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6. Kapitel

Den Versicherungen der Bergbauern zufolge, daß auf dem Wege nach Tschorschtyn weitere Abteilungen schwedischer Truppen sich nicht befänden, schlug der königliche Zug die Richtung nach diesem befestigten Schlosse zu ein. Bald auch gelangte er nun auf eine Landstraße, auf welcher er sich bequemer und weniger mühevoll fortbewegen konnte. Fröhliche Gesänge und Vivatrufe der Bergbauern geleiteten ihn. Immer neue Haufen Volkes, mit Sensen, Dreschflegeln, Mistgabeln und alten Musketen bewaffnet, schlossen sich dem Zuge an. Johann Kasimir befand sich in kurzer Zeit an der Spitze eines ansehnlichen Heeres, welches, wenn auch nicht durchweg aus regulären Truppen bestehend, doch für ihn in den Tod oder zum Siege zu gehen freudig bereit war. Noch vor seinem Einzuge in Tschorschtyn fand er sich von über eintausend Freiwilligen umgeben, die zum größten Teile wilde Steppensöhne waren.

Nun fing auch der Kleinadel aus der Umgegend von Neu- und Alt-Sontsch an herbeizuströmen. Dieser brachte die frohe Kunde mit, daß an diesem Morgen eine polnische Fahne unter dem Kommando des Hauptmann Woynillowitsch einen größeren schwedischen Vortrab gänzlich aufgerieben habe. Die Mehrzahl der Schweden sei entweder durch das Schwert der Polen gefallen, oder in der Kamienna ertrunken.

Etwas später wurde diese Nachricht bestätigt, denn bald darauf tauchten in der Ferne auf der Landstraße polnische Reiterfähnchen auf und Woynillowitsch selbst sprengte mit einer Abteilung Reiter des Wojewoden von Brazlaw heran.

Der König begrüßte die Ankunft des ihm längst bekannten tapferen Ritters auf das Freudigste. Unter lauten Zurufen der Begeisterung seitens des Volkes und der Soldaten setzte er seine Reise nach dem Spiser Komitat an der Seite Woynillowitsch's fort.

Man hatte inzwischen Eilboten abgesandt, welche dem Herrn Marschall das Kommen des Königs melden sollten, damit er die nötigen Vorbereitungen zum Empfange desselben treffen könne.

Die Weiterreise fand fröhlich und unter munteren Gesprächen statt. Immer neue Zuzüge vergrößerten die Begleitung des Königs. Der päpstliche Nuntius, welcher voll Angst und Sorge um sein und des Königs Los Schlesien verlassen und dessen Besorgnis im Anfang der Reise sich noch gesteigert hatte, schwamm in Wonne, da er jetzt sicher zu sein glaubte, daß die nächste Zukunft dem Könige und mit diesem auch der Kirche den Sieg über die Andersgläubigen bringen werde. Die Bischöfe teilten seine Zuversicht und die weltlichen Würdenträger waren ebenfalls der Ansicht, daß das Volk vom baltischen Meere bis zu den Karpathen sich einmütig erheben werde, ja Woynillowitsch behauptete, daß dies schon wenigstens zum größten Teil geschehen sei.

Er erzählte, was er im Reiche gehört, wie die Schweden von Angst und Schrecken befallen, nicht mehr wagten, in geringerer Anzahl die Befestigungen zu verlassen, wie sie selbst kleinere Schlößchen aufgaben und dieselben in Brand steckten, um in größeren Festungen Schutz zu suchen.

»Das Heer schlägt sich schuldbewußt mit der einen Faust an die Brust, mit der anderen fängt es an auf die Schweden loszuschlagen,« sagte er. »Wiltschkowski, der Hauptmann der Husaren Ew. Majestät, hat den schwedischen Dienst bereits quittiert und zwar in der Weise, daß er sie bei Zackschewo, wo eine Abteilung unter dem Kommando des Hauptmann Attenberg stand, angriff und fast vollständig aufrieb ... Ich habe sie mit Gottes Hilfe aus Nowy-Sontsch herausgedrängt, der Sieg war ein vollständiger, denn kaum einer ist mit dem Leben davongekommen ... Herr Felizian Kochowski hat mir mit seinem Fußvolk wacker beigestanden, so daß wir wenigstens die vor zwei Tagen von den Schweden angefallenen Dragoner rächen konnten.«

»Was für Dragoner?« frug der König.

»Nun, die, welche Ew. Majestät von Schlesien aus voraussandte. Sie wurden plötzlich aus einem Hinterhalte von den Schweden überfallen, und wenn diese auch nicht vermochten, die Dragoner zu zersprengen, so fügten sie ihnen doch großen Schaden zu, obgleich dieselben sich brav wehrten. Wir aber hätten uns vor Verzweiflung beinahe ein Leids angethan, weil wir fest glaubten, Ew. Majestät befinde sich bei den Dragonern und unserem Könige könne ein Unglück zugestoßen sein. Das hat Gott Ew. Majestät wohl eingegeben, die Dragoner vorauszuschicken. Die Schweden hatten das bald ausgespürt und hielten alle Wege besetzt.«

»Hört ihr es, Tysenhaus?« frug der König. »Das sagt ein erfahrener Kriegsmann.«

»Ich höre, Allergnädigster Herr,« antwortete kleinlaut der junge Edelmann.

Der König wandte sich wieder Woynillowitsch zu.

»Und was weiter? Fahrt fort! Erzählt!«

»Ich will nichts von dem verheimlichen, was ich weiß. In Großpolen treiben Zegozki und Kulescha ihr Spiel mit den Schweden. Herr Warschyzki hat den Lindorm aus dem Schneidemühler Schloß verdrängt, Dankow wehrt sich tapfer, Krone ist schon in unseren Händen und in Podlachien wächst die Macht Sapiehas bei Tykozin zusehends. Den Schweden dort im Schlosse brennt der Boden schon unter den Füßen, mehr aber noch als ihnen, dem Fürst-Wojewoden von Wilna. Die Kronen-Hetmane sind schon auf dem Wege von Sandomir nach Lublin und machen keinen Hehl daraus, daß sie die Schweden als Feinde betrachten. Der Wojewode von Tschernichow hat sich ihnen angeschlossen, und wer irgend in jener Gegend einen Säbel in der Faust halten kann, der eilt ihnen zu. Man sagt, es werde dort eine Verschwörung gegen die Schweden ins Werk gesetzt, deren Leiter Herr Sapieha und der Herr Kastellan von Kijow sind.«

»So befindet sich also der Herr Kastellan von Kijow ebenfalls im Lubliner Komitat?«

»Ja, Majestät! Aber er ist bald hier, bald dort ... Auch ich soll zu ihm stoßen; ich weiß aber noch nicht, wo ich ihn finden werde.«

»Sein Aufenthalt wird überall bekannt sein,« sagte der König. »Ihr werdet nicht nötig haben, ihn zu suchen.«

»Das hoffe ich, Allergnädigster Herr!« antwortete Woynillowitsch.

Unter solchen Gesprächen war die Zeit vergangen. Das Wetter hatte sich aufgeklärt, der Himmel strahlte in schönstem Blau, der Schnee glitzerte im Scheine der leuchtenden Sonne. Die Spiser Berge breiteten sich majestätisch und freundlich vor den Reisenden aus, die ganze Natur schien ihrem König entgegen zu lächeln.

»Geliebtes Vaterland!« rief der König aus. »Wäre es Mir doch vergönnt, dir Frieden und Ruhe wieder zu geben, ehe Meine Gebeine in deinen Schoß zur Ruhe gehen!«

Der Zug langte jetzt eben auf einer hohen Bergkuppe an, von wo aus man eine weithin sich dehnende Aussicht hatte. Zu Füßen derselben breitete sich eine weite Ebene. Aus derselben bewegte sich noch in großer Entfernung ein Haufen Menschen dem Berge zu.

»Dort kommen die Soldaten des Herrn Marschall uns entgegen,« sagte Woynillowitsch.

»Vielleicht sind es Schweden?« meinte der König.

»Nein, Allergnädigster Herr! Vom Süden, von Ungarn her können Schweden nicht kommen. Ich kann schon die Truppengattung erkennen; es sind Husaren.«

Nach einer Weile tauchte in der Ferne auch schon ein Wald von Speeren auf, bunte Fähnchen wehten wie vom Winde geschaukelte Blumen, darüber leuchteten die Spitzen der Wurfspieße, wie kleine Flämmchen, während die Strahlen der Sonne auf den Panzern und Helmen spielten.

Die Begleiter des Königs ließen Freudenrufe erschallen. Dieselben mußten von den Entgegenkommenden gehört worden sein, denn die Kolonnen kamen jetzt in immer schneller werdendem Tempo herangesprengt, so daß man bald die einzelnen Reiter deutlich erkennen konnte.

»Wir wollen hier auf dieser Anhöhe den Herrn Marschall erwarten,« sagte der König.

Der Zug hielt an. Die anderen dort unten eilten noch mehr. Zuweilen wurden sie den Blicken der oben Harrenden durch kleine, in der Ebene verstreute Felsblöcke, Hügelchen oder durch eine Biegung des Weges entzogen. Dann wieder schlängelte der Reiterzug sich sichtbar dahin, wie eine große, buntglitzernde Schlange. Endlich war er dicht bei der Anhöhe angelangt, er kam langsam heraus. Das Auge konnte nun den ganzen Zug übersehen und sich an seinem Anblick weiden. Im Vordergrunde erschien die Husaren-Leibfahne des Herrn Kronenmarschalls, reich geschmückt, so daß jeder Monarch stolz darauf sein konnte. In dieser Fahne dienten ausnahmslos nur Herren von dem Bergadel, Männer von herrlichem Wuchs, welche Panzer von blauem Stahl trugen, die kupferne Beschläge hatten und in seiner Gravierung das Bildnis der heiligen Jungfrau von Tschenstochau trugen. Den Kopf bedeckte ein runder Helm, welcher durch ein eisernes Schuppenbandelier festgehalten wurde; auf den Schultern waren Adler und Geierfedern befestigt und über dem Rücken fielen, nach damaliger Sitte, Tiger-, Leoparden- oder Wolfsfelle herab.

Ein Wald schwarzgrüner Fähnchen flatterte über ihren Häuptern. An der Spitze des Zuges ritt der Hauptmann Wiktor, gleich hinter ihm die Janitscharen-Kapelle, mit Glöckchen, Zimbeln, Pauken und Pfeifen, dahinter dicht gedrängt Reiter an Reiter.

Das Herz des Königs jauchzte auf vor Wonne beim Anblick dieser herrlichen Krieger. Den Husaren folgte auf dem Fuße die leichte Reiterei, die blanken Schwerter in der Hand, den Köcher und Bogen auf dem Rücken. Dann kamen drei Abteilungen Somenen, farbig wie bunter Mohn gekleidet und mit Spießen und Musketen bewaffnet. Hinter ihnen ritten zweihundert Dragoner in roten Kollets und zuletzt die Mietsoldaten der verschiedenen adligen Herren, Diener, welche festlich geschmückt wie zu einem Hochzeitsfeste waren, Trabanten, Heiducken, Pagen, Ungarn und Janitscharen, die zum Gefolge des Marschalls gehörten.

Das alles kam näher und näher in allen Farben des Regenbogens schillernd, lustig plaudernd, geräuschvoll mit dem Klirren der Waffen und dem Wiehern der Pferde vermengt. Zwischendrein wirbelten die Trommeln, tönten die Pauken, Pfeifen, das Glockenspiel, daß die Berge rings davon widerhallten. Ganz am Ende des Zuges sah man eine Reihe herrschaftlicher Wagen nahen, deren Insassen weltliche und geistliche Würdenträger zu sein schienen.

Jetzt stellten sich die Truppen in zwei Reihen zu beiden Seiten auf, so eine Gasse bildend, in welcher alsbald auf milchweißem Pferde der Herr Kronenmarschall Georg von Lubomirski erschien. Wie ein Wirbelwind kam er dahergejagt, hinter ihm zwei Stallmeister, deren Livreen von Gold strotzten. Auf der Anhöhe angelangt, sprang er vom Pferde, warf die die Zügel desselben einem der Stallmeister zu und näherte sich zu Fuß dem Könige. Er hatte die Mütze abgenommen, sie auf den Griff seines Säbels gestützt und schritt so barhäuptig dem Monarchen entgegen. Der Marschall trug den polnischen Kriegerrock; seine Brust war von einem reich mit kostbaren Steinen besetzten silbernen Panzer bedeckt, welcher so blank poliert war und so glänzte, daß es schien, der Marschall trage die Sonne auf der Brust. Ueber die linke Schulter hatte er einen dunklen mit violettem venetianischen Sammet aufgeschlagenen Oberrock geworfen. Derselbe wurde an einer Schnur am Halse mit brillantenen Agraffen festgehalten; seine Knöpfe waren ebenfalls große Brillanten und ein ganzes Bündel gleicher Steine war in Form eines kleinen Straußes an der Mütze angebracht, welcher im Hin- und Herwiegen einen förmlichen Strahlenregen über die Gestalt des Marschalls ergoß.

Georg Lubomirski war ein Mann in der vollen Kraft seiner Jahre, von majestätischem Wuchse. Der hintere Teil seines Kopfes war glatt geschoren, während das stark gelichtete, von grauen Fäden durchzogene Vorderhaar gescheitelt über der Stirn lag. Der rabenschwarze Schnurrbart hing in dünnen Enden an beiden Seiten der Oberlippe herab. Die Schönheit der gewölbten Stirn und der römischen Nase wurde etwas beeinträchtigt durch die zu sehr hervorstehenden Backen und die kleinen, rot umrandeten Augen. Ein tiefer Ernst, gepaart mit unendlichem Hochmut und Eitelkeit, prägten sich in diesem Gesicht aus. Ein Blick auf diesen Mann mußte überzeugen, daß er stets bemüht war, das Augenmerk nicht nur des ganzen Landes, sondern Europas auf sich zu lenken.

Wo Georg Lubomirski nicht vermochte, den ersten Platz zu behaupten, wo er das Verdienst mit einem anderen teilen sollte, da scheute sein Stolz kein Mittel, da schonte er niemanden, selbst nicht das Wohl des Vaterlandes, um den andern zu vernichten und allein das Feld zu behaupten.

Obgleich ein gewandter und vom Glück begünstigter Feldherr, hatte er doch Rivalen, welche ihn bei weitem übertrafen, denn seine Fähigkeiten hielten nicht immer gleichen Schritt mit dem Stolz und der Herrschsucht des Marschalls. Eine dauernde Unruhe peinigte ihn, welche wiederum dem Mißtrauen und Neid entsprangen. Diese beiden letzteren Eigenschaften machten ihn später zu dem Manne, welcher ein schlimmerer Feind der Republik wurde, als selbst der gräßliche Janusch Radziwill. Der böse Geist, welcher Janusch innewohnte, war so groß, daß er vor nichts und niemandem zurückschreckte; er verlangte nach der Krone und schritt diesem Ziele dreist und unerschrocken zu, gleichviel ob der Weg über die Trümmer und das Grab des Vaterlandes führte. Auch Lubomirski hätte sich gern die Krone auf das Haupt setzen lassen, wenn der Adel das hätte thun wollen; sie zu verlangen und selbst zu erringen, dazu war er geistig nicht stark genug. Radziwill war einer jener Männer, welche das Nichtgelingen eines Planes zu Verbrechern, das Gelingen zu Halbgöttern macht. Lubomirski war ein großer Raufbold, der, wenn sein Stolz verletzt sich fühlte, alles mit Füßen trat, was das Wohl des Vaterlandes aufrichten konnte, ohne doch aus seinem Fall für sich etwas zu gewinnen zu versuchen. Radziwill war der Schuldigere, Lubomirski der Gefährlichere von beiden.

Zur Zeit, wo er in Gold und Edelsteinen strahlend dem Könige entgegenschritt, war sein Hochmut vollkommen gesättigt. War er doch der erste der Adligen, welcher den König auf seinem Grund und Boden begrüßen durfte, ihn gewissermaßen in seinen Schutz nehmen, auf den Thron führen und den Feind aus dein Lande vertreiben sollte. Erwartete doch jetzt der Monarch und mit ihm das ganze Reich alles von ihm, waren doch aller Augen auf ihn allein gerichtet. So entsprach es auch ganz seiner Eigenliebe, in diesem Augenblick seine Treue und seinen Diensteifer zu bekunden, ja, seine Opferwilligkeit in Zeichen der Ehrerbietung und Demut darzuthun, die alles Maß weit überschritten. Noch ein Stück vom Könige entfernt, nahm er seine Mütze vom Griff des Säbels, und sich fortwährend tief verneigend, fegte er mit dem diamantenen Strauß derselben den Schnee.

Der König ritt ein paar Schritte vorwärts, hielt dann sein Pferd an, um zur Begrüßung des Marschalls abzusitzen. Als der Marschall das bemerkte, sprang er schnell herbei, faßte den Steigbügel und indem er gleichzeitig mit einem kräftigen Ruck seinen Oberrock am Halse löste, breitete er, dem Beispiele jenes englischen Höflings folgend, denselben dem Monarchen unter die Füße.

Tief bewegt öffnete der König seine Arme und umarmte den Marschall wie einen Bruder.

Eine Weile vermochte keiner von beiden ein Wort hervorzubringen. Die Truppen aber riß der erhabene Anblick zu einer stürmischen Begeisterung fort. Der Adel und das Gefolge des Königs, das Volk, welches sich ihm in immer wachsender Zahl auf seinem Zuge angeschlossen, sie alle brachen in laute Jubelrufe aus. Taufende von Mützen und Kalpaks flogen hoch in die Luft. Die Musketen, Flinten und Pistolen wurden abgefeuert und von Lublow her sekundierten die dortigen Geschütze mit leisen Baßtönen, so daß die Berge und Wälder von tausendfältigem Echo widerhallten, dasselbe auffingen und die frohen Rufe: »der König ist da!« weitertrugen bis zu den fernsten Felsen und Thälern.

»Herr Marschall,« sagte endlich der König, »euch wird man die Wiederherstellung des Königtums zu danken haben.«

»Allergnädigster Herr!« antwortete Lubomirski, »ich lege mein Leben, mein Hab und Gut, alles zu Füßen Ew. Majestät.«

» Vivat! Vivat Joannes Casimirus Rex! ...« donnerte es in den Reihen der Adligen.

»Es lebe unser König, unser Vater!« riefen die Bergbauern.

Unterdessen war auch das Gefolge des Königs herbeigeeilt, den Marschall zu begrüßen. Doch dieser kümmerte sich um niemanden und wich nicht von der Seite des Monarchen. Nach der ersten Begrüßung hatte der König sein Pferd wieder bestiegen. Der Marschall, welcher sich in Beweisen der Unterwürfigkeit und Gastfreundschaft gar nicht genug thun konnte, hatte die Zügel des königlichen Rosses erfaßt und führte, selbst zu Fuß gehend, den König durch die Reihen der unaufhörlich Vivat rufenden Truppen, bis zu der vergoldeten, mit acht Arabern bespannten Karosse, in welche der König mit dem päpstlichen Nuntius Widon sich setzte. Die Bischöfe und Würdenträger fanden Plätze in den anderen Wagen, worauf der Zug sich langsam nach Lubow zu in Bewegung setzte. Der Herr Marschall ritt neben dem Wagenfenster, wo der König saß, so stolz und selbstbewußt, als sei er allein der Vater der Republik.

An beiden Seiten ritten in dichten Reihen die verschiedenen Truppen, die folgenden Verse singend:

Haut die Schweden, kehrt
Mit geschärftem Schwert.
        Schlagt die Schweden, schlagt,
         Bald die Freiheit tagt.
Zieht den Schwed zur Qual
Auf den Marterpfahl.

Quält die Schweden, quält
Und ja keinen fehlt.
         Raubt der Schweden Gut
         Und vergießt ihr Blut,
Tilgt sie alle aus,
Alle, Mann und Maus.

                        Schlagt die Feinde tot,
                        Aus ist dann die Not.

In dem allgemeinen Freudentaumel, der alle beherrschte, ahnte wohl kein einziger, daß dasselbe Lied später von diesen selben Truppen Lubomirskis als Schandlied gegen den eigenen König und dessen Hilfstruppen, die Franzosen, gesungen werden sollte.

Doch bis dahin war es noch weit. In Lubow läuteten alle Glocken und donnerten alle Geschütze dem Könige den Willkommensgruß. Der Schloßhof, wo der König ausstieg, die Kreuzgänge und Treppen des Schlosses, durch welche der Monarch schritt, waren mit rotem Tuch belegt. In italienischen Vasen brannten morgenländische Kräuter und strömten aromatische Düfte aus. Schon vorher hatte Lubomirski den größten Teil seiner Schätze nach Lubow überführen lassen, um sie vor der Habgier der Schweden zu retten. Da gab es silberne und vergoldete Kredenztische, kostbare Teppiche und Gobelins von kunstvollster vlamländischer Handstickerei, Statuen, Uhren, mit Edelsteinen besetzte Spinde, Schreibtische mit Perlmutter und Bernstein ausgelegt. Das alles war jetzt verwendet worden, um die Residenz der Lubomirskis zu einem Zauberpalast umzugestalten. Der Herr Marschall hatte diese Prachtentfaltung angeordnet, um den König zu zeigen, daß er, obgleich als Vertriebener in größter Armut zurückkehrend, dennoch ein mächtiger Herrscher sei, im Besitz so mächtiger und dabei so treuer Diener.

Der König merkte diese Absicht wohl, das Herz schwoll ihm vor Glück und Freude und dankbar schloß er den Marschall wiederholt in seine Arme. Auch der Nuntius, an den auserlesensten Luxus gewöhnt, sprach offen seine Bewunderung dessen aus, was er sah und sagte zu dem Grafen Apotyngen, daß er bis jetzt keine Ahnung von der Macht und Größe des polnischen Königs gehabt habe und nun überzeugt sei, daß alles über Polen hereingebrochene Unheil nur vorübergehend sein könne.

Bei dem Festmahl, welches später folgte, nahm der König auf einer Erhöhung Platz; der Herr Marschall bediente ihn selbst und gestattete nicht, daß ein anderer seine Stelle übernehme. Zur Rechten des Monarchen saß der Nuntius Widon, zur Linken der Fürst Primas Leschtschinski, dann zu beiden Seiten der Rangordnung nach die Bischöfe von Krakau, von Posen, der Erzbischof von Lemberg und Luzk, von Pschemysl, Kulm, der Archidiakon von Krakau, ferner die Staatswürdenträger und Wojewoden, deren acht erschienen waren, Kastellane und Referendare. Von den Offizieren speisten an der königlichen Tafel Herr Woynillowitsch, Herr Wiktor, Herr Stabkowski und Herr Balduin Schurski, der Kommandeur der Fahne Lubomirski.

Im anstoßenden Saale war die Tafel für den Kleinadel und im Zeughause für das gewöhnliche Volk gedeckt, denn alle ohne Ausnahme sollten an dem Freudenfest der Rückkehr des Königs teilnehmen.

Es wurde auch an allen Tischen von nichts anderem gesprochen, als von der Rückkehr des Königs und von den großen Gefahren, die ihn bedroht, und aus welchen nur Gottes Hand ihn zu retten vermocht, Johann Kasimir hatte dieses Gespräch selbst begonnen, indem er den Verlauf des Gefechtes im Engpaß schilderte und die Thaten des jungen Ritters rühmte, welcher das Vordringen der Schweden so lange aufgehalten hatte,

»Wie geht es ihm denn?« frug er den Marschall.

»Der Medikus verläßt sein Lager nicht; er versichert, daß er genesen wird. Außerdem haben die Frauen und Mädchen des Frauenzimmers ihn in ihre Obhut genommen. Diese werden ja nicht leiden, daß die Seele seinen Körper verläßt, denn dieser Körper ist jung und schön!« antwortete heiter der Marschall.

»Gelobt sei Gott!« rief der König. »Sein Mund hat Mir etwas verraten, was Ich den Herren nicht wiederholen will, denn Mir ist es, als hätte Ich ihn falsch verstanden, oder er muß im Delirium gesprochen haben. Wenn er aber die Wahrheit sprach, dann werdet ihr staunen.«

»Wenn er nur nichts gesagt hat, was Ew. Majestät betrüben könnte?«

»Nein, nichts dergleichen!« sagte der König. »Es hat Mich vielmehr maßlos erfreut, denn nun weiß Ich, daß selbst diejenigen, welche Wir als Unsere schlimmsten Feinde anzusehen berechtigt waren, in der Gefahr mit ihrem Blute für Uns eintreten.«

»Allergnädigster Herr!« rief der Herr Marschall. »Die Zeit der Umkehr und Besserung ist gekommen, aber unter diesem Dache befinden Ew. Majestät sich nur unter solchen, welche auch nicht einmal mit einem Gedanken gegen Ew. Majestät gesündigt haben.«

»Es ist wahr, es ist wahr!« entgegnete der König. »Und ihr Herr Marschall seid der Treueste der Treuen!«

»Ich bin nur ein armseliger Diener Ew. Majestät.«

Bei Tische war es inzwischen immer lebhafter geworden. Politische Debatten wurden geführt; man tauschte Meinungen aus über das Ausbleiben der bisher so sehnlich erwarteten Hilfstruppen des deutschen Kaisers und der Tartaren und über die Entwickelung des bevorstehenden Krieges mit den Schweden. Lebhafte Freudenausbrüche wurden laut, als der Marschall berichtete, daß der von ihm zum Chan ausgesandte Bote vor ein paar Tagen zurückgekehrt sei mit der Nachricht, daß der Chan mit vierzigtausend Horden bereit stehe, auf Wunsch sogar Hunderttausend, und man nur der Ankunft des Königs in Lemberg harre, um den Bund gegen die Schweden zu schließen. Derselbe Bote habe auch berichtet, daß die Kosaken unter den Drohungen der Tartaren sich zum Gehorsam gegen den König bekehrt hätten.

»Ihr denkt an alles, Herr Marschall,« sagte der König, »und handelt so, wie Wir selbst nicht besser handeln konnten!«

Der Monarch griff nach dem Becher und denselben erhebend, sagte er:

»Wir trinken auf die Gesundheit des Herrn Kronen-Marschalls, Unseres Wirtes und Freundes!«

»Das darf nicht geschehen, Allergnädigster Herr!« fiel der Marschall ein. »Es darf niemandes Gesundheit eher ausgebracht werden, als diejenige Ew. Majestät!«

Die schon halb erhobenen Becher wurden wieder hingestellt. Der vor Glückseligkeit strahlende Lubomirski aber winkte seinem Haushofmeister.

Auf diesen Wink hin beeilte die im Saale umherschwärmende Dienerschaft sich, in vergoldete Kannen, aus silbernen Tonnen frischen Malvasier zu schöpfen und die Becher von neuem zu füllen. Die Stimmung wurde noch gehobener; alle erwarteten freudig angeregt den Toast des Herrn Marschall.

Der Kredenzmeister hatte inzwischen zwei Humpen aus venetianischem Krystall, von so wunderbar schöner Arbeit herbeigebracht, daß sie für das achte Weltwunder gelten konnten. Der Krystall, durch jahrelange Arbeit ausgehöhlt und geschliffen bis zur feinsten Glasesstärke, warf diamantene Strahlen, während der Fuß desselben von Meisterhand aus Gold hergestellt, in ganz kleinen Figuren den Einzug des siegreichen Cäsaren auf das Kapitol darstellte. Der Sieger fuhr in goldenem Wagen auf einem Wege, welcher aus kleinsten Perlen hergestellt war. Hinter dem Wagen schritten die Gefangenen mit gefesselten Händen; irgend ein König, dessen Turban aus einem herrlichen Smaragd bestand, weiter die Legionäre mit ihren Abzeichen und den Adlern. Mehr als fünfzig solch kleiner Figuren waren auf dem Fuß eines jeden Bechers untergebracht; sie hatten jede die Höhe einer Haselnuß und waren so wundervoll modelliert, daß man nicht nur die Gesichtszüge, sondern auch den Ausdruck des Stolzes in den Gesichtern der Sieger und der kummervollen Ergebung in denjenigen der Besiegten erkennen konnte. Die Verbindung zwischen Fuß und Kelch bildeten goldene Filigran-Arbeiten, welche fein wie Haare, kunstvoll gebogene Weinranken mit Blättern und Trauben und zwischendurch geflochtenen verschiedenen Blumen zeigten. Diese Filigrane umzogen den Krystall bis an seinen Rand, wo ihre Enden sich zu einem Kranz verbanden, welcher den Rand des Humpen bildete und mit Edelsteinen in sieben verschiedenen Farben besetzt war.

Der Kredenzmeister reichte den einen dieser Humpen dem König, den andern dem Marschall; beide waren mit Malvasier gefüllt.

Da erhoben sich alle Anwesenden von ihren Sitzen und der Herr Marschall rief, seinen Humpen hoch emporhebend, mit laut schallender Stimme:

» Vivat Joannes Casimirus Rex!«

» Vivat! Vivat! Vivat!«

In demselben Moment donnerten Gcschützsalven, daß die Mauern des Palastes bebten. Die Adligen aus dem Nebensaal stürmten herein, um anzustoßen; der Marschall wollte sprechen, kam jedoch nicht zu Worte in dem allgemeinen Aufruhr, denn von allen Seiten rief es immerwährend: » Vivat! Vivat! Vivat!«

Es hatte sich des Marschalls eine solche Begeisterung bemächtigt, daß seine Augen fast unheimlich leuchteten. Indem er seinen Humpen bis auf den letzten Tropfen leerte, überschrie er die Menge mit Anstrengung aller Kräfte. Mit den Worten: Ego ultimus!« schlug er den Humpen von so unschätzbarem Werte so heftig an seinen Kopf, daß der Krystall in hunderten von Splittern zersprang, welche klirrend zu Boden fielen, während an der Schläfe des Marschalls herab eine Blutrinne sich ergoß.

Alle Anwesenden waren erschrocken, der König aber sagte:

»Ei, ei, Herr Marschall! Wenn Wir auch schon den Wert des Gefäßes gering achten wollten, so dürfen Wir doch nicht dulden, daß ihr euren Kopf, an welchem Uns so viel gelegen ist, Verletzungen aussetzt!«

»Was könnte mir wohl zu kostbar sein,« rief der Marschall, »da ich doch die Ehre genieße, Ew. Majestät unter meinem Dache zu bewirten. Vivat Joannes Casimirus Rex!«

Der Kredenzmeister reichte ihm einen anderen Becher.

» Vivat! Vivat! Vivat!« tönte es von neuem durch die Säle. Der Klang zerbrochenen Glases mischte sich mit den Rufen. Nur die Bischöfe folgten nicht dem Beispiel des Marschalls; sie hatten die geistliche Würde zu wahren.

Der päpstliche Nuntius aber, welchem die Sitten des Landes fremd waren, neigte sich hinüber zu dem neben ihm sitzenden Bischof von Posen und sagte:

»Um Gotteswillen! Ich bin starr vor Staunen. Eure Schatzkammern sind leer, sagt ihr? Für den Wert eines einzigen solchen Humpens könntet ihr doch schon zwei ganz hübsche Regimenter Soldaten stiften und sie unterhalten.«

»So geht es bei uns immer her,« antwortete der Bischof, mit dem Kopfe nickend. »Wenn die Lust im Herzen schwillt, da kennt sie weder Maß noch Ziel.«

Die Lust war auch hier noch im Zunehmen begriffen. Gegen das Ende des Mahles erhellte plötzlich roter Feuerschein die Fenster des Palastes.

»Was bedeutet das?« frug der König.

»Allergnädigster Herr! Ich bitte zu den Ritterspielen!« sagte der Marschall.

Ein wenig taumelnd führte er den Monarchen zum Fenster. Ein wunderschöner Anblick bot sich ihren Augen. Der Schloßhof war taghell erleuchtet. Mehrere brennende Pechtonnen warfen hellgelbe Lichtreflexe auf das vom Schnee gesäuberte und mit Tannenzweigen überstreute Pflaster desselben. Hier und da leuchteten hohe Spiritusflammen in bläulichem Licht; anderen hatte man Salz beigemischt, damit sie rot leuchten sollten.

Die Ritterspiele begannen. Zuerst hieben die Ritter Türkenköpfe ab, sprangen durch Reifen und fochten miteinander auf scharfe Klingen. Dann hetzten Wolfshunde einen Bären zu Tode; zuletzt warf ein riesenhafter Bergbauer, ein zweiter Samson, einen Mühlstein hoch in die Luft und fing denselben wieder auf. Die Mitternachtstunde setzte endlich diesen Spielen ein Ziel. Also zeigte der Herr Marschall seine Macht, obgleich die Schweden noch im Lande hausten.


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