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13. Kapitel

Nachdem die beiden Ritter das Schloß verlassen hatten, gingen sie schweigend nebeneinander her. Wolodyjowski wollte nicht sprechen, Kmiziz konnte es nicht, denn Schmerz und Wut schnürten ihm die Kehle zu. Sie drängten sich so gut sie konnten durch das Gewühl in den Straßen, wo sich auf die Nachricht hin, daß der erste Tartarenzuzug vor den Mauern der Stadt angelangt sei und bald einziehen werde, eine noch größere Anzahl Menschen eingefunden hatte, als das sonst schon der Fall war. Der kleine Ritter war der Führer, Kmiziz ging ihm nach, ohne sich klar darüber zu sein, was er that und wo er sich befand, Er hatte die Mütze tief in die Stirn gedrückt und rannte bald hier, bald dort mit den Menschen zusammen.

Erst als sie ein wenig mehr Raum gewannen, faßte Herr Michael Kmiziz am Ellenbogen und sprach:

»Faßt euch doch! ... Mit der Verzweiflung schafft man nichts! ...«

»Ich verzweifle ja nicht,« antwortete Kmiziz, »nur lechze ich nach seinem Blute.«

»Ihr könnt sicher sein, daß ihr ihn unter den Feinden des Vaterlandes irgendwo findet.«

»Um so besser, wenn ich ihn auf dem Schlachtfelde finde!« sagte Kmiziz mit fieberhafter Hast, »aber selbst wenn ich ihn vor dem Altar fände –«

»Um Gotteswillen, lästert nicht,« unterbrach ihn schnell der kleine Ritter.

»Dieser Verräter macht mich zu einem Sünder!«

Sie schwiegen wieder eine Weile, dann begann Kmiziz, indem er frug:

»Wo mag er jetzt sein?«

»Vielleicht in Tauroggen, vielleicht auch nicht. Charlamp wird es besser wissen.«

»Eilen wir!«

»Wir haben nicht mehr weit. Unsere Fahne liegt außerhalb der Stadt, wir wohnen hier und Charlamp ist bei uns.«

Kmiziz keuchte, als ob er im Begriff stehe, einen hohen Berg zu ersteigen.

»Ich bin doch noch sehr schwach,« stammelte er.

»Um so notwendiger ist es, das; ihr euch beruhigt und zu Kräften zu kommen sucht, denn ihr bekommt es mit einem starken Gegner zu thun.«

»Ich hatte schon mit ihm zu thun, da seht, das ist mir davon geblieben.«

Er zeigte auf eine Schmarre im Gesicht.

»Wie kam das eigentlich? Erzählt mir doch. Der König berührte nur flüchtig die Sache.«

Kmiziz erzählte, und obgleich er zähneknirschend vor Wut seinen Bericht zuweilen unterbrach, so erreichte Wolodyjowski doch, was er wollte, der Ritter sprach sich aus und darüber vergaß er etwas sein Unglück und wurde ruhiger.

»Daß ihr ein Heißsporn seid, wußte ich ja immer,« sagte der kleine Ritter, »auch, daß ihr stets schnell entschlossen seid. Doch den Radziwill mitten aus seinem Heerlager heraus zu entführen und gefangen zu nehmen, das hätte ich euch doch nicht zugetraut.«

Inzwischen waren sie im Quartier angelangt. Die Skrzetuskis, Sagloba, der Pächter von Wonsotsch und Charlamp waren eben dabei, Krimmerpelze auszuwählen, deren ein tartarischer Händler eine Anzahl zur Auswahl gebracht hatte. Charlamp, welcher den Ritter am besten kannte, ließ bei seinem Anblick den Pelzrock, welchen er gerade in der Hand hielt, fallen und schrie laut auf:

»Jesus, Maria!«

»Der Name Gottes sei gepriesen!« rief der Pächter von Wonsotsch.

Aber noch ehe sich die Anwesenden von ihrem Erstaunen erholt hatten, sagte Wolodyjowski:

»Hier bringe ich euch den Hektor von Tschenstochau, den treuen Diener des Königs, der für seinen Glauben und seinen Herrn das Leben eingesetzt hat.«

Da das Staunen der anderen bei der Vorstellung Wolodyjowskis noch wuchs, begann dieser bald in beredten Worten zu erzählen, was er vom Könige von den Verdiensten des Ritters und von Herrn Andreas selbst über die Entführung Boguslaws vernommen hatte. Er schloß dann also:

»Es ist also nicht nur nicht wahr, was der Fürst Boguslaw über diesen Kavalier gesagt hat, nein, im Gegenteil, er hat keinen grimmigeren Feind als ihn, Kmiziz, und darum hat er das Fräulein Billewitsch nach Tauroggen geführt, um gewissermaßen Rache an ihm zu nehmen«

Jetzt konnte Sagloba, der Redelustige, nicht länger an sich halten.

»Er hat ja auch uns vor dem Fürst-Wojewoden gewarnt,« rief er aus. »Angesichts solcher Verdienste schwinden frühere Sünden dahin! Wahrhaftig! es ist gut, Michael, daß er mit dir und nicht allein hierhergekommen ist; es ist auch gut, daß unsere Fahne außerhalb der Stadt liegt, denn ihr wißt ja, wie sehr die Laudaer ihn hassen. Ehe er noch vermöchte, einen einzigen Laut hervorzubringen, wäre er zu Brei gehauen.«

»Seid uns von ganzem Herzen willkommen, als Freund und Waffenbruder,« sagte Johann Skrzetuski.

Charlamp konnte aus seinem Staunen nicht herauskommen.

»So einer kommt nicht um!« sagte er. »Von allen Seiten strömen ihm Ehren zu und tragen ihn an ein sicheres Ufer.«

»Sagte ich es euch nicht gleich, als ich ihn in Kiejdan sah,« versetzte Sagloba. »Ich dachte mir gleich: das ist ein resoluter Soldat! Und wißt ihr noch, wie wir uns gleich befreundeten? Es ist wahr, daß Radziwill durch mich zu Grunde ging, aber auch durch ihn. Gott gab mir wohl ein, daß ich ihn in Billewitsche damals nicht erschießen ließ ... Meine Herren, es ziemt sich nicht, daß wir diesen Kavalier so trocken aufnehmen, er konnte uns sonst verdächtigen, daß wir nicht aufrichtig sind.«

Als Rzendzian das hörte, beförderte er den Tartaren samt seinen Pelzröcken hinaus und machte sich mit dem Knappen sogleich daran, etwas Trinkbares herbeizuschaffen.

Herr Kmiziz aber hatte keinen anderen Gedanken als den, von Charlamp recht viel über Olenka zu hören.

»Waret ihr dabei, als man sie von Kiejdan fortbrachte?« frug er.

»Ich bin ja von Kiejdan gar nicht fortgekommen,« antwortete der Nasenkönig. »Der Fürst Boguslaw kam zu unserem Fürst-Wojewoden. Er schmückte sich zur Abendtafel, daß man ganz geblendet wurde, und man merkte es ihm an, daß das Fräulein Billewitsch ihm sehr wohlgefiel. Er buckelte um sie herum, wie ein Kater, dem man das Fell streicht. Es heißt, auch die Tiere loben den Herrn, der Fürst Boguslaw aber, der kann doch wohl nur dem Teufel zu Maule reden; er schmeichelte, kratzfußte ...«

»Haltet ein!« sagte Herr Wolodyjowski. »Ihr Peinigt den Ritter.«

»Im Gegenteil! Sprecht! sprecht!« rief Kmiziz.

»Man sprach bei Tische auch davon, daß es für einen Radziwill durchaus keine Unehre sei, ein adliges Fräulein zu heiraten, daß er selbst viel eher geneigt wäre, ein solches zu ehelichen, als eine jener Prinzessinnen, mit denen man ihn in Frankreich verkuppeln wolle. Er hat sie aufgezählt, aber ich habe mir die Namen nicht behalten, sie klangen alle ähnlich wie die Namen unserer Jagdhunde.«

»Das ist ja Nebensache!« unterbrach ihn Sagloba.

»Er sagte das alles nur, um das Fräulein zu gewinnen; das haben wir sehr bald gemerkt. Wir sahen uns einer den anderen an, zwinkerten uns mit den Augen zu und erwarteten bestimmt, daß er ihr in unserer Gegenwart einen Heiratsantrag machen werde.«

»Und sie?« frug Kmiziz lebhaft.

»Sie? Wie eine vornehme Dame mit seinen Manieren benahm sie sich. Sie sah ihn gar nicht an und war anscheinend gar nicht zufrieden mit seinem Benehmen. Erst, als der Fürst von euch zu sprechen anfing, heftete sie den Blick fest auf sein Antlitz. Es war schrecklich anzusehen, wie sie litt, als er ihr erzählte, daß ihr ihm angeboten habt, für so und so viel Dukaten den König lebend oder tot den Schweden auszuliefern. Wir alle glaubten, sie würde ohnmächtig werden, aber ihr Zorn und ihre Verachtung für euch muß sehr groß sein, denn sie überwand die Schwächeanwandlung, und als er großprahlerisch erzählte, wie er eure Anerbietungen abgewiesen, da lobte sie ihn, sah ihn dankbar an und entzog ihm auch nicht mehr die Hand, als er sie aus dem Saale führen wollte.«

Kmiziz bedeckte die Augen mit der Hand.

»Wer an Gott glaubt, der schlage drein!« sagte er wiederholt.

Plötzlich sprang er auf.

»Lebt wohl!« rief er.

»Wohin wollt ihr?« frug Sagloba, ihm den Weg vertretend.

»Der König wird mir Urlaub bewilligen; ich will mich aufmachen, ihn zu suchen und werde ihn finden,« antwortete Kmiziz.

»Bei den Wunden Jesu! Wartet noch! Ihr habt noch lange nicht alles erfahren und noch viel Zeit, ihn zu suchen. Wo wollt ihr ihn finden, wen wollt ihr mitnehmen?«

Kmiziz sah und hörte aber nichts von dem, was der alte Herr sagte, denn die Kräfte verließen ihn, plötzlich, er fiel auf die Bank nieder, lehnte den Rücken an die Wand und schloß die Augen.

Sagloba reichte ihm einen Humpen Wein, den er gierig mit beiden Händen ergriff. Aber die Hände zitterten; ein Teil des edlen Getränks schüttete er über Wams und Bart, den Rest trank er bis auf den letzten Tropfen aus.

»Es ist ja noch nichts verloren,« sagte Johann Skrzetuski, »nur Vorsicht, größte Vorsicht habt ihr nötig. Ihr könnt durch unüberlegtes Handeln nur die Sicherheit des Fräuleins gefährden und euch selbst ins Verderben stürzen.«

»Laßt euch doch erst zu Ende erzählen,« warf Sagloba ein.

Kmiziz biß die Zähne aufeinander.

»Ich will geduldig hören!«

»Ob das Fräulein ihm willig gefolgt ist, vermag ich nicht zu sagen, da ich bei der Abreise nicht zugegen war. Ich weiß nur, daß der Herr Schwertträger von Reußen gegen die Abreise protestiert hat, daß man erst versucht hat, ihn von der Notwendigkeit derselben zu überzeugen und ihn zuletzt, als er sich nicht überzeugen ließ, im Zeughaus einsperrte und ihn nach der Abreise ungehindert nach Billewitsche abfahren ließ. Das Fräulein befindet sich in schlechten Händen, das ist nicht zu leugnen. Nach dem, was man sich von dem Fürsten erzählt, ist er schlimmer wie ein Bissurmane auf die Weiber versessen, ganz gleich, ob sie verheiratet oder unverheiratet sind.«

»Wehe! Wehe!« stöhnte Kmiziz.

»Der Schuft!« rief Sagloba.

»Mich wundert nur, daß der Fürst-Wojewode sie seinem Vetter auslieferte,« sagte Skrzetuski.

»Ich kann darüber nichts sagen, als was die Offiziere sich damals erzählten, besonders Ganhof, der alle Pläne des Fürsten kannte. Ich hörte mit eigenen Ohren wie einer derselben einmal laut ausrief: ›Kmiziz wird niemals der Nachfolger unseres jungen Fürsten werden wollen!‹ und Ganhof erwiderte darauf: ›Die Entführung ist mehr eine Handlung von politischer Bedeutung als eine Liebesaffäre. Boguslaw läßt keine in Frieden; wenn aber das Fräulein fest bleibt und ihm Widerstand leistet, dann ist sie in Tauroggen sicherer als irgendwo. Eine Vergewaltigung würde dort großen Skandal hervorrufen, denn die Fürstin-Wojewodin wohnt dort mit ihrer Tochter, und Boguslaw ist gezwungen, große Rücksicht aus sie zu nehmen, da er doch auf die Hand der Prinzessin spekuliert ... Es wird ihm sehr schwer fallen, aber in Tauroggen muß er den Tugendhaften spielen‹«

»Fällt euch nicht ein Stein vom Herzen?« wandte sich Sagloba an Kmiziz. »Ihr seht doch, daß dein Mädchen keine Gefahr droht.«

»Wozu hat er sie dann aber mitgeschleppt?« polterte Kmiziz.

»Ihr thut wohl, euch mit dieser Frage an mich zu wenden,« antwortete der Alte. »Ich begreife manches schneller als andere Menschen, die sich oft ein Jahr lang über einem Dinge den Kopf zerbrechen. Warum er sie mitgenommen hat? Unstreitig gefällt sie ihm sehr gut; doch hat er jedenfalls noch einen anderen Plan dabei verfolgt. Er glaubt dadurch alle Billewitsche, die insgesamt sehr reich und auch sehr zahlreich sind, von feindseligen Schritten gegen die Radziwills zurückzuhalten.«

»Das ist möglich,« warf Charlamp ein. »Sicher ist, daß Boguslaw in Tauroggen seine Gelüste zügeln und jede Ausschreitung vermeiden muß.«

»Wo befindet er sich gegenwärtig.«

»Der Fürst-Wojewode war der Ansicht, daß sein Vetter beim Könige von Schweden in Elbing sein müsse, wohin er ihn nach Hilfstruppen gesandt.«

»In Tauroggen ist er nicht, sonst hätten ihn die Sendboten dort gefunden.«

Hier wandte sich Charlamp an Kmiziz:

»Wenn ihr den Rat eines einfachen Soldaten nicht verschmäht, so will ich euch sagen, was ich denke: Sollte dem Fräulein, mit oder ohne ihren Willen, in Tauroggen ein Unfall zugestoßen sein, dann ist eure Reise dorthin doch zwecklos. Ist das nicht geschehen, ist sie bei der Fürstin und reist sie mit dieser nach Kurland, dann könntet ihr in der ganzen kriegsbezogenen Republik keinen sicherern Aufenthaltsort für sie finden.«

»Wenn ihr wirklich der Held seid, für den man euch hält, und für den auch ich euch halte,« warf Skrzetuski dazwischen, »so ist es besser, ihr haltet euch zuvor an Boguslaw. Habt ihr den, dann habt ihr alles.«

»Wo ist er denn eigentlich jetzt?« wandte sich Kmiziz wiederholt an Charlamp.

»Ich sagte es euch bereits,« entgegnete der Nasenkönig. »Ihr seht und hört ja aber nichts vor lauter Kummer. Wahrscheinlich ist er in Elbing und wird mit Karl Gustav demnächst gegen Tscharniezki zu Felde ziehen.«

»Es wird das Beste sein, ihr schließt euch uns an, wenn wir bald unsere Truppen dem Herrn Tscharniezki zuführen. Auf diese Weise trefft ihr am ehesten mit Boguslaw zusammen,« schlug Herr Wolodyjowski vor.

»Ich danke euch herzlich für eure wohlgemeinten Ratschläge, meine Herren!« rief Kmiziz.

Er nahm lebhaft Abschied von allen, und sie versuchten nicht mehr, ihn zurückzuhalten, weil sie begriffen, daß ein bekümmertes Gemüt unfähig ist, in Gesellschaft heiter zu sein. Herr Wolodyjowski sagte nur:

»Ich bringe euch ins Erzbischöfliche Palais, denn ihr seid so hinfällig, daß euch auf der Straße ein Unfall zustoßen kann.«

»Ich begleite euch,« versetzte Johann Skrzetuski.

»Gehen wir doch alle mit,« fügte Herr Sagloba hinzu.

Sie gürteten ihre Säbel um, warfen ein jeder seine Burka über und gingen hinaus. Das Gedränge in den Straßen war fürchterlich. Alle paar Schritte stießen die Herren auf berittene Abteilungen Adliger, Soldaten, Diener, auf ganze Züge Armenier, Juden, Italiener, Russen u. s. w. Die Kaufleute standen vor ihren Gewölben, alle Fenster der Häuser waren mit Köpfen Neugieriger besetzt. Alle diese Menschen wollten die Tartaren sehen, welche jeden Augenblick in der Stadt erwartet wurden, um sich dem Könige zu präsentieren. Es war nämlich etwas sehr Seltenes, diese Menschenrasse einmal in Ruhe ansehen zu können; Lemberg hatte sie ganz anders kennen gelernt. Wolkenschatten gleich waren die wilden Gäste durch die Straßen geflogen, als lichten Hintergrund die brennenden Häuser der Vorstädte hinter sich lassend. Heute sollten sie als Verbündete gegen die schwedischen Eindringlinge einziehen. Da war es kein Wunder, wenn unsere Ritter durch das Gedränge kaum einen Weg finden konnten.

»Sie kommen! Sie kommen!« Dieser Ruf ertönte alle Augenblicke. Dann wurde das Gedränge noch größer.

»Ha!« sagte Sagloba, »bleiben wir ein wenig stehen. – Herr Michael! Vergangene Zeiten rücken uns näher. Wißt ihr? Damals haben wir sie nicht von der Seite gesehen, sondern diesen Halsabschneidern Auge in Auge gegenüber gestanden. Ich war sogar einmal ihr Gefangener. Man erzählt sich, daß der zukünftige Chan mir ähnlich sei, wie ein Ei dem andern ... Doch wozu alte Unthaten auswärmen!«

»Sie kommen! Sie kommen!« hörte man wieder rufen.

»Gott hat die Herzen dieser Bluthunde uns zugewendet,« fuhr Sagloba fort. »Anstatt die Fluren der Ukraine zu verwüsten, wollen sie uns Sukkurs bringen. Ein wahres Wunder! Denn ihr müßt wissen! – Wenn mir für jeden dieser Heiden, den diese alte Hand in die Hölle geschickt, nur eine Sünde erlassen wird, müßte ich kanonisiert werden; ihr müßtet zu mir fasten, oder ich würde wie Elias im feurigen Wagen bei lebendigem Leibe in den Himmel befördert.«

»Wißt ihr noch, denkt ihr es noch, wie wir zu jener Zeit von Raschkow her an der Waladynka lang nach Sbarasch zogen? ...«

»Wie sollten wir nicht! Ihr fielt in einen Hinterhalt, als ich durch dick und dünn die Hunde hetzte, bis ich die Landstraße erreichte. Wie wir euch dann suchten, waren wir nicht wenig erstaunt, euch wohlauf zu finden, um euch herum aber lagen bei jedem Strauche eine solche Bestie.«

Herr Wolodyjowski kannte die Begebenheit von der umgekehrten Seite. Das Erstaunen über diesen Bericht Saglobas ließ ihn zuerst verstummen und als er sich endlich so weit erholt hatte, um sprechen zu können, da ließen ihn die Ruse nicht zu Worte kommen:

»Sie kommen! Sie kommen!«

Immer zahlreicher wurden die Rufe laut, dann trat plötzliche Stille ein, die Köpfe aller wandten sich nach der Seite, von welcher eine lärmende Musik das Herannahen der Erwarteten verkündete. Bald auch wurden die ersten Reiter sichtbar.

»Ei, seht doch!« plauderte Sagloba weiter. »Sie haben sogar eine Kapelle, das ist bei den Tartaren etwas ganz Ungewöhnliches.«

»Sie wollen sich auf das Beste präsentieren,« entgegnete Johann Skrzetuski. »Einige Tschambuis führen Musikanten mit sich, welche spielen, wenn sie längere Zeit an einem Orte verweilen. Es muß aber eine auserlesene Gesellschaft sein – das will ich meinen.«

Unterdessen waren die Reiter herangekommen. Voraus ritt auf einem mächtigen Schecken ein Tartar, so schwarz, als käme er direkt aus dem Rauchfang; er hielt zwei Pickelpfeifen im Munde, welchen er schrille, kreischende Töne entlockte, wobei er so schnell pfiff und auf den Pfeifen herumfingerte, daß weder Auge noch Ohr zu folgen vermochten. Hinter ihm ritten zwei Musikanten, die in beiden Händen Stöcke hielten, deren Spitzen kupferne Schellen trugen, mit welchen sie durch fortwährendes rasendes Schütteln ein gräßliches Geräusch verursachten. Dazu tönten Beckenschläge, Trommelwirbel, während alles dieses von einem fürchterlichen Gesange begleitet wurde, der eher einem wilden Geheule glich. Die weißen Zähne blitzten in den schwarzen Gesichtern und die Augen der Spielleute rollten, daß viele der Frauen in den Straßen entsetzt aufschrieen. Hinter dieser schrecklichen Kapelle trottete zu Vieren in einer Reihe, eine ganze Abteilung von etwa vierhundert Mann.

Es schien in der That ein Paradezug, den der Chan dem Könige als Angeld auf spätere Leistungen gesandt hatte. Derselbe stand unter dem Kommando Akbah-Ulans aus der Dobrudscha, der wegen seiner Tapferkeit und Kriegskunst, als mächtigster Tartarenfeldherr, von allen morgenländischen Völkern hochgeschätzt war. Er ritt jetzt zwischen den Musikanten und der übrigen Abteilung. Seine Uniform bestand in einem rosenfarbenen, aber sehr verschossenen und für seine kolossale Körperfülle viel zu engem Schnürenrock, dessen Aufschläge von Marderpelz schon viele kahle Stellen aufwiesen. Auf dem Bauche befestigt trug er ein Szepter, wie es gewöhnlich die Kosakenhäuptlinge tragen. Sein dickes rotes Gesicht war von der Kälte blau angelaufen; er wiegte in dem etwas hohen Sattel hin und her. Von Zeit zu Zeit schielte er nach beiden Seiten hin, oder blickte rückwärts auf seine Tartaren, als traue er ihnen nicht, daß sie beim Anblick der wogenden Menge, der Weiber und Kinder und der offenen Geschäfte mit den ausgelegten Kostbarkeiten, imstande sein würden, ihre wilden Begierden zu zügeln. Doch sie verhielten sich ruhig, wie Hunde, welche die Geißel über sich spüren, und nur die düsteren, lüsternen Blicke verrieten, was in dem Innern dieser Barbaren vorging. Aus dem Gewühl in den Straßen flogen neugierige, fast feindselige Blicke hinüber zu ihnen, denn der Haß und das Mißtrauen der Bewohner dieses Teiles der Republik gegen die Heiden waren groß. Trotzdem hörte man von Zeit zu Zeit den Willkommenruf »Ahu! Ahu!« aus dem Volke, da es auch solche gab, die sich viel von der Hilfe dieser Horden versprachen. Man konnte Bemerkungen hören, die unter den Schauenden ausgetauscht wurden, welche darauf hinwiesen.

»Die Schweden haben eine fürchterliche Angst vor den Tartaren,« sagten die einen. »Die Soldaten sollen sich Wunderdinge von ihrer Grausamkeit erzählen, was dazu beiträgt, die Angst der Schweden nur noch zu erhöhen.«

»Und mit Recht!« entgegneten andere. »Wenn schon unsere leichte Reiterei oft kaum imstande ist, den Tartaren Widerstand zu leisten, wie viel weniger die schwere schwedische. Ehe so ein Schwede sich's versieht, hat ihn der Tartar schon am Lasso.«

»Es ist sündhaft, diese Barbaren zu Hilfe zu rufen,« ließen sich einzelne Stimmen vernehmen.

»Wie man es nimmt,« meinten andere.

»Es ist ein ganz anständiger Tschambul,« sagte Herr Sagloba.

Und wirklich! Die Leute waren gut gekleidet. Sie trugen weiße, schwarze und bunte Pelze mit der Wolle nach außen. Schwarze Bogen und Köcher mit Pfeilen gefüllt schaukelten auf ihren Rücken, ein jeder von ihnen trug einen Säbel an der Seite, was selbst in den größten Tschambuls nicht immer der Fall war, da die Aermeren sich einen solchen Luxus nicht erlauben konnten und im Handgemenge an Stelle des Säbels einen an einem Stocke befestigten Pferdekiefer benutzten. Aber dieser hier war ja ein Parade-Tschambul, darum hatten einzelne sogar Selbstzünder bei sich und alle saßen auf guten Pferden, die, wenn auch klein, mager und langmähnig mit gesenkten Köpfen daherschritten, doch unvergleichlich schnell liefen. In der Mitte der Abteilung schritten auch vier Kamele. Das Volk mutmaßte, daß in dem Gepäck derselben sich Geschenke des Chans für den König befänden. Aber man irrte; der Chan nahm lieber Geschenke, als daß er welche austeilte. Er hatte zwar Hilfstruppen versprochen, doch war er nicht gesonnen, dieselben umsonst herzugeben.

In diesem Sinne äußerte sich auch Sagloba, als er sagte:

»Diese Hilfe wird uns teuer zu stehen kommen. Sind die Tartaren auch Bundesgenossen, so werden sie doch das Land arg verwüsten. Wenn wir die Schweden und sie los sein werden, wird in der ganzen Republik kaum ein ganzes Dach übrig geblieben sein.«

»Das ist sicher! Sie sind eine fürchterliche Bundesgenossenschaft,« seufzte Johann Skrzetuski, »das kennen wir schon!«

»Ich habe unterwegs gehört,« versetzte Herr Michael, »daß der König mit dem Chan einen Vertrag geschlossen hat, nach welchem je fünfhundert Mann seiner Horden einer unserer Offiziere beigegeben werden soll, welcher das Kommando übernimmt und das Strafrecht erhält. Sonst würden unsere sogenannten Freunde zwischen Himmel und Erde nichts übrig lassen.«

»Und dieser Tschambul hier? ... Was soll mit ihm geschehen?«

»Derselbe ist dem Könige zur Disposition gestellt, sozusagen ein Geschenk des Chans an den König, und wenn auch dieser ihm nicht ganz umsonst überlassen bleibt, so darf der Monarch doch nach Belieben mit ihm schalten und walten. Ich glaube, er wird mit uns zu Herrn Tscharniezki gesandt werden.«

»Nun, der wird die Banditen schon im Zaume zu halten verstehen ...«

»Um das zu können, müßte er stets mit ihnen sein, denn hinter seinem Rücken würden sie dennoch stehlen. Das glaube ich nicht! Man wird den Tschambul auch dort gleich einem Offizier unterstellen.«

»Und ihr meint, daß der das Kommando bekommt? Was soll denn dann jener fette Aga thun?«

»Wenn der Offizier nicht auf den Kopf gefallen ist, so wird dieser Aga ihm gehorchen.«

»Lebt wohl, meine Herren, lebt wohl! lebt mir wohl!« rief Kmiziz plötzlich.

»Wohin so eilig?«

»Zum Monarchen, ihn um die Gnade zu bitten, daß er diesem Tschambul mich an die Spitze stellt, daß er mir das Kommando anvertraut.«


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