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9. Kapitel

Den Wojewoden von Wilna hatte sein Schicksal schneller erreicht, als man geglaubt.

Als am fünfundzwanzigsten Dezember Herr Sapieha, der Wojewode von Witebsk, der Einnahme von Tykozin so sicher war, daß er nicht zögerte zu den Konföderierten nach Tyschowietz zu eilen, um durch seine Gegenwart das Zustandekommen der Proklamation zu beschleunigen, stellte er die Belagerungsarbeiten unter das Kommando Oskierkos. Er befahl, den letzten Sturm aus die Feste nicht eher zu unternehmen, als bis er zurück sein würde. Zuletzt versammelte er seine Offiziere um sich und hielt folgende Ansprache an sie:

»Es ist mir zu Ohren gekommen, daß im Regiment die Absicht besteht, sogleich nach der Eroberung des Schlosses den Fürst-Wojewoden von Wilna niederzumetzeln. Da es nun nicht unmöglich wäre, daß während meiner Abwesenheit die Veste sich von selbst ergiebt, so befehle ich euch hiermit unter Androhung der Todesstrafe, gegen den Fürsten nicht einen Finger zu erheben und ihn mir unverletzt auszuliefern. Es sind mir zwar von Personen, von welchen ihr das am wenigsten erwarten würdet, Briefe zugegangen, mit dem Befehl, den Fürsten sofort bei Gefangennahme zu töten, doch ich werde diesen Befehlen nicht Folge leisten, nicht etwa aus Barmherzigkeit mit dem Verräter, sondern weil mir nicht das Recht des Richters über ihn zusteht. Er gehört vor das Tribunal, damit der gegenwärtigen und allen künftigen Generationen bewiesen wird, daß weder hohe Geburt, noch hohe Aemter und Reichtümer einen Verräter vor der gerechten Strafe bewahren.«

In diesem Sinne sprach der Herr Wojewode noch eine Weile weiter, denn unbeschadet seiner vortrefflichen Eigenschaften – er hielt sich für einen bedeutenden Redner und liebte es, bei jeder Gelegenheit in schön gesetzten Worten Ansprachen zu halten, wobei er bei Redewendungen, die ihm besonders schön deuchten, selbstgefällig die Augen schloß.

»Da werde ich meine rechte Hand aber recht bald in kaltes Wasser legen müssen, denn sie juckt mich gewaltig,« setzte Herr Sagloba den Worten des Herrn Wojewoden entgegen. »Ich bin überzeugt, daß Radziwill, wenn er mich in seine Gewalt bekäme, meinen Kopf nicht bis zum Abend auf den Schultern sitzen ließe. Er weiß nur zu gut, wer die Veranlassung war, daß das Heer von ihm abfiel, ja, daß sogar die Schweden mit ihm hadern. Eben deswegen aber kann ich nicht begreifen, warum ich nachsichtiger mit ihm Verfahren soll, als er es mit mir thun würde.«

»Darum, weil ihr nicht zu kommandieren, sondern zu gehorchen habt!« antwortete der Wojewode mit Würde.

»Es ist wahr, gehorchen muß ich, aber zuweilen wäre es ganz gut, das zu hören und zu befolgen, was der Sagloba sagt ... Ich behaupte dreist, daß Radziwill besser gefahren wäre, wenn er meinen Rat befolgt hätte, sich die Verteidigung des Vaterlandes angelegen sein zu lassen, anstatt mit den Schweden zu paktieren. Er säße jetzt sicher nicht in Tykozin, sondern befände sich an der Spitze des ganzen litauischen Heeres.«

»Seid ihr vielleicht der Ansicht, daß der Feldherrnstab sich jetzt in schlechten Händen befindet?«

»Das ziemt mir nicht zu sagen, denn ich selbst legte ihn in diese Hände. Unserem Allergnädigsten Herrn, Johann Kasimir, bleibt nur zu bestätigen, was ich gethan, nichts weiter.«

Der Wojewode lächelte gutmütig, denn er war Herrn Sagloba gewogen und liebte seine Scherze.

»Herr Bruder!« sagte er, »du hast den Radziwill untergekriegt, du hast mich zum Hetman kreiert ... alles das ist dein Verdienst. Erlaube, daß ich jetzt nach Tyschowietz reise, damit der Sapieha wenigstens etwas zur Ehre des Vaterlandes thun kann.«

Sagloba stemmte die Arme unter und dachte anscheinend einen Augenblick nach, ob er die Erlaubnis geben solle, oder nicht. Endlich zwinkerte er listig mit dem Auge, nickte mit dem Kopfe und sagte würdevoll:

»Reisen Ew. Gnaden mit Gott und in Frieden.«

»Habt Dank für die Gewähr!« antwortete der Wojewode lachend. Die Anwesenden stimmten in das Lachen ihres Heerführers ein. Er aber beeilte sich nun, tatsächlich seine Reise anzutreten, denn der Kutschwagen wartete schon angespannt seines Herrn, der sich bei allen verabschiedend, noch verschiedene Instruktionen erteilte für die Zeit seiner Abwesenheit. Als er sich von dem Herrn Wolodyjowski verabschiedete, sagte er:

»Hört! für den Fall der Uebergabe der Veste, mache ich euch für das Leben und Wohlbefinden des Wojewoden verantwortlich; euch vertraue ich seinen Kopf an.«

»Zu Befehl, Herr Hetman! Es soll ihm kein Haar gekrümmt werden,« antwortete der kleine Ritter.

»Herr Michael!« sprach nach der Abreise Sapiehas Sagloba zu ihm, »ich bin doch neugierig, was für hohe Personen das sein mögen, die unseren Sapieha drängen, den Radziwill zu töten.«

»Wie sollte ich das wissen!« entgegnete der kleine Ritter.

»Wollt ihr damit sagen, daß euer Witz nicht imstande ist, etwas zu erraten, was man euch nicht ins Ohr flüstern mag? Es mag ja wohl so sein! Aber wer da vermag dem Herrn Wojewoden von Witebsk solches Verlangen vorzutragen, der muß schon eine sehr vornehme Persönlichkeit sein.«

»Vielleicht der König selbst?«

»Der König? O nein! Des Königs Gutmütigkeit geht so weit, daß er imstande ist, dem Hunde, der ihn gebissen, noch ein Stück Speck hinzuwerfen.«

»Ich will nicht mit euch streiten,« entgegnete der kleine Ritter, »aber man sagt doch, daß er den Radziejowski gewaltig haßt.«

»Vor allem müßt ihr wissen,« sprach Sagloba, »daß ein jeder seine eigene Art zu hassen hat. So z. B. meine Art zu hassen – o, wie ich den Radziejowski hasse! ... Er haßt ihn in der Weise, daß er sich sofort seiner verlassenen Söhne angenommen hat und sie erziehen läßt, damit sie nicht in die Fußstapfen des Vaters treten. Der König hat ein goldenes Herz! Ich vermute aber, daß die Königin dem Radziejowski schon eher den Strick wünscht; sie ist eine edle Frau zwar, aber wen Frauen einmal verfolgen, den finden sie; und wenn er sich in eine Mauerspalte verberge, so klaubten sie ihn mit einer Stecknadel heraus.«

Herr Wolodyjowski seufzte tief und antwortete:

»Daß mich doch auch einmal eine so verfolgen wollte. Aber das ist nicht gut möglich, da sich noch niemals die Aufmerksamkeit irgend einer auf mich gelenkt hat.«

»Nicht wahr, das wäre euch recht! O ja, das möchte euch gefallen, daß die eine euch nachliefe. Darum also steigt ihr so verzweifelt auf die Mauern Tykozins los, weil ihr wißt, daß außer dem Radziwill auch das Fräulein Billewitsch hinter denselben sitzt. O man kennt euch, ihr Tugendspiegel! Wie? Habt ihr sie euch noch immer nicht aus dem Sinn geschlagen?«

»Es war einmal; da habe ich sie zu vergessen gesucht und Kmiziz selbst, wenn er hier gegenwärtig wäre, könnte bezeugen, daß ich meine Neigung zu ihr bezwang und wie ein Kavalier an ihr handelte. Nun aber, da ich weiß, daß sie hier in Tykozin ist, mache ich kein Hehl daraus, daß ich dieses Zusammentreffen mit ihr als einen Fingerzeig Gottes betrachte, und so Gott uns hilft die Beste zu bekommen, will ich aufs neue um sie werben. Auf Kmiziz brauche ich keine Rücksicht mehr zu nehmen; wir sind quitt. Ich hoffe, daß sie ihn mittlerweile vergessen haben wird, da er sie doch freiwillig verließ. Was mir früher mit ihr begegnet ist, wird sich nicht wiederholen.«

Während sich die Herren in dieser Weise unterhielten, waren sie in ihr Quartier gelangt, wo sie die beiden Herren Skrzetuski, den Herrn Rochus Kowalski und den Pächter von Wonsosch antrafen. Da im Heere bekannt war, zu welchem Zweck der Wojewode von Witebsk nach Tyschowietz gereist war, gaben die Ritter ihrer Freude über den Zusammentritt eines so hehren Bundes zum Schutze des Vaterlandes in beredten Worten Ausdruck.

»Gottlob, daß nun ein anderer Luftzug durch die Republik weht, der sich gegen die Schweden richtet,« sagte Herr Stanislaus.

»Er kommt von Tschenstochau her,« entgegnete Herr Johann. »Wir hatten gestern Nachrichten, daß das Kloster sich noch immer hält, obgleich es täglich neue Angriffe abzuwehren hat. Heilige Mutter! Lasse nicht zu, daß deine auserwählte Stätte vom Feinde entweiht wird.«

Herr Rzendzian seufzte und sagte:

»Abgesehen von der Schändung der Kirche, würden doch große Schätze in die Hände der Feinde fallen. Wenn man daran nur denkt, bleibt einem der Bissen im Halse stecken.«

»Ueberall soll das Heer zum Sturme drängen: es soll schwer fallen, die Menschen zu zügeln,« sagte Herr Michael, »Gestern soll die Fahne des Stankiewitsch ohne Kommando ausgerückt sein, denn die Leute meinten, sie müßten zum Entsatz Tschenstochaus eilen.«

»Wozu stehen auch hier unnützerweise so viele Fahnen. Zur Einnahme Tykozins würde eine auch genügen,« meinte Herr Sagloba. »Darin ist Herr Sapieha eigensinnig; er hört nicht auf das, was ich sage, als wollte er zeigen, daß er meinen Rat nicht gebraucht. Aber es muß doch jeder einsehe!?, daß wir einander hier nur im Wege herumstehen, denn alle kommen doch nicht in das Schloß.«

»Ihr habt so unrecht nicht,« erwiderte Herr Stanislaus.

»Aha! Wie? Habe ich den Kopf aus dem rechten Fleck, oder nicht?«

»Ihr habt ihn auf dem rechten Fleck, Ohm, daran kann niemand zweifeln!« rief plötzlich Herr Rochus, indem er von einem zum andern blickte, als wolle er ergründen, ob jemand zu zweifeln wage.

»Aber auch der Herr Wojewode hat recht,« warf Johann Skrzetuski ein. »Wenn er eine so große Anzahl Soldaten hier hält, so geschieht das, weil er befürchtet, Fürst Boguslaw könnte zum Entsatz des Vetters herbeieilen.«

»So schicke man ihm ein paar Fahnen nach Kurzreußen entgegen,« sagte Sagloba. »Man möge Freiwillige dazu aufrufen, ich selbst hätte nicht übel Lust, preußisches Bier zu kosten.«

»Im Winter taugt Bier nicht,« entgegnete Herr Michael, »höchstens Warmbier.«

»So gebt Wein, oder Branntwein, oder Met!« rief Sagloba.

Diesem Wunsche stimmten noch andere bei; so schickte sich denn Rzendzian, der Pächter von Wonsosch, an ihn zu erfüllen. Es währte auch nicht lange, bis etliche dickbäuchige Flaschen auf dem Tische standen. Die Ritter erfreuten sich an dem schönen, wohlschmeckenden Met und brachten stets neue Gesundheiten aus.

»Tod und Verderben den Pluderhosen,« rief Herr Sagloba, »sie sollen nicht länger unser Land arm essen, sie müssen nach Schweden zurück!«

»Auf das Wohl seiner Majestät des Königs und der Königin!« trank Skrzetuski.

»Und aller derjenigen, die treu zu den Majestäten halten!« setzte Wolodyjowski hinzu.

»Also unser eigenes!«

»Das Wohl des Ohm!« brüllte Rochus.

»Gott bezahls! Ich komme dir nach, aber – austrinken bis zum letzten Tropfen ... Noch ist Sagloba nicht zu alt dazu. Meine Herren! Auf daß wir den Dachs hier recht bald ausräuchern, um dann gen Tschenstochau ziehen zu können!«

»Auf! nach Tschenstochau!« rief Rochus, »der heiligen Jungfrau zum Entsatz.«

»Nach Tschenstochau!« riefen auch die anderen.

»Wir wollen die Schätze des blauen Berges vor den Räubern wahren.«

»Das wollen wir, so wahr ich Rochus Kowalski heiße. Ich selbst werde bei erster Gelegenheit mir den Schwedenkönig heraussuchen. Entweder er oder ich, soll es dann heißen. Ihr könnt mich für einen Narren erklären, wenn ich das nicht thue. Aufspießen will ich ihn!«

Bei diesen Worten holte er mit der geballten Faust aus, um sie auf den Tisch zu hauen. Er hätte dabei unfehlbar das schwache Gerät samt den darauf befindlichen Flaschen und Gläsern zertrümmert. Glücklicherweise fiel Sagloba ihm rechtzeitig in den Arm, um es zu verhindern.

»Setze dich, Rochus, und sei stille!« sagte er. »Glaube mir, wir werden nicht dann erst in dir den Narren sehen, wenn du dein Vorhaben nicht ausführst, sondern wir werden erst dann aufhören, dich für einen solchen zu halten. Wie willst du es denn fertig bekommen, den König aufzuspießen, da du doch nie bei den Husaren dientest und nur mit dem Säbel zu hantieren verstehst.«

»Ich will mich aber mit einer Lanze versehen und zu des Knäsen Polubinski Fahne einschreiben lassen,« erwiderte Rochus.

»Jetzt aber halte Ruhe, sonst bin ich der erste, der deinen Schädel bearbeitet ... Von was sprachen wir doch, meine Herren? ... Aha! von Tschenstochau. Die Ungeduld frißt an mir, wir könnten dorthin zu spät kommen, ich brenne vor Ungeduld, sage ich euch. Und alles das wegen dem verräterischen Radziwill und der Philosophie Sapiehas.«

»Sprecht nichts wider den Wojewoden! Der ist ein Edelmann durch und durch!« unterbrach ihn der kleine Ritter.

»Warum deckt er denn beide Rockzipfel über Radziwill, wenn einer dazu ausreicht. Da stehen und liegen nun nahezu zehntausend Mann um diese Budike und werden nächstens am Ruß aus den Schornsteinen ihren Hunger stillen, denn was darin gehangen hat, damit sind sie bald fertig.«

»Es ist nicht unsere Sache, die Beschlüsse der Vorgesetzten zu kritisieren, wir haben zu gehorchen!«

»Das ziemt euch, Herr Michael, nicht mir, den die Hälfte des Radziwillschen Heeres damals zum Regimentarius gewählt hat. Ich hätte den Carolus Gustavus schon längst über die Grenze gebracht, wenn nicht meine unselige Bescheidenheit mich geheißen hätte, den Feldherrnstab in die Hände Sapiehas zu legen. Der soll aber mit seinen Kombinationen nicht lange mehr fackeln, sonst soll er zusehen, daß ich ihm nicht wieder abnehme, was er von mir erhielt.«

»Ihr seid ja immer nur in trunkenem Zustande so resolut!« sagte Herr Wolodyjowski,

»So, meinst du? Nun, du wirst ja sehen! Noch heute werde ich vor die einzelnen Fahnen treten und rufen: »Wer Lust hat, mit mir nach Tschenstochau zu gehen, anstatt am Tykoziner Mauerkalk die Ellenbogen und Kniee durchzureiben, der stehe zu mir! Wer mich zum Regimentar ernannt hat, wer mir die Macht, das Vertrauen geschenkt, etwas zu thun, der trete neben mich. Es ist eine schöne Sache, einen Verräter zu strafen, aber tausendmal schöner, die heilige Jungfrau zu schützen.«

Hier sprang Herr Sagloba, dem der Widerspruchsgeist schon lange aus den Augen blitzte, mit dampfendem Kopfe auf, stieg auf eine Bank und, als befände er sich vor einer großen Versammlung, begann er laut zu schreien:

»Meine Herren! Wer Katholik, wer Pole ist, wer die Mutter Gottes verehrt, der folge mir zum Entsatz von Tschenstochau!«

»Ich komme!« rief Rochus aufspringend.

Sagloba blickte einen Augenblick in die Runde und als er die verwunderten Gesichter seiner schweigend ihn anstarrenden Gefährten sah, stieg er von der Bank herab und sagte:

»Ich will dem Sapieha schon Verstand beibringen! Ein Schelm will ich sein, wenn ich bis morgen nicht, die Hälfte des Heeres als Freiwillige um mich geschart, nach Tschenstochau ausrücke!«

»Um Gotteswillen, Vater, kommt zu euch!« rief Johann Skrzetuski.

»Ein Schelm will ich sein! Sage ich dir!« wiederholte Sagloba.

Die Herren erschraken heftig, daß der Alte wahr machen könnte, was er drohte. Im Heere herrschte thatsächlich Unzufriedenheit über den langen Aufenthalt bei Tykozin, alles drängte nach Tschenstochau; es bedurfte nur des zündenden Funkens, um die Flamme lodernd zum Ausbruch zu bringen, besonders, wenn dieser Funke von einem Manne wie diesem hier hingeworfen wurde. Dazu kam, daß das Heer Sapiehas zum großen Teile aus neugeworbenen Kräften bestand, die noch wenig an Disziplin, wohl aber mehr an eigenwilliges Handeln gewohnt waren.

Es war daher kein Wunder, wenn die Herren in ernste Besorgnis gerieten, Wolodyjowski schalt daher:

»Kaum, daß mit größter Mühe ein Heer zusammengebracht und wenigstens etwas zurechtgestutzt ist, und schon findet sich irgend ein Hergelaufener bereit, dasselbe zum Ungehorsam zu verführen. Dem Radziwill geschähe damit freilich ein großer Dienst, das wäre Wasser auf seine Mühle. Wie, schämt ihr euch denn nicht, so etwas auch nur zu denken?«

»Ein Schelm will ich sein, wenn ich es nicht thue!« entgegnete Sagloba.

»Der Ohm thut es!« setzte Rochus hinzu.

»Stille, du Döskopp!« schrie Herr Michael ihn an.

Sofort schloß Rochus den Mund und nahm mit glotzenden Augen dienstliche Stellung an.

Noch einmal wandte sich Wolodyjowski an Sagloba:

»Und ich bin ein Schelm,« sagte er, »wenn aus meiner Schwadron ein einziger Soldat mit euch geht. Und wenn ihr Unzufriedenheit im Heere schüren wollt, so wisset, daß ich der erste sein werde, welcher euer Freiwilligen-Chor in Grund und Boden reitet.«

»Heide! Türke! der ihr seid!« rief Sagloba. »Die Ritter der heiligen Jungfrau wollt ihr angreifen? Gut! Man kennt euch! Ihr denkt, meine Herren, daß es ihm um die Disziplin zu thun ist? Bewahre! Er hat nur hinter Tykozius Mauern das Fräulein Billewitsch erwittert. Seine Privatangelegenheiten halten ihn ab, meiner richtigen Ansicht beizustimmen. Nicht wahr, es ist viel angenehmer wie ein Vogel das Gebauer zu umflattern, in welchem das Mädchen steckt. Aber daraus wird nichts! Meinen Kopf zum Pfande, daß andere euch dort zuvorkommen, sei es Kmiziz selbst, der nicht schlechter ist, als ihr es seid.«

Ganz verwirrt blickte Herr Wolodyjowski von einem der Herren zum anderen, als wollte er sie zu Zeugen aufrufen, wie schwer man ihn hier beleidigte. Dann runzelte er die Stirn; man glaubte einen Zornesausbruch an ihm zu erleben. Statt dessen verfiel er plötzlich in eine an ihm ganz ungewohnte Rührseligkeit, denn auch er hatte etwas viel getrunken.

»Da habe ich meinen Lohn weg!« rief er. »Vom Schulbuben her bis auf den heutigen Tag habe ich den Säbel nicht aus der Faust gelassen. Ich diene dem Vaterlande treu, denn weder Haus, Hof noch Weib und Kind habe ich je über das Wohl desselben gestellt; allein wie ein Lanzenschaft stehe ich in der Welt. Selbst die Edelsten des Reiches denken an sich; ich habe außer den Wundenmalen auf meiner Haut nichts aufzuweisen als Lohn, und jetzt werde ich beschuldigt, Privatinteressen zu verfolgen – es fehlt nur noch, daß man mich einen Vaterlandsverräter nennt.«

Bei diesen Worten kugelten ihm die hellen Thränen über die Backen in den blonden Bart. Sagloba aber, als er das sah, wurde plötzlich nüchtern und ganz weich. Seine Arme ausbreitend, rief er:

»Herr Michael! Ich habe euch schweres Unrecht gethan! Ich verdiene das Henkersbeil dafür, daß ich euch so schmähen konnte.«

Dann fielen sie einander in die Arme, herzten und küßten sich, worauf sie Frieden mit einander schlossen und diesen Frieden mit Met begossen. Als die gemütliche Stimmung dann vollkommen wieder hergestellt war, frug Wolodyjowski:

»Werdet ihr nun nicht mehr Unruhe im Heere stiften?«

»Nein, das werde ich nicht, um euretwillen nicht, Herr Michael.«

»Und wenn wir, so Gott will, Tykozin in unsere Hände bekommen, so geht das niemanden etwas an, was ich hinter jenen Mauern suche. Es hat niemand das Recht, mich zu verspotten, nicht wahr?«

Herr Sagloba kaute, von dieser Frage überrascht, an seinem Schnurrbart. Endlich sagte er:

»Nein, Herr Michael! Ich liebe euch, wie meinen Augapfel, aber diese Billewitsch schlagt euch aus dem Sinn.«

»Warum denn?« frug Wolodyjowski verwundert.

»Schön ist sie, das ist zweifellos!« sagte Sagloba. »Aber sie ist eine zu vornehme Person, ihr seid zu verschieden geartet. Sie ist hochgewachsen, ihr seid klein. Ihr müßtet ihr denn auf den Arm hüpfen wie ein Kanarienvogel, um Küsse statt Zucker von ihren Lippen zu nippen. Auch könnte sie euch wie einen Edelfalken auf ihrem Handschuh tragen und euch immer gleich gegen jeglichen ihrer Feinde loslassen, denn seid ihr gleich klein, so seid ihr doch eine verdammt bissige Krabbe.«

»Fangt ihr schon wieder an zu spotten?« unterbrach ihn Wolodyjowski.

»Wenn ich angefangen habe, so laßt mich auch zu Ende kommen: Für euch giebt es nur Eine, die zu euch paßt, als wäre sie für euch geschaffen; das ist dieser Kirschkern ... wie heißt sie doch? ... Ihr wißt doch, die, mit welcher der selige Podbipienta sich verheiraten wollte.«

»Anusia Borschobohata Krasienska!« rief Johann Skrzetuski. »Wahrhaftig, das ist ja eine alte Liebe Michaels!«

»Die ist der reine Stechapfel, ein Weizenkern; sie sticht bei jedem Wort, doch das Herz ist Weizen und ihr Gesicht ist glatt und bräunlich, wie ein frischgebackenes Brot, kernig und gesund.«

Da fing Herr Michael an zu seufzen und nachdenklich immer dieselben Worte zu wiederholen, wie er es zu thun pflegte jedesmal, wenn jemand den Namen Anusias nannte.

»Was mag mein armseliges Würmchen jetzt thun? O, o, wenn sie zu finden wäre!«

»Dann würdet ihr sie sicher nicht wieder aus den Fingern lassen und das wäre das Richtige, denn bei eurer Verliebtheit, Herr Michael, könnte es eines schönen Tages passieren, daß die erste beste Ziege euch einfängt und zum Ziegenbock macht. Ich habe wahrhaftig noch keinen gesehen, der so heißspornig wäre wie ihr. Ihr hättet eigentlich als Hähnchen auf die Welt kommen sollen, das kratzend und scharrend auf dem Gemüllhaufen seinen Lockruf Ko! Ko! Ko! ertönen läßt.«

»Anusia! Anusia!« wiederholte Wolodyjowski noch immer träumerisch. »Dich hat Gott mir gesandt. Wer weiß, ob sie noch lebt, vielleicht auch hat sie sich schon verheiratet und führt Kinder spazieren.«

»Was wird sie nicht alles! Sie war noch eine grüne Rübe als ich sie kennen lernte, und wenn sie auch mit der Zeit reifer geworden ist, deshalb braucht sie nicht schon eine Frau zu sein. Einem solchen wie Longinus Podbipienta giebt man nicht gleich den ersten besten Nachfolger, dazu denkt in diesen kriegerischen Zeiten niemand ans Heiraten.«

Darauf erwiderte Herr Michael:

»Ihr kennt sie nicht so gut als ich. Sie ist edel wie keine. Aber gerade darum konnte keiner sie sehen, ohne sich bis über die Ohren in sie zu verlieben. Sogar Leute niederen Standes entgingen diesem Schicksal nicht, wie zum Beispiel jener italienische Medikus der Fürstin Griseldis, der bis in den Tod in sie verliebt war. Wer weiß, vielleicht hat sie den geheiratet und ist mit ihm nach Italien ausgewandert ...«

»Plappert doch nicht solchen Unsinn!« rief Sagloba entrüstet. »Ein Medikus, ein Medikus! Als ob ein Edelfräulein von so altem Blute sich an einen Menschen von so niedrigem Herkommen wegwerfen könnte. Das ist unmöglich; ich wiederhole es.«

»Auch ich war schon ärgerlich darüber, daß sie allen die Köpfe verdrehte, sogar diesem Kurpfuscher; es machte ihr sichtlich Spaß, und sie vergaß darüber Maß und Ziel.«

»Ich prophezeihe euch, daß ihr sie noch zu sehen bekommt,« sagte Sagloba.

Die weitere Unterhaltung wurde durch den Eintritt des Herrn Tokaschewitsch unterbrochen, der früher im Regiment Radziwills gedient, nach dem Verrat des Hetman ihn aber zugleich mit den anderen Offizieren verlassen hatte und gegenwärtig Fahnenträger in der Kompagnie Oskierkos war.

»Herr Hauptmann,« wandte er sich an Wolodyjowski, »wir wollen die Petarde in die Luft sprengen.«

»So ist also Herr Oskierko schon fertig mit den Vorbereitungen?«

»Schon seit heute Mittag ist er fertig; er möchte nicht länger warten, denn die Nacht verspricht dunkel zu werden.«

»Das ist recht,« sagte Wolodyjowski. »Wir wollen gehen, uns die Arbeiten ansehen, auch unsere Leute bewaffnen, für den Fall, daß man aus der Veste ausbricht. Will Herr Oskierko selbst die Sprengung unternehmen?«

»Er selbst, in eigener Person ... Es schließen sich ihm eine Menge Freiwilliger an.«

»Ich werde auch mitgehen!« sagte Wolodyjowski.

»Wir auch!« riefen die beiden Skrzetuskis.

»O! wie schade, daß der alte Vater im Finstern so schlecht sieht,« warf Sagloba dazwischen, »er ließe euch sicher nicht allein gehen. Was hilfts! Ich sehe abends nicht den Säbel vor den Augen. Am Tage! am Tage! beim Lichte der Sonne, da zieht auch der Alte noch gern zu Felde.«

»Ich werde mitreiten,« sagte nachdenklich der Herr Pächter aus Wonsosch. »Wenn die Thore gesprengt werden, wird die Soldateska zur Plünderung schreiten und dort im Schlosse vermute ich Kleinodien und kostbare Geräte in Menge.«

Alle waren hinausgegangen, denn es dämmerte bereits draußen, nur Sagloba allein war zurückgeblieben. Er horchte erst eine Weile auf das Knirschen des Schnees unter den Füßen der Davonschreitenden, dann nahm er eine der dickbäuchigen Flaschen nach der andern in die Hand und hielt sie vor die Flamme des Kaminfeuers, um zu sehen, ob sie vollständig leer seien.

Jene schritten durch das Dunkel dem Schlosse zu. Ein Nordwind hatte sich erhoben, der immer stärker wurde und heulend und pfeifend ganze Wolken trockenen Schnees emporwirbelte.

»Das wird eine gute Nacht für unsere Arbeit,« sagte Wolodyjowski.

»Aber auch für einen Ausfall aus der Veste,« entgegnete Skrzetuski. »Wir müssen die Waffen in Bereitschaft, und ein wachsames Auge halten.«

»Gäbe Gott, daß es bei Tschenstochau ebenso stöbert, wie hier, oder mehr noch,« sagte Herr Tokaschewitsch. »Die in den Mauern werden nicht allzusehr frieren ... aber ... auf den Schanzen würden eine Menge Schweden erfrieren ... Das Verderben komme über sie!«

»Eine schreckliche Nacht!« sagte Herr Stanislaus. »Hört ihr, wie es heult und pfeift; es ist als ob eine Horde Tartaren durch die Luft zur Attacke zöge.«

»Oder,« warf Wolodyjowski ein, »als wollten die Teufel dem Radziwill ein Requiem singen.«


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