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3. Kapitel

Herr Andreas wütete wie ein verwundeter Stier in seiner Herberge. Die teuflische Rache Radziwills brachte ihn dem Wahnsinn nahe. Nicht genug, daß der Fürst sich seinen Händen entrissen, ihn selbst fast ums Leben gebracht und mehrere seiner Leute getötet hatte, auch noch Schmach und Schande brachte er über ihn, so große Schande, wie sie nie jemanden weder in seiner Familie, noch in ganz Polen betroffen.

Kmiziz war so verzweifelt, daß er im Begriff stand, allem zu entsagen, sogar der Aussicht auf einen Dienst am königlichen Hofe, nur um hinauszueilen in die Welt, die er kaum verlassen hatte, und Rache zu üben an demjenigen, den er haßte über alle Maßen.

Dann überlegte er doch, trotz der überschäumenden Wut, welche ihn befallen hatte, daß, so lange der Fürst am Leben war, er seiner Rache nicht entgehen konnte, die beste Gelegenheit aber, die Lügen des Verleumders zu widerlegen, seine ganze Ehrlosigkeit ans Licht zu bringen, sich eben im Dienste des Königs finden mußte. Er wollte der Welt beweisen, daß es ihm nicht nur fern gelegen hatte, den König meuchlings zu morden, sondern daß Johann Kasimir unter dem ganzen Adel Polens keinen treueren Diener finden konnte, als ihn, Kmiziz.

Zähneknirschend, wutentbrannt zerriß er die Kleider auf seinem Leibe und es dauerte lange, ehe er sich beruhigte.

Dann vertiefte er sich in Rachegedanken. Er schwur sich beim Andenken an seinen Vater, daß er den Fürsten in seine Gewalt bekommen müsse und sollten Tod und Höllenpein seiner dafür warten. Hätte der Fürst Boguslaw, dieser mächtige Herr, welcher nicht nur die Rache eines einfachen Adligen, sondern sogar die des Königs verlachte, die Gedanken und die schrankenlose Wut Kmiziz' gekannt, er hätte nicht so ruhig geschlafen, als er es that.

Und dabei wußte Kmiziz nur, daß er ihm Ehre und den guten Namen hatte rauben wollen; er ahnte ja nicht, was der Fürst mit Olenka vorhatte.

Inzwischen ließ der König, welcher den jungen Edelmann sehr lieb gewonnen hatte, noch an demselben Tage Kmiziz durch Herrn Lugowski zu sich berufen. Am folgenden mußte er mit dem Hofe nach Oppeln aufbrechen, wo mit den Senatoren über die Rückkehr des Königs ins Vaterland beraten werden sollte. Das war notwendig, denn schon hatte der Kronenmarschall eine neue Bitte um eilige Rückkehr dem Könige zugesandt, mit dem Bemerken, daß alles zum allgemeinen Aufstande bereit sei. Außerdem hatte sich eine neue Verbindung zur Verteidigung des Königs und des Vaterlandes im Reiche gebildet, welche schon lange vordem ins Leben gerufen werden sollte und welche nun unter dem Namen »Die Konföderation von Tyschowietz« zusammengetreten war.

Diese Nachrichten beschäftigten die Gedanken aller ganz außerordentlich. Man versammelte sich gleich nach der heiligen Messe zu einer geheimen Konferenz, an welcher auf den Wunsch des Königs auch Kmiziz teilnehmen mußte.

Es wurde die Frage erörtert, ob die Rückkehr ins Vaterland sogleich erfolgen solle, oder ob man den Augenblick abwarten solle, wo das Kronenheer mit dem Abfall von Schweden vom guten Willen zur That übergehen werde.

Johann Kasimir machte der Debatte ein Ende, indem er sagte:

»Ich bitte die Herren, nicht über den Zeitpunkt Unseres Aufbruches von hier zu streiten. Darüber bin ich mit Mir einig. Hiermit erkläre Ich, daß Wir bestimmt noch in diesen Tagen abreisen, komme, was da wolle. Eure Gedanken sollen sich von jetzt ab nur damit beschäftigen, die sichersten und schnellsten Wege zur Heimat aufzufinden.«

Darüber waren die Meinungen erst recht verschieden. Die einen warnten, dem Herrn Kronenmarschall nicht allzusehr zu trauen, da derselbe sich schon einmal wankelmütig und unzuverlässig gezeigt hatte, indem er die Reichskrone, anstatt sie dem Kaiser in Verwahrung zu geben, dieselbe nach Lublin brachte. »Er sei ein maßlos stolzer Mann,« wurde gesagt. »Wenn er nun gar noch den König in seinem Schlosse beherbergen dürfe, wer weiß, was da geschehen könne, was für einen Lohn er für seine Dienste beanspruchen wolle. Es sei ihm zuzutrauen, daß er die Regierung an sich reißen und über den König ein Protektorat ausüben werde.«

Diese Partei also riet dem Könige, den Rückzug der Schweden abzuwarten und dann nach Tschenstochau zu gehen, als an denjenigen Ort, von welchem die Wiedergeburt des Volkes ausgegangen sei.

Doch andere waren anderer Ansicht.

Die Schweden seien noch bei Tschenstochau und wenn sie mit Gottes Hilfe das Kloster auch nicht erobern werden, so sind die Wege dorthin doch nicht frei. Die ganze Gegend sei von Schweden besetzt. Kschepitz, Wielun und Krakau sowie alle Grenzorte in den Händen der Feinde. In den Bergen an der ungarischen Lehne entlang gäbe es aber keine anderen Soldaten, als das Regiment des Marschalls, denn bis dorthin vorzudringen, dazu gebrach es den Schweden sowohl an Mannschaften, wie an Mut. Von Lubow aus sei es auch näher nach Reußen, welches stets von feindlicher Besatzung frei geblieben war, und nach dem stets königstreuen Lemberg. Von dort aus erwarteten auch die Tartaren den Entschluß des Königs.

»Der Herr Marschall,« sagte der Bischof von Krakau, »wird sich mit der Ehre zufrieden geben, daß Se. Majestät zuerst bei ihm in der Spiser Starostei Einkehr hält und er als erster den König verpflegen darf. Der König werde die Regierung nicht aus den Händen geben und den Herrn Marschall wird die ihm erwiesene Ehre zufrieden stellen. Wenn er an Treue und Diensteifer allen vorangehen will, gleichviel, ob dieses Verlangen seinem Stolze, oder der Liebe zum Königshause entstammt, immer wird sein Anerbieten der Majestät große Vorteile gewähren.

Die Ansicht des an Erfahrungen reichen und edlen Bischofs erhielt die Zustimmung der Mehrzahl. Es wurde also festgestellt, daß der König nach Lubow durch das Gebirge und von dort nach Lemberg, oder wo die Verhältnisse seine Anwesenheit dringend erheischten, gehen solle.

Auch der Tag der Abreise sollte sogleich festgesetzt werden, doch der Wojewode von Lentschütz, welcher soeben vom Kaiser zurückgekehrt war, den er im Namen des Königs um Hilfe gebeten, riet, einen Tag nicht zu bestimmen, die Bestimmung über den Zeitpunkt der Abreise vielmehr dem Könige selbst zu überlassen und zwar darum, um durch Verbreitung von Nachrichten über den Termin des Aufbruches, den Feind nicht zu warnen. Es wurde also nur der Beschluß gefaßt, der König solle mit einer Eskorte, bestehend aus dreihundert auserlesenen Dragonern unter der Leitung des Herrn Tysenhaus, welcher, obgleich noch jung, doch als tüchtiger Soldat galt, ausrücken.

Der weitaus wichtigere Teil der Beratung folgte nun erst. Einmütig sollte beschlossen werden, daß nach der Rückkehr des Königs in sein Reich die Regierung allein in seiner Hand ruhen solle und daß alle Verfügungen der Majestät, gleichviel was sie betrafen, von dem Adel, dem Heere und den Hetmanen respektiert werden müssen. Man erörterte die Vergangenheit und die Ursachen des so plötzlich hereingebrochenen Unheils, welches in kurzer Zeit das ganze Land wie eine Sturmflut überzogen hatte, und führte dasselbe auf die Unregelmäßigkeiten und die Willkür Einzelner in der Verwaltung, den Mangel an Gehorsam und die allzuleichtfertige Nichtachtung der Königswürde zurück.

Man hörte den Ausführungen des Fürsten Primas mit gespanntester Aufmerksamkeit zu. Handelte es sich doch um noch nie dagewesene tief eingreifende Veränderungen in der Verwaltung des Reiches, welche allein die Möglichkeit boten, die Republik zu ihrer früheren Macht zurückzuführen. Diese Veränderungen wünschte ganz besonders die kluge, ihr Land sehr liebende Königin.

Der Kirchenfürst sprach so eindringlich, so klar und verständlich, daß den Hörern die Herzen dabei aufgingen, wie die Blumenknospen sich dem Lichte der wärmenden Sonne öffnen.

»Es liegt mir fern, gegen die altherkömmlichen Freiheiten, die unsere Nation genießt, zu opponieren,« sagte der Primas, »nur jene übermütigen Auswüchse derselben muß ich verdammen, welche einzig und allein schuld sind an dem Verfall der Republik. Wahrhaftig! In diesem Reich versteht man kein Maß zu halten, keine Grenze zu ziehen zwischen Freiheit und Uebermut, und seht: »so wie Uebermaß in der Freude Schmerz bereitet, so führt zügellose Freiheit zur Unfreiheit. Bis zu welcher Verblendung sind die Bewohner dieses herrlichen Landes gelangt, daß sie glauben konnten, nur derjenige sei ein wirklicher Vaterlandsfreund, welcher der größte Lärmmacher ist, die Landtage stört, dem Willen des Königs entgegen wirkt gerade in Fällen, wo es sich um ernste Regierungsangelegenheiten handelt. Unsere Schatzkammer ist leer, die Soldaten, welche ihren Sold nicht mehr ausgezahlt erhalten konnten, haben Dienste beim Feinde gesucht, die Landtage haben ihre Funktionen eingestellt, denn ein einziger Uebelgesinnter, ein Uebermütiger genügte, um die größte Verwirrung in die Verhandlungen zu bringen, sie ganz auszulösen. Soll das Freiheit genannt werden, wenn die Stimme eines Einzigen, das Werk Vieler zu nichte machen darf? Ist denn diese schrankenlose Freiheit eines Einzelnen nicht die Unfreiheit Vieler? Wohin hat sie uns denn geführt, diese Freiheit, was für Früchte hat sie getragen? Da seht ihr! Ihr habt es erlebt, daß der Feind, über welchen unsere Vorfahren so oft glänzende Siege erfochten haben, jetzt unser Vaterland vom Norden bis zum Süden beherrscht. Niemand hat ihn in seinem Vorschreiten aufgehalten, niemand ihn an der Besitzergreifung des Landes, an der Schändung der Kirchen, am Morden, Rauben und sonstigen Gewalttaten gehindert! So weit ist es durch die Freiheitslust der Brüder, durch ihre Zänkereien und Feindseligkeiten unter einander gekommen! Sie haben den angestammten Beschützer des Vaterlandes zuerst machtlos gemacht, dann haben sie sich beklagt, daß er sie nicht beschützte! ... Sie verschmähten seine Befehle, traten dieselben mit Füßen, jetzt tragen sie das Joch des Feindes! ... Wer anders aber, so frage ich, könnte die Republik retten, wenn nicht derjenige, der ihr sein Leben geweiht? Er allein, der sein unglückliches Land siegreich durch den Krieg mit den Kosaken geführt, der sich unerhörten Gefahren ausgesetzt hat, der bei Sbarasch und Bereschtez wie ein gemeiner Soldat gefochten und alle Beschwerden mit seinen Kriegern geteilt hat, er allein kann sein Reich wieder zum früheren Glanz zurückführen ... Ihm wollen wir allein vertrauen, ihm die Diktatur übergeben! Wir selbst aber wollen Sorge tragen, daß die inneren Kämpfe, der Uebermut und die Privatangelegenheiten einzelner nicht ungestraft bleiben und auf diese Weise der Regierung wieder zu ihrem Ansehen verhelfen.«

Also hatte der Primas gesprochen. Das Unglück und die Erfahrungen der letzten Zeit hatten die Hörer überzeugt, daß der Redner vollkommen Recht hatte. Eines von beiden nur konnte geschehen – entweder wurde das Königtum in Polen wieder befestigt, oder die Republik mußte untergehen. Es protestierte daher auch niemand gegen die Ausführungen des Fürsten Primas, nur begann nach dem Schluß seiner Rede eine lebhafte Debatte über die Mittel, durch welche die Vorschläge des Primas am leichtesten und besten zur Ausführung gelangen konnten. Die Majestäten hörten mit freudiger Spannung zu, besonders die Königin, welche schon lange über einem Plane zur Herstellung der allgemeinen Ordnung im Reiche arbeitete.

Der König war heiter und befriedigt nach Glogau zurückgekehrt. Er berief sogleich einige der vertrautesten Offiziere, darunter Kmiziz, in sein Gemach und sagte ihnen folgendes:

»Es drängt Uns nun lebhaft, dieses Land zu verlassen, am liebsten möchten Wir gleich morgen aufbrechen. Deshalb haben Wir euch zu Uns berufen, damit ihr euch so schnell als möglich marschbereit macht. Jeder Augenblick ist verloren, den Wir ohne Not länger hier verweilen. Das Vaterland ruft, deshalb heißt es eilen.«

»Sicherlich ist es besser, die Abreise nicht hinauszuschieben, sobald das mit dem Willen Ew. Majestät übereinstimmt,« sagte Herr Lugowski. »Je schneller der Aufbruch stattfindet, desto besser!«

»Damit der Feind die Absicht der Rückkehr nicht erfährt und seine Wachsamkeit verdoppelt,« ergänzte der Hauptmann Wolff.

»Der Feind ist schon aufmerksam gemacht; er hat alle Wege besetzt, so gut er kann!« sagte Kmiziz.

»Woher wißt ihr das?« frug der König.

»Noch als ich in Tschenstochau war, erhielten wir durch Bauern zuweilen Nachrichten über die Vorgänge in dem Reich, so unter anderem auch, daß es heiße, Ew. Majestät seien unterwegs nach dem Vaterlande oder schon innerhalb der Grenzen desselben. Es muß deshalb die größte Vorsicht beobachtet werden, der Rückzug darf nur in aller Stille, durch die Engpässe geschehen, denn auf den Landstraßen lauern die Soldaten des Douglas uns auf.«

»Der beste Schutz sind die dreihundert scharfe Säbel,« sagte Tysenhaus, indem er Kmiziz fest anblickte. »Wenn Se. Majestät mir das Kommando über dieselben anvertrauen wollen, dann führe ich Euch glücklich und gesund durch das ganze Schwedenheer.«

»Ihr könnt das, wenn ihr auf dem Zuge dreihundert, sagen wir sechshundert, oder meinetwegen tausend Mann Schweden antrefft. Wie aber, wenn ihr auf noch größere Trupps stoßt, was dann?«

»Ich sagte dreihundert,« entgegnete Tysenhaus, »weil von dreihundert Mann Begleitung die Rede war. Sollten diese nicht genügen, so müssen wir eine größere Anzahl besorgen.«

»Um Gottes Willen nicht! Je größer die Eskorte, desto weniger können wir unbemerkt bleiben!« sagte Kmiziz.

»Bah! Ich denke doch, der Herr Marschall wird Uns mit seinen Truppen eine Wegstrecke entgegenkommen?« warf der König ein.

»Das wird er nicht thun, denn er kennt ja den Zeitpunkt der Abreise Ew. Majestät nicht, und wüßte er ihn, so könnten ihn unterwegs immer noch Hindernisse vom raschen Vordringen aufhalten. Es ist schwer, hier sicher etwas vorauszubestimmen ...«

»Das sagt ein Soldat, ein echter Soldat!« sagte der König. »Man sieht, ihr seid kein Neuling im Kriegshandwerk.«

Kmiziz lächelte. Er dachte an seine Kämpfe mit Chowanski. Wer wußte wohl besser Bescheid in solchen Dingen als er, wem konnte der König sein Leben sicherer anvertrauen als ihm?

Aber Herr Tysenhaus schien anderer Ansicht als der König. Er wandte sich stirnrunzelnd an Kmiziz und sagte ironisch: »Wir warten begierig auf eure besseren Ratschläge!«

Kmiziz hörte die Ironie aus diesen Worten wohl heraus. Er blickte Tysenhaus scharf an und antwortete:

»Meine Ansicht ist die, daß wir um so leichter und unbemerkter fortkommen, je kleiner die Eskorte ist.«

»Wie soll man das verstehen?«

»Majestät!« wandte sich Kmiziz an den König. »Es bleibt Ew. Majestät überlassen, zu thun, was Ew. Majestät wollen. Mein Verstand sagt mir aber das: »Mag Herr Tysenhaus mit den Dragonern vorausgehen, indem er überall das Gerücht verbreitet, daß er den König geleitet, um die Aufmerksamkeit des Feindes auf sich zu lenken. Seine Sache wird es sein, mit heiler Haut sich durchzudrücken. Ew. Majestät aber wollen mit ganz kleiner Eskorte einen oder zwei Tage nach ihm ausrücken. Wenn des Feindes Augenmerk von uns abgelenkt ist, dann wird es uns leicht werden, nach Lubow zu gelangen.«

Der König klatschte diesem Vorschlage Beifall.

»Gott hat Uns diesen Krieger gesandt!« rief er. »Salomon selber konnte Uns nicht weisere Ratschläge erteilen! So soll es sein, dabei soll es bleiben! Etwas Besseres giebt es nicht! Man wird den König unter den Dragonern suchen, während dieser dem Feinde ein Schnippchen schlägt und ihm an der Nase vorbeizieht!«

»Majestät belieben zu scherzen! ...« sagte Tysenhaus.

»Ja, wie Soldaten scherzen!« antwortete der König. »Doch gleichviel, ob Scherz oder nicht, es bleibt dabei.«

Kmiziz leuchteten die Augen vor Freude, daß seine Ansicht überwog. Tysenhaus war heftig aufgesprungen.

»Allergnädigster Herr!« sagte er. »Ich lege mein Kommando nieder. Ein anderer möge die Dragoner anführen!«

»Warum das?« frug der König.

»Wenn mein König schutzlos dem Zufall sich preisgiebt, sich allen nur denkbaren Gefahren aussetzt, dann will auch ich dabei sein, um für seine geheiligte Person nötigenfalls mit meinem Leben einzutreten.«

»Wir danken euch für euren guten Willen,« entgegnete Johann Kasimir, »doch beruhigt euch, gerade die Art zu reisen, wie Babinitsch sie vorschlägt, wird Uns am besten vor allen Gefahren bewahren.«

»Was der Herr Babinitsch, oder wie er sonst heißen mag, im Schilde führt, das mag er auch verantworten. Vielleicht liegt ihm daran, daß Ew. Majestät sich im Gebirge verirren ... Ich nehme Gott und die hier anwesenden Waffenbrüder zu Zeugen, daß ich aus voller Seele von dieser Art zu reisen abrate!«

Er hatte seine Rede kaum geendet, als Kmiziz dicht vor ihn hintrat und ihm fest in die Augen blickend fragte:

»Was wollt ihr mit euren Worten sagen?«

Tysenhaus maß ihn mit einem hochmütigen Blick vom Kopf bis zu den Füßen.

»Bemüht euch nicht, euch mir gleich zu stellen, kleines Herrchen! Ihr erreicht meine Höhe doch nicht,« sagte er.

Nun schossen wieder Zornesblitze aus Kmiziz' Augen.

»Wer weiß,« entgegnete er, »wenn der Andere zu hoch stände, um ihn zu erreiche», wenn ...«

»Wenn was?« frug Tysenhaus, gespannt und fest dem Gegner ins Auge sehend.

»Ich habe mich mit Höheren gemessen, als ihr es seid!«

Tysenhaus lachte höhnisch.

»Ich wäre begierig, zu erfahren, wo ihr solche suchtet.«

»Schweigt!« gebot jetzt der König mit gerunzelten Brauen. »Ich verbiete euch, hier Streitigkeiten anzufangen!«

Die Streitenden verstummten sofort. Es war ihnen durch das Verbot erst in Erinnerung zurückgerufen worden, wo sie sich befanden. Der König aber fuhr fort:

»Dieser Kavalier, welcher das größte Geschütz der Schweden mit Einsetzung seines Lebens zerstört hat, soll und darf von Keinem hier durch Hochmut verletzt werden und wäre sein Vater auch nur ein leibeigener Bauer. Daß er das aber nicht ist, das haben Wir längst erkannt, denn den Vogel erkennt man an seinem Gefieder und die Abstammung der Menschen an ihren Handlungen. Laßt also das Streiten und Hadern.« Zu Tysenhaus gewendet, sprach der König weiter: »Ihr wollt bei Uns bleiben? Nun gut! Das sei euch gewährt! Wolff oder Denhof mögen die Dragoner führen, doch Babinitsch bleibt auch bei Uns und sein Rat wird befolgt, denn er behagt Uns sehr!«

»Ich wasche meine Hände in Unschuld!« sagte Tysenhaus.

»Bewahrt nur das Geheimnis gut, meine Herren! Die Dragoner sollen noch heute nach Ratibor ausrücken. Gleichzeitig soll die Nachricht, daß ich mich verkleidet unter ihnen befinde, auf das Weiteste verbreitet werden. Dann haltet euch jeden Augenblick zur Abreise bereit, dieselbe kann ganz plötzlich erfolgen ... Tysenhaus, geht jetzt, gebt Befehl, daß der Kapitän an die Spitze der Dragoner trete und mit ihnen ausrücke.«

Tysenhaus verließ händeringend und zornbebend das Gemach. Ihm folgten die anderen Offiziere.

Noch an demselben Tage erfuhr ganz Glogau, daß des Königs Majestät mit den Dragonern die Stadt verlassen habe, um in sein Reich, in die Republik zurückzukehren. Viele der angesehensten Bürger sogar waren so fest von der Abreise des Königs überzeugt, daß sie die Neuigkeit immer weiter verbreiteten, so daß sie bald nach Oppeln und weiter hin ihren Weg fand.

Obgleich nun Tysenhaus erklärt hatte, daß er seine Hände in Unschuld wasche, gab er noch nicht alle Hoffnung auf. Da er als erster Kammerherr des Königs zu jeder Zeit Zutritt zu der Person desselben hatte, so begab er sich noch an demselben Tage, gleich nach dem Ausmarsch der Dragoner, in die königlichen Gemächer, wo er die Majestäten beide antraf.

»Ich komme, mir nähere Befehle über die Abreise einzuholen. Wann gedenken Ew. Majestät auszubrechen?« sagte er.

»Uebermorgen in aller Frühe,« antwortete der König.

»Wie groß soll die Eskorte sein?«

»Ihr, Babinitsch und Lugowski begleitet Uns als militärische Eskorte. Außerdem reist der Herr Kastellan von Sandomir auch mit Uns. Ich habe ihn gebeten, so wenige seiner Leute mitzunehmen als thunlich, aber ganz gering wird ihre Zahl doch wohl nicht sein; es sind ja meist auch tapfere Kämpen. Zum Ueberfluß will auch Se. Eminenz, der Herr Nuntius Uns begleiten, dessen Anwesenheit dem Unternehmen die rechte Weihe geben soll. Se. Eminenz wollen daher ihre Person den Gefahren der Reise aussetzen. Ihr aber sorgt dafür, daß nicht mehr als vierzig Rosse allerhöchstens Unser Geleit bilden, denn so hat Babinitsch Uns geraten.

»Allergnädigster Herr!« sagte Tysenhaus.

»Wollt ihr noch etwas?«

»Ich bitte fußfällig um eine Gnade. Es ist geschehen ... Die Dragoner sind fort ... wir werden schutzlos die Reise antreten, der kleinste feindliche Vortrab kann uns gefangen nehmen. Majestät wollen meinem Flehen ein geneigtes Ohr leihen, Gott weiß, wie treu ich bin. Trauen Ew. Majestät diesem Menschen doch nicht so blindlings. Wie gewandt er ist, das beweist der Umstand, daß er in fabelhaft kurzer Zeit es fertig brachte, sich in Gunst bei den Majestäten zu setzen, aber ...«

»Mißgönnt ihr ihm Unsere Gunst?« frug der König.

»Ich mißgönne ihm nichts, Majestät! Ich will ihn auch nicht des offenbaren Verrats verdächtigen, aber ich möchte fast darauf schwören, daß er nicht Babinitsch heißt. Warum verbirgt er seinen wahren Namen? Warum spricht er nie von dem, was er war oder that, ehe er nach Tschenstochau ging? Warum drängte er so sehr, daß die Dragoner vorausgehen und Ew. Majestät ohne Eskorte reisen sollen?«

Der König dachte ein wenig nach, wobei er alter Gewohnheit gemäß, die Backen wiederholt ausblies.

»Wenn er wirklich im Einvernehmen mit den Schweden handelt,« sagte er dann, »welchen Schutz würden uns dann wohl dreihundert Dragoner bieten können? Babinitsch brauchte dann nur die Schweden zu benachrichtigen, daß sie mit etlichen Hunderten ihrer Füsiliere die Engpässe besetzen; wir wären dann wie in einem Netz gefangen. Ueberlegt doch nur ein wenig. Von Verrat kann gar keine Rede sein. Er müßte dazu genau den Tag und die Stunde des Ausmarsches kennen, dann brauchte er Zeit, um die Schweden in Krakau in Kenntnis zu setzen und zuletzt konnte er gar nicht wissen, ob Wir seinem Rate folgen würden oder nicht. Da anfangs bestimmt war, daß Wir zugleich mit den Dragonern ausmarschieren sollten, so müßte, wäre er mit den Schweden im Einvernehmen, dieses vereinzelte Abreisen nur seine Pläne kreuzen, da er sie von dieser Veränderung von neuem in Kenntnis setzen mußte. Das alles sind wichtige Folgerungen. Uebrigens drängte er Uns seine Ansicht durchaus nicht auf, wie ihr behauptet, sondern er sagte nur, wie jeder andere seine Meinung. Nein! Nein! Aus seinen Augen leuchtet Wahrheit und die verbrannte Seite legt Zeugnis ab, daß er imstande ist, einen quälenden Schmerz klagelos zu tragen.«

»Seine Majestät hat Recht,« sagte nun plötzlich die Königin ... »Das sind alles ganz richtige Folgerungen und der Rat des Babinitsch war und bleibt gut.«

Tysenhaus wußte aus Erfahrung, daß, wenn erst die Königin eine Ansicht ausgesprochen hatte, eine Appellation an den König vergeblich war, denn Johann Kasimir vertraute ihrem Scharfsinn und Verstand unbedingt. Jetzt handelte es sich nur darum, den König zur Beobachtung der äußersten Vorsicht zu bewegen.

»Es ziemt mir nicht, den Allerhöchsten Herrschaften zu opponieren. Wenn denn bestimmt der Aufbruch auf übermorgen früh angesetzt sein soll, so bitte ich, daß dieser Babinitsch nicht eher davon erfährt, als eine Stunde vorher.«

»Damit bin Ich einverstanden!« sagte der König.

»Unterwegs lasse ich selbst ihn nicht aus den Augen und wehe ihm, wenn ein Unfall passieren sollte, dann kommt er mir nicht lebend davon!«

»Das ist nicht nötig,« sagte die Königin. »Hört einmal, mein Herr! Kein anderer kann den König vor Verrat und Tücke bewahren, als Gott allein. Weder ihr, noch die Dragoner, noch Babinitsch, könnt die Majestät schützen, wenn des Allmächtigen wachsames Auge nicht auf ihr ruht. Gott allein wird über dem Könige wachen und sollte ihm Unheil drohen, ihm unerwartet seine Hilfstruppen senden. Das sagen Wir euch, der ihr an himmlische Mächte nicht glaubt.«

»Allerdurchlauchtigste Herrin!« entgegnete Tysenhaus, »auch ich glaube, daß ohne Gottes Willen niemandem ein Haar gekrümmt wird. Es ist doch aber keine Sünde, wenn ich aus Besorgnis um die Person Sr. Majestät Verrat fürchte.«

Maria Ludwika lächelte huldvoll.

»Nein! das nicht! Aber ihr seid sehr schnell fertig mit eurem Urteil über andere und beschimpft dadurch Unser ganzes Volk, Unsere Nation, welche, wie Babinitsch mit Recht sagt, keinen einzigen aufzuweisen hätte, der sich zum Königsmorde hergeben wollte. Es mag euch vielleicht wundern, daß Wir nach allen den bitteren Erfahrungen der letzten Zeiten, welche Uns, Meinem königlichen Gemahl und Mir, widerfahren, so spreche. Ich habe trotzdem das feste Vertrauen zu Unserem Volke nicht verloren und bin überzeugt, daß selbst unter denen, die gegenwärtig noch in schwedischen Diensten stehen, sich nicht ein einziger Königsmörder finden würde.«

»Und der Brief des Fürsten Boguslaw, Majestät?«

»Der Brief lügt!« sagte die Königin bestimmt. »Wenn es einen gebe in der ganzen Republik Polen, welcher des Königsverrates fähig wäre, so ist dieser Eine sicher der Fürst Stallmeister, doch er gehört kaum noch dem Namen nach Unserer Nation an.«

»Kurz und gut, verdächtigt den Babinitsch nicht mehr,« sagte der König. »Das mit dem Namen muß eine Verwechselung bei euch sein. Man könnte ihn schließlich deswegen in ein Verhör nehmen, aber sagt selbst, wie soll man das bewerkstelligen? ... Sollen Wir etwa fragen: Wenn ihr nicht Babinitsch heißt, wie nennt ihr euch dann? Diese Frage müßte ihn schwer verletzen und Wir haften mit Unserem Kopfe für seine Rechtlichkeit.«

»Um diesen Preis, Majestät, möchte ich mich nicht von seiner Rechtlichkeit überzeugen wollen.«

»Gut! Schon gut! Wir danken euch für eure Besorgnis. Der morgige Tag sei dem Gebet und Bußübungen geweiht. Uebermorgen mit Tagesanbruch wird ausgerückt.«

Tysenhaus zog sich seufzend zurück und begann noch an demselben Tage ganz im Geheimen die Vorbereitungen zur Abreise. Auch die höchsten Würdenträger hatten keine Ahnung davon. Die Dienerschaft erhielt nur kurz den Befehl, die Pferde jeden Augenblick marschbereit zu halten, da der Befehl zum Aufbruch einmal ganz plötzlich gegeben werden könne.

Am ganzen folgenden Tage blieb der König unsichtbar; er kam auch nicht in die Kirche. Dafür verrichtete er in seinen Gemächern Gebete und fromme Bußübungen. Er betete nicht für sich, nein, für sein unglückseliges Reich.

Auch die Königin mit ihrem Frauenzimmer verharrte im Gebet.

Die darauffolgende Nacht stärkte in tiefem gesunden Schlaf die Kräfte der Reisebereiten und als eben die Kirchenglocke der Gloganer Stadtkirche zur Frühmette rief, da hatte die Trennungsstunde geschlagen.


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