»Ew. Durchlaucht ergebenster Diener!«

»Es wird notwendig sein, einige der Reiteroffiziere zu erschießen, die am meisten Lärm schlagen.«

»Ich habe heute Morgen bereits sechse erhängen lassen. Sie sind schon kalt gestellt, aber sie tanzen noch an den Stricken, denn es ist sehr windig draußen.«

»Das ist gut! Höre einmal! Ich muß jemanden in Tauroggen zurücklassen, willst du hier bleiben?«

»Ich will, und bitte darum. Es konnte niemand besser hier zurecht kommen als ich. Der Soldat fürchtet mich mehr als die anderen; er weiß, daß ich nicht mit mir scherzen lasse. Auch mit Rücksicht auf Loewenhaupt ist es besser, daß einer dableibt, der angesehener ist als Paterson.«

»Wirst du mit den Rebellen fertig werden?«

»Ich versichere Ew. Durchlaucht, daß die Tannen der Smudz in diesem Jahre schwerere Früchte tragen werden, als Zapfen. Aus den Bauern werde ich zwei Regimenter Fußsoldaten formieren und sie nach meiner Art ausbilden. Auf die Güter werde ich ein wachsames Auge haben und so eines derselben von den Rebellen überfallen werden sollte, dann werde ich einen der reichen Edelleute dafür verantwortlich machen und ihn ausquetschen wie Quark. Zum Anfang brauche ich nur so viel Geld, als nötig ist, die Löhnung auszuzahlen und die Füsiliere einzukleiden.«

»Was ich entbehren kann, will ich hier lassen.«

»Von der Mitgift?«

»Von was?«

»Nun, ich meine von der Mitgift der Billewitsch, die ihr euch selbst im Voraus auszahltet.«

»Wenn du den Alten auf manierliche Weise unschädlich machen könntest, wäre es gut, denn er hat ein Handschreiben von mir.«

»Ich will mir Mühe geben, es zurück zu erlangen. Es ist nur die Frage, ob er das Handschreiben der Sicherheit wegen nicht fortgeschickt hat, oder ob es nicht irgendwo eingenäht ist. Ew. Durchlaucht möchten die Schuld nicht tilgen wollen? ...«

»Es wird wohl so kommen, daß ich es nicht kann. Doch jetzt muß ich fort. Dieses vermaledeite Fieber hat mich meiner ganzen Kräfte beraubt.«

»Beneidet ihr mich nicht, daß ich in Tauroggen bleibe, Durchlaucht?«

»Du hast wohl ein besonderes Interesse dabei? Nur ... solltest du etwa Lust haben? ... Ich ließe dich mit Haken zerreißen ... Warum drängst du so, hier zu bleiben?«

»Weil ich heiraten will!«

»Wen?« frug der Fürst, sich vom Lager aufrichtend.

»Das Fräulein Borschobohata Krasienska.«

»Das ist ein guter Gedanke, ein ausgezeichneter Gedanke!« sagte der Fürst nach einer Pause. »Ich habe etwas von einer Verschreibung gehört ...«

»Es ist so; ein Vermächtnis des Herrn Longinus Podbipienta. Ihr wißt, Durchlaucht, was für ein reiches Geschlecht das ist. Die Güter jenes Longinus liegen in mehreren Kreisen verteilt. Zwar ist ein Teil derselben von entfernten Verwandten in Besitz genommen, ein anderer Teil ist von moskauischen Gruppen besetzt; es wird Prozesse, Schlägereien, Zank und Streitigkeiten ohne Ende geben, aber ich werde schon Rat schaffen. Nicht einen Baumwipfel trete ich ab. Das Mädchen gefällt mir ausnehmend gut, denn sie ist verlockend schön. Ich bemerkte schon, als wir sie gefangen nahmen, daß sie Angst heuchelte und mit den Augen nach mir schielte. Wenn ich als Kommandant hier zurückbleibe, wird sich aus purer Langeweile schon ein Liebesverhältnis anspinnen lassen.«

»Eines nur will ich dir sagen. Ich verwehre dir nicht, zu heiraten, aber merke wohl, keine Exzesse, du verstehst mich? Das Mädchen gehört zu den Wischniowiezkis, sie ist die Vertraute der Fürstin Griseldis selbst, und ich will die Fürstin aus Hochachtung vor ihr nicht beleidigen, ebensowenig den Herrn Starosten von Kalusk.«

»Es bedarf der Warnung nicht,« entgegnete Sakowitsch. »Wenn ich mich erst wirklich verheiraten will, so muß ich mich auch ernsthaft bewerben.«

»Ich wollte, sie weist dich ab.«

»Ich kenne jemanden, der abgewiesen worden, obgleich er ein Fürst ist, aber ich denke, mir kann so etwas nicht begegnen. Ihr Augenblinkern giebt mir guten Mut.«

»Mache dem Abgewiesenen keine Vorwürfe; es könnte geschehen, daß er dich zum Bock macht. Ich will deinem Wappen die Hörner zufügen oder dir den Beinamen auswirken: Sakowitsch der Gehörnte. Sie ist eine Borschobohata von Geschlecht; d. h. eine Gottreiche; er ein Bardsorogaty, d. h. ein sehr Gehörnter! Ihr seid ein passendes Paar. Heirate nur, Jaschu, heirate du, laß mich auch wissen, wann die Hochzeit sein wird, ich will dein Brautführer sein.«

Gräßlicher Zorn malte sich in den Zügen Sakowitschs und verunstaltete das ohnehin häßliche Gesicht noch mehr. Die Augen waren verschleiert, als wenn eine Rauchschicht darüber liege. Doch bezwang er sich bald und indem er den Worten des Fürsten eine scherzhafte Wendung gab, antwortete er:

»Du Aermster! Kannst aus eigener Kraft nicht die Treppe hinauf und willst drohen? Du hast hier ja deine Olenka und wirst noch das Vergnügen haben, bei den Kindern des Babinitsch Wartefrau zu spielen!«

»Daß dir die Zunge zerbreche! So kannst du über die Krankheit spotten, die mich um ein Haar zum Tode gebracht? Ich wünsche, daß auch du einem Zauber unterliegen mögest.«

»Ach, Zauber hin! Zauber her! Oft, wenn ich sehe, wie alles sich auf natürlichem Wege abwickelt, denke ich, daß Zauberei ein Unsinn ist.«

»Du bist selbst ein Unsinn! Sei stille, rufe das Elend nicht hervor! Du ekelst mich an!«

»Sehet zu, daß ich nicht der letzte Pole bin, der euch treu bleibt. Meine Treue wird schlecht gelohnt. Ich werde in meine stille Häuslichkeit zurückkehren und dort das Ende des Krieges abwarten.«

»Ach, laß das sein! Du weißt, wie lieb du mir bist.«

»Es wird mir schwer, das zu erraten. Der Teufel hat mir wohl diese Schwäche für Ew. Durchlaucht in das Herz gepflanzt. Wenn es wirklich Zauber giebt, so ist es hier der Fall.«

Sakowitsch sprach die Wahrheit, denn er liebte Boguslaw wirklich und der Fürst wußte das. Darum war er ihm, wenn auch nicht tiefer zugeneigt, so doch wirklich dankbar und erwies ihm Dankbarkeit in der Weise, wie eitle Menschen das gegenüber denjenigen thun, von denen sie sich verehrt wissen.

Der Fürst war deshalb auch mit dem Heiratsprojekt mit Anusia Borschobohata vollkommen einverstanden; er beschloß, persönlich für Sakowitsch bei ihr zu werben.

Gegen Mittag, als er sich wohler fühlte, ließ er sich ankleiden und begab sich zu Anusia.

»Ich komme als alter Bekannter, mich zu erkundigen, wie es euch geht,« sagte er, »und zu fragen, ob euch der Aufenthalt in Tauroggen gefällt?«

»Wer in Gefangenschaft lebt, dem muß alles gefallen,« seufzte Anusia.

Der Fürst lachte.

»Ihr seid doch nicht gefangen. Man hat euch zusammen mit den Leuten Sapiehas aufgefangen und ich sandte euch mit ihnen hierher, aber doch nur zu eurer Sicherheit. Es soll euch hier kein Haar gekrümmt werden. Ihr müßt nämlich wissen, daß ich selten jemanden so hoch schätze, wie die Fürstin Griseldis, deren Herzen ihr nahe steht. Die Wisniowiezkis und Samojskis aber sind mir verwandt. Ihr sollt hier jede Freiheit und alle Sorgfalt genießen; ich bin als wohlmeinender Freund gekommen euch zu sagen, daß ich euch gern eine Eskorte zur Verfügung stelle, falls ihr fort wollt, obgleich ich gerade jetzt wenig Leute habe. Aber ich rate euch, hier zu bleiben. Man hat euch, wie ich hörte, ausgesandt, um ein ererbtes Vermögen zu erlangen. Doch wisset, dazu ist jetzt nicht die geeignete Zeit. Selbst in Friedenszeiten würde euch die Protektion des Herrn Sapieha nichts nützen, denn seine Macht erstreckt sich nur auf das Gubernium Witebsk, hier schafft er nichts. Außerdem kann er diese Angelegenheit nur durch Kommissarien erledigen lassen ... Ihr braucht einen wohlmeinenden Freund, der sich Rat weiß, welcher Respekt und Achtung bei den Menschen genießt. Wenn ein solcher sich eurer Sache annehmen wollte, der ließe sich sicher nicht Stroh statt Korn in die Faust stecken.«

»Wo werde ich Waise so einen Vormund finden?«

»Gerade hier in Tauroggen.«

»Wie, Eure Durchlaucht wolltet selbst so gnädig sein?«

Anusia faltete die Händchen und blickte den Fürsten mit einem so lieblichen Ausdruck an, daß derselbe, wenn er nicht so schwach und elend sich gefühlt hätte, sich weniger ehrlich der Sache Sakowitschs angenommen hätte. Aber Liebesgedanken lagen ihm jetzt fern, deshalb sagte er schnell:

»Wenn ich nur dürfte, dann würde ich niemandem diese dankbare Funktion anvertrauen. Leider muß ich abreisen. An meiner Stelle wird Herr Sakowitsch Kommandant in Tauroggen bleiben; er ist ein großer Kavalier, ein bewährter Soldat und geschickt, wie kein anderer in ganz Litauen. Ich wiederhole daher: Bleibt in Tauroggen, es giebt kein sichereres Plätzchen weit und breit, denn überall hausen die Rebellen, alle Wege sind von ihnen besetzt. Sakowitsch wird euch hier beschützen und sich umsehen, was sich in der Erbschaftsangelegenheit thun läßt, und was er einmal unternimmt, das führt er auch zum glücklichen Ende, wie kein anderer. Er ist mein Freund, ich kenne ihn also; das eine nur muß ich euch aber sagen: Wenn ich selbst die Erbschaft für euch erheben sollte und Sakowitsch stände gegen mich, so würde ich gutwillig darauf verzichten, denn es ist gefährlich, mit ihm zu streiten.«

»Wenn nur Herr Sakowitsch der Waise auch beistehen wollte ...«

»Seid nur nicht unfreundlich mit ihm, so wird er alles für euch thun. Eure Schönheit hat sein Herz entflammt: er geht umher und seufzt ...«

»Wie könnte ich jemanden entflammen,« sagte Anusia.

»Sie ist ein Kobold!« dachte der Fürst.

Und laut setzte er hinzu:

»Das mag Sakowitsch euch erklären; er muß wissen, wie es geschehen. Seid nur nicht unfreundlich mit ihm, denn er ist ein edler Mensch, von altem Adel, ich wünsche, daß er nicht verschmäht wird.«


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