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7. Kapitel

Nach den Vorgängen in Rudnik zog die schwedische Armee immer weiter hinein in den Keil, welchen der Zusammenfluß der San mit der Weichsel bildet. Der König befand sich von da an immer bei der Nachhut, denn er war ein Mann von unvergleichlichem Mute. Tscharniezki, Lubomirski und Witowski blieben ihr immer dicht auf den Fersen. Andere freiwillige Parteien schlossen sich der Jagd an, der schwedische Löwe lief freiwillig in das Netz, aus dem ein Entrinnen kaum möglich war.

Endlich waren sie dort angelangt, wo die San in die Weichsel mündet; der König atmete auf und auch die Soldaten schöpften neuen Mut. Von einer Seite bot ihnen die Weichsel, von der anderen die breit ausgetretene San sicheren Schutz. Die dritte Seite des Dreiecks befestigte der König mit mächtigen Schanzen, auf welchen die Geschütze aufgepflanzt wurden.

Die Position war uneinnehmbar, höchstens der Hunger konnte der schwedischen Armee jetzt noch etwas anhaben. Aber auch in dieser Beziehung hatte sich ihre Lage verbessert, da die Hoffnung nahe lag, daß man zu Wasser aus Krakau und anderen an der Weichsel liegenden Städten leicht die notwendigen Lebensmittel herbeischaffen konnte. Die nächste dieser Städte war Sandomir. Dort hatte der schwedische Hauptmann Schynkler bedeutende Vorräte angehäuft. Er versorgte auch bald das Lager mit Speise und Trank für Mann und Roß; man aß und trank sich einmal wieder satt und die Schweden sangen Dankpsalmen, um Gott für die Rettung aus so schweren Nöten zu danken.

Herr Tscharniezki aber sann auf neue Plagen für die Schweden. Sandomir mußte den Schweden wieder entrissen werden. Diese Festung durfte nicht länger in den Händen der Feinde bleiben, damit diesen die Nahrungszufuhr abgeschnitten wurde.

»Wir werden ihnen ein fürchterliches Schauspiel bereiten,« sagte Tscharniezki im Kriegsrat, »denn sie werden unthätig zusehen müssen, wie wir die Stadt belagern und einnehmen, während der reißende Fluß sie hindern wird, ihr zu Hilfe zu kommen. Haben wir aber Sandomir wieder gewonnen, dann schneiden wir ihnen die Zufuhr von Lebensmitteln ab, indem wir die Kähne, die Wirtz von Krakau aus schickt, nicht passieren lassen.«

Herr Lubomirski, Witowski und andere alte Krieger widerrieten diesem Unternehmen.

»Es wäre ja sehr gut,« sagten die Herren, »wenn wir Herren dieser bedeutenden Stadt werden könnten, denn von dort aus würden wir den Schweden viel schaden. Wie aber wollen wir sie in unsere Hände bekommen? Wir haben weder Fußsoldaten, noch große Geschütze, und die Reiter können doch keine Mauern stürmen!«

»Sind denn unsere Bauern etwa schlechte Fußsoldaten? Mit einem paar Tausend solcher Michaleks würde ich nicht allein Sandomir, sondern sogar Warschau zu erobern mich getrauen!« entgegnete darauf Tscharniezki.

Er achtete auch nicht weiter auf die Einwendungen der Herren, sondern überschritt die Weichsel. Kaum war die Nachricht davon in die Gegenden jenseits des Flusses gedrungen, so strömten gleich etliche Tausende Männer, teils mit Sensen, teils mit Gewehren oder Musketen bewaffnet, herbei und zogen mit gen Sandomir.

Sie überfielen die Stadt ganz plötzlich und unvermutet. In den Straßen entbrannte ein wütender Kampf. Die Schweden verteidigten sich mit dem Mute der Verzweiflung von den, Fenstern und Dächern der Häuser aus, konnten den Anprall aber nicht aushalten. Sie wurden erdrückt und zertreten, wie elendes Gewürm, der Rest aus der Stadt gedrängt. Schynkler zog sich mit demselben in die Veste zurück, doch die Polen folgten ihm ohne zu zögern auch dorthin.

Der Sturm auf die Mauern und Thore begann. Schynkler erkannte, daß er sich auch hier nicht würde halten können. Er raffte zusammen, was er an Menschen, Vorräten und Sachen noch sein nannte, verlud es auf Kähne und Schuten und setzte über die Weichsel, um zum Könige zu stoßen, der, Verzweiflung im Herzen, vom anderen Ufer aus den Fall seiner Stadt mit angesehen hatte, ohne zu ihrer Rettung herbeieilen zu können.

Das Schloß war demnach auch in die Hände der Polen gefallen.

Der listige Schynkler aber hatte, ehe er fortging, in allen Kellern des Schlosses gefüllte Pulverfässer mit angezündeten Lunten zurückgelassen. Als er vor dem Könige erschien, erzählte er diesem zum Troste sogleich, was er gethan.

»Das Schloß wird mit allem, was darin ist, in die Luft fliegen,« sagte er. »Vielleicht ist dann Tscharniezki auch unter den Getöteten.«

»Das muß ich mit ansehen,« antwortete der König darauf. »Es muß ergötzlich sein, zu sehen, wie die frommen Polen in den Himmel fliegen.«

Und der König blieb am Ufer stehen.

Unterdessen hatte Tscharniezki durch Erfahrung und die Flucht Schynklers vorsichtig gemacht, den Befehl ergehen lassen, daß niemand den Schloßhof und das Schloß betreten solle. Diesem Befehl zuwider waren jedoch eine ganze Menge Volontäre und Bauern sofort auf den Schloßberg geeilt, um den Hof und das Schloß nach versteckten Schweden zu durchsuchen. Herr Tscharniezki ließ Alarm blasen, um die Ungehorsamen zur Rückkehr zu mahnen, doch vergebens.

Ein fürchterlicher Donner ertönte, die Erde erbebte und das Schloß flog, einer ungeheuren Feuergarbe gleich in die Luft, Erde und Mauerwerk mit sich reißend. Die einstürzenden Dächer und Mauern begruben über fünfhundert Menschenleiber, die dem Schrecklichen sich durch rechtzeitige Flucht nicht entziehen konnten.

Karl Gustav freute sich unendlich über das gelungene Attentat. Mit untergestemmten Armen rief er ein über das andere Mal lachend:

»Zum Himmel mit euch, ihr Polen, auf zum Himmel, zum Himmel!«

Seine Freude war aber verfrüht, denn Sandomir verblieb doch in den Händen der Polen und die Hauptarmee der Schweden konnte nicht mehr von dort aus mit Lebensmitteln versehen werden. Sie ging trüben Tagen in dem Flußdelta entgegen.

Herr Tscharniezki ließ das Lager jenseits der Weichsel abbrechen und überwachte die Ueberführung desselben nach Sandomir.

Unterdessen kam Herr Sapieha, der Großhetman von Litauen, mit seinen Litauern von der anderen Seite der San immer näher.

Die Schweden waren nun vollkommen eingeschlossen; sie befanden sich in der ungünstigen Lage, wie in einer Mausefalle.

»Die Falle ist zugeklappt!« sprachen die polnischen Soldaten zu einander.

Selbst die Neulinge im Kriegshandwerk erkannten, daß das Verderben wie eine drohende Wetterwolke über den Eindringlingen sich sammelte ... Die einzige Rettung der Armee beruhte auf einem rechtzeitigen Anmarsch von Hilfstruppen.

Das wußten auch die Schweden selbst sehr genau. Mit verzweifelten Blicken betrachteten Offiziere und Mannschaften täglich von neuem die schwarze Reitermasse Tscharniezkis; und sich von diesen abwendend, erblickten sie auch jenseits der San nichts Tröstliches, denn dort hatte Herr Sapieha nun schon sein Lager aufgeschlagen und bewachte mit Argusaugen jede ihrer Bewegungen.

So lange die beiden Heere ihre Positionen nicht aufgaben, war weder an die Ueberschreitung der Weichsel, noch der San zu denken. Sie konnten höchstens auf demselben Wege nach Jaroslaw zurückkehren, auf welchem sie hierher gekommen, doch das sagte sich jeder von ihnen, traten sie diesen Rückweg an, dann sah keiner sein schwedisches Vaterland wieder.

So vergingen ihnen die Tage in schweren Sorgen, die Nächte voll Unruhen ... Die Lebensmittel fingen bereits an wieder knapp zu werden ...

Inzwischen hatte Herr Tscharniezki das Kommando über die Armee dem Herrn Lubomirski auf kurze Zeit übergeben. Er selbst setzte, unter der Assistenz der Laudaer Fahne, oberhalb der Mündung der San über die Weichsel, um den Herrn Sapieha zu begrüßen und mit ihm die weiteren Verhaltungsmaßregeln zu beraten.

Es bedurfte dieses Mal nicht der Vermittelung Saglobas, um die beiden Heerführer einander näher zu bringen. Sie liebten beide das Vaterland über alles, jederzeit bereit, ihr Teuerstes und Bestes ihm zum Opfer zu bringen.

Einer neidete dem anderen nicht den wohlverdienten Ruhm; sie schätzten sich gegenseitig sehr, deshalb war auch das Wiedersehen der beiden Tapferen ein so freudiges, daß selbst den verhärtetsten Soldaten die Thränen in den Augen standen.

»Die Republik quillt auf, das Vaterland jubelt, wenn zwei solche Helden einander in die Arme fallen,« sagte Sagloba zu Wolodyjowski und den Skrzetuskis. »Tscharniezki ist schrecklich im Kampfe, aber eine biedere, treue Seele im Frieden, und Sapieha ein so gutmütiger Mensch, daß er niemanden zu nahe treten kann, dabei aber auch ein tapferer Held. Die sind beide nicht im Bett geboren. Die Schweden müßten eine Gänsehaut bekommen, wenn sie sehen würden, wie diese zwei edlen Männer sich lieben. Womit haben denn die Feinde bis jetzt über uns gesiegt? Doch nicht etwa durch ihre Stärke und Tapferkeit? Nein, einzig und allein durch den Neid, den Haß und die Uneinigkeit unserer Adligen. Die Seele wird einem warm beim Anblick eines solchen Wiedersehens. Ich garantiere, daß euch heute die Kehle nicht trocken bleibt, der Sapieha liebt reiche Gastmähler und wird einem solchen Verbündeten mit nichts kargen.«

»Gott ist gnädig! Das Böse unterliegt! Gott hilft!« sagte Johann Skrzetuski.

»Siehe zu, daß du nicht lästerst,« versetzte Sagloba. »Alles Böse muß unterliegen, denn wenn es ewig währte, wäre das ein Beweis, daß nicht der Herr Jesus mit seiner unbegrenzten Barmherzigkeit, sondern der Teufel die Welt regiert.«

Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick sahen die Freunde die hohe Gestalt Babinitschs in der Nähe auftauchen. Sie überragte die Umstehenden fast um Kopfeshöhe. Herr Sagloba und Wolodyjowski winkten ihm sogleich, doch er war so sehr in den Anblick Tscharniezkis versunken, daß er sie nicht sogleich bemerkte.

»Seht einmal,« bemerkte Sagloba, »wie der Aermste elend aussieht.«

»Er muß nicht viel gegen den Fürsten Boguslaw ausgerichtet haben,« sagte Wolodyjowski, »sonst sähe er heiterer aus.«

»Gar nichts wird er ausgerichtet haben,« meinte Skrzetuski. »Es ist ja bekannt, daß Boguslaw mit Stenbock vor Marienburg liegt und die Festung beschießt.«

»Hoffen wir zu Gott, daß sie dort nichts ausrichten.«

Darauf entgegnete Sagloba:

»Und wenn sie auch die Festung einnähmen! Wir nehmen inzwischen den Karolus Gustavus hier gefangen und tauschen die Festung gegen den König aus ...«

»Da seht! Babinitsch hat uns bemerkt, er kommt auf uns zu!« unterbrach Skrzetuski.

Er hatte die Herren wirklich gesehen, und teilte nun mit beiden Armen die Menge, um zu ihnen zu gelangen, während er lebhaft mit dem Kopfe nickte und ihnen zulachte. Sie begrüßten sich wie gute Bekannte und Freunde.

»Was giebt es neues? Was habt ihr mit dem Fürsten gemacht, Kavalier?« frug Sagloba.

»Es steht schlimm! sehr schlimm!« antwortete Kmiziz. »Aber zum Erzählen giebt es jetzt nicht Zeit. Wir wollen zu Tische gehen; die Herren bleiben zur Nacht hier. Kommt nach dem Essen zu mir ins Quartier, zu meinen Tartaren. Ich habe eine geräumige Baracke, da können wir beim Glase die Nacht verplaudern.

»Einen solchen gescheiten Vorschlag weist man nicht von der Hand,« entgegnete Sagloba. »Sagt mir nur, wie kommt es, daß ihr so schlecht ausseht?«

»Der Teufelswicht hat mich in der Schlacht zugleich mit dem Pferde niedergestreckt. Seitdem klappere ich wie ein irdener Topf, der einen Sprung hat und speie Blut. Ich kann mich gar nicht erholen. Dennoch vertraue ich der Barmherzigkeit Gottes, daß ich ihm noch sein Blut abzapfen darf. Doch gehen wir jetzt; ich sehe, die Herren Sapieha und Tscharniezki beginnen bereits, sich Komplimente zu schneiden und um den Vortritt zu streiten. Das ist das Zeichen, daß die Tische gedeckt sind. Mit offenen Armen und Herzen haben wir eurer gewartet, denn auch ihr habt eine Menge Schwedenblut vergossen.«

»Mögen andere erzählen, was ich geleistet,« sagte Sagloba. »Mir selbst kommt es nicht zu.«

Die ganze Menge bewegte sich nun dem freien Platze zu, auf welchem zwischen Zelten die Tische aufgestellt waren. Herr Sapieha hatte seinem alten Freunde zu Ehren einen fürstlichen Aufwand entfaltet. Der Tisch, an welchem der Kastellan seinen Platz finden sollte, war mit eroberten schwedischen Fahnen gedeckt. Wein und Met flossen in Strömen aus den Kannen, so daß gegen das Ende des Mahles die beiden Heerführer etwas angeheitert waren. Man war sehr lustig, lachte und scherzte viel, und da das Wetter sonnig und heiter war, blieb man lange beisammen. Endlich trieb die Abendkühle die Fröhlichen in die Zelte.

Zu dieser Zeit nahm Kmiziz seine Gäste mit zu seinem Tartarentschambul. Sie setzten sich in seinem Zelt auf lauter Wagenplanen, die mit allerhand Beutestücken vollgepfropft waren, und ließen sich von Kmiziz über seine Erlebnisse erzählen.«

»Boguslaw soll nach der Ansicht der einen bei Marienburg sein,« erzählte er, »während andere behaupten, daß er sich beim Kurfürsten befindet und beabsichtigt, mit diesem gemeinschaftlich zum Entsatz des Königs herbeizueilen.«

»Um so besser!« sagte Sagloba. »Das giebt ein Zusammentreffen! Ihr Jungen könnt ihn nicht unterkriegen, wir wollen sehen, was der Alte ausrichten kann! Er hat es ja schon mit Verschiedenen versucht, nur mit Sagloba nicht. Ich will es mit ihm aufnehmen, es sei denn, daß der Fürst Janusch ihn testamentarisch aufgefordert hat, mich zu meiden; das wäre nicht unmöglich!«

»Das ist ja Nebensache!« rief Wolodyjowski. »Laßt das beiseite. Erzählt lieber von euren Erlebnissen, Babinitsch.«

»Wir sind begierig!« bat Skrzetuski.

Nachdem Kmiziz ein Weilchen geruht hatte, holte er tief Atem und begann dann von dem letzten Feldzuge Sapiehas gegen Boguslaw, von der Niederlage desselben bei Janowo, endlich, wie der Fürst seine Tartaren überritten und ihn so hart getroffen hatte, daß er kaum mit dem Leben davongekommen war.

»Ich denke, ihr wolltet ihn mit euren Tartaren bis an das Ufer des Baltischen Meeres verfolgen?« unterbrach ihn Skrzetuski.

»Erzähltet ihr mir nicht, daß seinerzeit auch ihr, der hier anwesende Johann Skrzetuski, eure Rache für spätere Zeiten aufgeschoben habt, um der Not des Vaterlandes willen, als Bohun euch das geliebte Mädchen entführte? Mit wem man umgeht, dessen Eigenschaften nimmt man an. Ich habe mich euch Herren mit ganzem Herzen in Freundschaft ergeben und will dem Beispiel der Edlen folgen.«

»Die Mutter Gottes lohne euch diese That so, wie einst dem Skrzetuski,« versetzte Sagloba. »Dennoch wünschte ich, daß euer Mädchen lieber in der Wildnis wäre, als in den Händen Boguslaws.«

»Das macht nichts!« rief Wolodyjowski aus. »Ihr gewinnt sie noch zurück!«

»Ich habe leider nicht nur ihre Person, sondern auch ihre Achtung und Liebe wiederzugewinnen,« seufzte Kmiziz.

»Eines wird das andere nach sich ziehen,« tröstete Herr Michael, »solltet ihr ihre Person auch mit Gewalt nehmen müssen, wie einstmals. Wißt ihr noch?«

»Das würde ich nie wieder thun.«

Kmiziz atmete schwer. Die Erinnerung regte ihn sehr auf. Nach einer Weile fuhr er fort:

»Ich habe nicht nur die eine wieder zu erringen, Boguslaw hat mir auch die andere geraubt.«

»Der reine Türke! So wahr ich Gott liebe!« schrie Sagloba.

Und Herr Michael frug hastig:

»Welche andere?«

»Ach, das ist eine lange Geschichte,« antwortete Kmiziz. »Es war in Samoschtsch ein bildhübsches Mädchen, welches dem Herrn Starosten zu sehr gefiel. Da er aber seiner Schwester, der Fürstin Wisniowiezka, Zorn fürchtete, so wagte er nicht, in ihrer Gegenwart das Fräulein zu belästigen; er kam daher auf den Einfall, sie unter meinem Schutz zu dem Herrn Sapieha auf die Reise zu schicken, scheinbar, damit der Hetman eine Erbschaftsangelegenheit für sie führen sollte, in Wirklichkeit aber, um sie mir eine halbe Meile von Samoschtsch wieder abjagen und sie in einem abgelegenen Waldhause einsperren zu lassen. Ich aber merkte, wo hinaus der Herr Starost wollte. ›Ei, willst du mich zu deinem Helfershelfer machen?‹ dachte ich mir. ›Warte nur!‹ Ich ließ seine Leute durchpeitschen und brachte das Fräulein im Vollbesitz ihrer Tugend zu Herrn Sapieha. Ich sage euch, war das ein Mädchen! Glatt wie ein Stieglitz – und so edel ... Ich bin auch nicht mehr, wie ich früher war und meine Kameraden von ehedem, – Gott habe sie selig! – die sind auch längst vermodert!«

»Wer war das Mädchen?« frug Sagloba.

»Sie war von edler Herkunft, die Respektsdame der Fürstin Wisniowiezka. Sie war mit dem Litauer Podbipienta verlobt, den ihr ja auch gekannt haben müßt.«

»Anusia Borschobohata!!« schrie Wolodyjowski auf, indem er aufsprang.

Auch Sagloba hatte sich schnell erhoben.

»Herr Michael,« rief er, »faßt euch!«

Doch Wolodyjowski war wie eine Katze mit einem Satze neben Kmiziz.

»Und ihr habt sie euch von Boguslaw rauben lassen? Ihr Verräter!«

»Beschimpft mich nicht!« wehrte Kmiziz. »Ich habe das Fräulein glücklich zum Hetman gebracht, habe für sie gesorgt wie ein Bruder für seine Schwester, und Boguslaw hat sie nicht mir, sondern einem anderen Offizier geraubt, Namens Glowbitsch, welcher den Auftrag hatte, sie zu den Töchtern des Hetman nach Grodno zu bringen.«

»Wo ist der Offizier?«

»Er lebt nicht mehr; er soll bei der Verteidigung des Fräuleins gefallen sein. So sagten wenigstens die Offiziere Sapiehas. Ich selbst war zu jener Zeit vom Hetman ausgesandt, gegen Boguslaw zu scharmutzieren, weiß also nichts genaues über den Vorgang. Aus eurer Alteration aber ersehe ich, daß uns gleicher Kummer getroffen hat, deshalb schlage ich vor, daß wir uns verbinden, gemeinschaftlich Rache an dem Mädchenräuber zu nehmen. Obgleich er ein großer Ritter und vornehmer Herr ist, so meine ich, soll ihm doch bald die Republik zu enge werden, wenn er zwei solche Gegner hat, wie wir es sind.«

»Meine Hand darauf!« erwiderte Wolodyjowski. »Brüder, auf Tod und Leben. Wen der Tod zuerst trifft, den hat der Ueberlebende zu rächen und den Fürsten doppelt auszuzahlen. Gott möge ihn mir zuerst unter den Säbel führen; ich will ihm den Garaus machen, so wahr das Amen in der Kirche klingt.«

Bei diesen Worten griff Herr Michael an sein Schwert und zuckte so gewaltig mit dem Barte, daß Sagloba ganz ängstlich zu Mute wurde, denn er wußte, daß der kleine Ritter nicht mit sich scherzen ließ.

»Ich wollte jetzt nicht in Boguslaws Haut stecken,« sagte er nach einer Weile, »und wenn man mich zum Fürsten von ganz Livland machte. Es genügt, daß man einen solchen Eisenfresser wie der Kmiziz ist, zum Feinde hat, man braucht nicht noch den Herrn Michael als zweiten im Bunde gegen sich zu haben! Bah! Es fehlt nicht viel, so schließe ich mich eurer Fehde an. Mein Verstand! Mein Schwert! Das sind zwei Dinge, die schwer in das Gewicht fallen. Wer zitterte nicht vor diesen beiden. Dazu wird sein Glücksstern doch endlich einmal ihn verlassen, denn Gott kann unmöglich diesen Verräter und Abtrünnigen ungestraft einhergehen lassen. Kmiziz hat ihn ohnedies schon nicht schlecht in Hitze gebracht.«

»Es ist nicht zu leugnen, daß er von mir schon manche Kontusion erhalten hat,« antwortete Herr Andreas.

Er ließ die Becher von neuem füllen und erzählte dann, wie er seinen alten Soroka vom Pfahltode befreit hatte. Nur den Fußfall verschwieg er; denn bei der Erinnerung daran allein schon, stieg ihm alles Blut zu Kopf.

Herr Michael wurde ganz heiter bei der Erzählung, zuletzt sagte er:

»Möge Gott dir immer beistehen, Androsch! Man kann im Kampfe mit solch einem ebensogut zur Hölle fahren. Es ist nur zu bedauern, daß wir nicht immer zusammen bleiben können, denn Dienst bleibt Dienst. Es kann geschehen, daß man mich an ein Ende der Republik schickt, dich an das andere. Man weiß nicht, wer von uns beiden zuerst mit ihm zusammentrifft.«

Kmiziz verstummte eine Zeitlang.

»Wenn es gerecht zugeht, so gehört er mir ... Wenn ich nur nicht wieder den Kürzeren ziehe, denn ... ich schäme mich, es einzugestehen, ... meine Hand ist für den Arm dieses Riesenteufels zu schwach.«

»So werde ich dir alle meine Kniffe lehren!« rief Wolodyjowski.

»Oder ich!« sagte Sagloba.

»Nein! Verzeiht! Aber Michael ist mir als Fechtmeister lieber,« entgegnete Kmiziz hastig.

»Obgleich er ein so tapferer Ritter ist, fürchten weder ich, noch mein Schwert, meine Frau Kowalska, den Fürsten, wenn ich nur ausgeschlafen bin,« warf Rochus ein.

»Sei stille, Roch!« versetzte Sagloba, »möge dich Gott nicht durch seine Hand für deine Prahlerei strafen.«

»Ach wo! Mir geschieht nichts!«

Der arme Rochus war kein glücklicher Prophet; in diesem Augenblick rauchte ihm der Schopf; er hätte am liebsten die ganze Welt herausfordern mögen. Auch die anderen tranken gegenseitig zu ihrem Wohle, dem Boguslaw und der Republik zum Verderben.

»Ich habe gehört,« sagte Kmiziz, »daß, sobald wir hier mit den Schweden fertig sind und den König haben, wir gleich nach Warschau aufbrechen. Dann ist der Krieg zu Ende, die Sicherheit hergestellt. Dann kommt der Kurfürst an die Reihe.«

»O, ja, ja, ja!« sprach Sagloba.

»Ich hörte, wie Herr Sapieha einmal sagte: ›Mit den Schweden sind wir bald fertig! Die Septentrionäre sind schon untergekriegt; mit dem Kurfürsten aber dürfen wir uns in Unterhandlungen nicht einlassen. Herr Tscharniezki und Herr Lubomirski werden nach Brandenburg geschickt, ich gehe mit dem Herrn Unterkämmerer von Litauen nach Kurpreußen, und wenn wir dann Preußen nicht für alle Zeiten der Republik einverleiben, dann giebt es in der Reichskanzlei nicht einen einzigen so klugen Kopf wie der des Herrn Sagloba, welcher einst unaufgefordert auf eigene Verantwortung dem Kurfürsten Drohbriefe schrieb.«

»Das hat der Sapio wirklich gesagt?« frug Sagloba vor Freude errötend.

»Es haben das alle gehört. Und ich war hocherfreut über das Gehörte, denn ich kann dann mit einer Klappe zwei Fliegen schlagen. Wenn nicht eher, dann muß mir Boguslaw stille halten.«

»Wenn wir nur mit diesen Schweden schon fertig wären!« sagte Sagloba. »Der Kuckuck hole sie. Mögen sie uns Livland geben und ihre Millionen, dann lassen wir sie in Frieden ziehen.«

»Da habt ihr mit dem Kosaken den Tartaren erwischt und der Tartar hält den Kosaken am Schopfe, Vater!« versetzte lachend Johann Skrzetuski. »Noch ist Karolus in Polen, noch sind Krakau, Warschau, Posen und andere größere Städte in Feindeshand und ihr sprecht schon vom Lösegeld. Ei, Ei, Vater! Es wird noch ein tüchtig Stück Arbeit geben, ehe wir an Kurpreußen und Brandenburg denken können.«

»Und noch leben Stenbock und Wirtz und noch liegen schwedische Kommandos in allen Städten.«

»Und wir sitzen hier mit gefalteten Händen? Auf was warten wir eigentlich?« frug Rochus plötzlich.

»Können wir nicht schon den Schweden schlagen?« Seine Augen glotzten dabei dumm und schlaftrunken die anderen an.

»Rede nicht so dumm, Rochus!« schalt Sagloba.

»Bei euch dreht sich immer alles nur um das eine, Ohm. Ich habe wahrhaftig Kähne am Ufer gesehen. Wir könnten gut hinüber schwimmen und wenigstens die Uferwache aufheben. Es ist finster, daß man die Faust vor den Augen nicht sieht. Ehe sie es merken, sind wir wieder zurück und haben den beiden Feldherren gezeigt, daß wir Mut haben. Wie, meine Herren, ihr wollt nicht? Dann gehe ich allein.«

»Das tote Kalb hat noch mit dem Schwanze gewackelt, Wunder über Wunder!« rief Sagloba zornig.

Doch Kmiziz zuckte es bereits in den Nasenflügeln.

»Das ist kein schlechter Gedanke!« sagte er.

»Kein schlechter Gedanke für einen, der nur Handlanger ist,« erwiderte Sagloba, »aber nicht für jemanden, welcher die ernste Seite der Sache im Auge hat. Menschen! wahrt eure Selbstachtung! Ihr seid Hauptleute und dürft keine Jungenstreiche verüben.«

»Es ist wahr, es schickt sich nicht recht für uns!« sagte Wolodyjowski. »Laßt uns lieber schlafen gehen; es ist spät.«

Sie waren alle einverstanden und knieten sogleich nieder, um gemeinschaftlich das Abendgebet zu sprechen. Darauf streckten sie sich auf die Wagenplanen hin, so gut es ging und schliefen bald den Schlaf der Gerechten.

Aber kaum eine Stunde später sprangen sie mit beiden Füßen zugleich schon wieder auf. Im Schwedenlager drüben hatte man eine Gewehrsalve abgegeben. Diesseits im Lager entstand Lärmen und Schreien.

»Jesus, Maria! Die Schweden rücken an!« schrie Sagloba.

»Was sagt ihr? Redet nicht Unsinn!« rief Wolodyjowski nach dem Säbel greifend.

»Rochus! Rochus! zu mir,« fuhr Sagloba fort zu schreien.

Er hatte in unvorgesehenen Fällen den Verwandten gern in seiner Nähe. Aber Rochus war nicht im Zelte. Die Ritter eilten auf den freien Platz, wo sie getafelt hatten. Vor den Zelten hatte sich eine Menge Soldaten eingefunden, die alle nach dem Ufer drängten. Am gegenüberliegenden Ufer der San sah man von neuem Gewehrfeuer aufleuchten, ein heftiges Knattern wurde immer deutlicher vernehmbar.

»Was ist denn geschehen?« frug man die Wachen, welche zahlreich am Ufer entlang standen.

Aber die Wachen versicherten, nichts bemerkt zu haben. Nur ein Soldat erzählte, daß er etwas gehört, wie einen Ruderschlag; da aber der Nebel dicht über dem Wasser hing, hatte er nichts erkennen können. Er wollte auch nicht gleich das Lager alarmieren, denn das Geräusch war bald wieder verstummt.

Als Sagloba das hörte, raufte er sich die Haare vor Schmerz und Verzweiflung.

»Rochus ist zu den Schweden geschwommen,« schrie er wie wahnsinnig. »Er wollte die Uferwache aufheben.«

»Um Gotteswillen! Sollte er das wirklich gethan haben?« rief Kmiziz.

»Sie werden ihn mir totschießen, so wahr Gott lebt!« lamentierte Sagloba.

»Giebt es denn keine Rettung für ihn, meine Herren? Herr Jesus! Der Junge ist treu wie Gold. Es giebt keinen, der besser wäre als er! Was ist dem Dummkopf nur eingefallen?! ... Mutter Gottes, stehe ihm bei in dieser Not! ...«

»Vielleicht kommt er unbemerkt zurück, der Nebel ist dicht! Vielleicht haben sie ihn gar nicht gesehen.«

»Ich werde hier auf ihn warten, sei es auch bis zum Morgen! Heilige Mutter! Heilige Mutter!«

Inzwischen war das Schießen drüben eingestellt worden, die Lichter erloschen allmählich, eine Stunde darauf lag das Lager wieder in tiefem Schlaf.

Sagloba lief am Ufer hin und her, wie eine Gluckhenne, welche Enten ausgebrütet hat; er raufte sich die Reste seiner Haare vom Kopfe, aber er wartete vergebens, er verzweifelte umsonst. Das Wasser des Flusses schimmerte schon grau durch die Morgendämmerung, dann ging die Sonne auf, aber Rochus kam nicht wieder.


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